Tragödie

Die Tragödie (griech. trágos = Bock und odé = Gesang) stellt einen Konflikt dar, der den Helden in den Tod führt. Sie entwickelt ihre Handlung aus innerer Notwendigkeit bis zum Umschlag in die Katastrophe. Spätestens hier erhalten die Hauptbeteiligten volle Einsicht in ihre tragischen Verstrickungen.

ARISTOTELES bezeichnet sie als

„die nachahmende Darstellung einer ernsten und in sich abgeschlossenen Handlung, die einen gewissen Umfang (megethos) hat, in kunstvollem Stil, der in den einzelnen Teilen sich deren besonderer Art anpasst, einer Handlung, die nicht bloß erzählt, sondern durch handelnde Personen vor Augen gestellt wird und dadurch, dass sie Mitleid (eleos) und Furcht (phobos) erregt, die Reinigung (katharsis) derartiger Gemütsbewegungen (panthemata) bewirkt.“

Neuere Übersetzungen seiner „Poetik“ (siehe dort) gehen davon aus, dass ARISTOTELES den Begriff Katharsis im medizinischen Sinne verstanden habe, also als Abreaktion eines Affektstaus.

Das Erregungsniveau hebt sich

  • durch Phobos bis an die Schmerzgrenze,
  • die Spannung löst sich in Eleos,
  • bis Katharsis als lustvolle Befriedigung eintritt.

Der Wendepunkt, das Umschlagen von Furcht in Mitleid wird alsPeripetie bezeichnet. Das Umschlagen von Phobos in Eleos muss ein klar erkennbarer Punkt im Handlungsverlauf sein und zudem eine für den Zuschauer nachvollziehbare Motivation haben. Bei ARISTOTELES besteht diese in einem Fehler (hamartia), den der Held macht. Man spricht auch von „tragischer Schuld“. Die Tragik der Handlung darf dabei nicht dem Zufall entspringen. Das letzte Strukturelement im aristotelischen Drama bildet das strukturelle Gegengewicht zur Peripetie, die Anagnorisis.

Die griechische Tragödie mit

  • AISCHYLOS,
  • SOPHOKLES und
  • EURIPIDES

bildet den Ursprung der europäischen Tragödiendichtung. Der antike Mensch ist der Willkür der Götter ausgesetzt. So gesehen steht die griechische Tragödie auf einem Lebenshintergrund der Verzweiflung. Der Mensch verfällt in Hybris (er überschreitet die ihm gesetzten Grenzen) und wird von den Göttern bestraft. Er ist einem zerstörenden Schicksal ausgesetzt, jeden Tag kann ihn dieses Schicksal treffen (Odysseus in der Tragödie „Aias“ des SOPHOKLES). Der Mensch besitzt aber die Größe, dieses vom Schicksal und den Göttern verhängte Los auf sich zu nehmen. Über AISCHYLOS zu EURIPIDES emanzipiert sich die Tragödie zunehmend vom Mythos zum Rationalen.

SHAKESPEAREs Tragödie ist bestimmt durch die politischen Verhältnisse der elisabethanischen Epoche. Während in der griechischen Tragödie der Mensch als Typus auftritt, schildert SHAKESPEARE das Individuum, das in eine tragische Situation gerät. Der Held ist auf sich selbst gestellt. Doch sucht auch Hamlet (siehe PDF "William Shakespeare - Hamlet) die zerstörte Ordnung wiederherzustellen. Die Tragik entspringt mehr aus der psychologisch bedingten Handlungsweise des Menschen.

„Hamlet“ (1600) von SHAKESPEARE wurde mehrfach verfilmt, u. a. 1948 mit SIR LAURENCE OLIVIER und 1996 mit KENNETH BRENNAGH in der Rolle des Hamlet. 2000 kam „Hamlet. The Denmark Corporation“ als moderne Adaption des Stückes in die Kinos. Hamlet spielte ETHAN HAWKE.

Die klassische französische Tragödie von CORNEILLE und RACINE behandelt das Thema der Gefährlichkeit der Liebe in Form der Leidenschaft. Die Einheit von Zeit, Ort und Handlung, die Gesetze der griechischen Tragödie werden eingehalten.

Im klassischen Drama SCHILLERs rettet der Mensch seine Sittlichkeit mit dem Tod. Das Sittengesetz ist ein Unbedingtes, das den Menschen in seiner Körperlichkeit zwar zerstört, das ihn aber in seiner Idee und im Geistigen triumphieren lässt. Beispiele für eine solche Haltung sind

  • Ferdinand („Kabale und Liebe“),
  • Marquis Posa („Don Carlos“) und
  • Max („Wallenstein“).

KLEIST gilt als der tragischste deutsche Tragiker. Seinen tragischen Helden ist gemein, dass sie in ihrem Vertrauen in das eigene Gefühl erschüttert sind, einem Gefühl, das Wahrheit anzeigt, aber durch falsche Interpretation zu verhängnisvollem Handeln führt. Penthesilea stirbt nicht im Bewusstsein, einem Gesetz zu gehorchen. Hinter der Katastrophe steht die Hoffnungslosigkeit. Es ist keine Vermittlung zwischen Gefühl und Vernunft durch einen moralischen Erkenntnisprozess möglich. Ursache für einen tragischen Konflikt kann persönliche Schuld sein, aber auch ein Irrtum, das Schicksal oder eine außerhalb des Protagonisten liegende tragische Schuld.

Der Tragiker der geschichtlichen Wendepunkte ist HEBBEL. Neue sittliche Maßstäbe bringen eine Zerstörung in die Beziehungen der Menschen, immer wieder treten sie im Kampf der Geschlechter hervor. Trotzdem herrschen nicht nur gegenseitiges Unverständnis und gegenseitige Zerstörung. Es gibt eine Ordnung, die, ähnlich wie bei SCHILLER, stärker ist als alles Menschliche. Reines Unverständnis und nicht Umdenkenkönnen führt in HEBBELs bürgerlichem Trauerspiel „Maria Magdalena“ (siehe PDF "Christian Friedrich Hebbel - Maria Magdalena) zur Tragik.

Death of a Salesman - eine amerikanische Tragödie

In der amerikanischen Tragödie „Death of a Salesman“ von ARTHUR MILLER behandelt der Autor die Problematik in einer Gesellschaft zu leben, die den Einzelnen nur an seinem Erfolg misst, in welcher der Protagonist allerdings dazu verdammt zu sein scheint, erfolglos zu bleiben. Es ist das unentrinnbare Schicksal des tragischen Helden, ein, oft nicht einmal bewusst, geschriebenes oder aber auch ungeschriebenes Gesetz zu verletzen, was als tragischer Fehler bezeichnet wird. Für diesen Verstoß muss er meistens mit seinem Leben zahlen, woraufhin sich die alte Ordnung rehabilitiert und sich ihre Richtigkeit bestätigt.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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