Apostroph

Der falsch verwendete Apostroph begegnet uns auf Schritt und Tritt:
Man möchte sich die Haare schneiden lassen und sucht einen kundigen Hairstylisten (früher genügte auch ein Frisör). Man betritt die Straße und liest – erschaudernd – die Ladenschilder:

  • „Andrea’s Salon“ oder
  • „Elmar’s Frisörladen“.

Irgendjemandem ist sogar „Ine’z Cut & Color“ ins Auge gesprungen. Es tat sehr weh.

Aber auch, wenn man sein Haupthaar nicht in die richtige Form zu bringen sucht, stößt man in Stadt- und Dorflandschaften immer wieder auf den falsch verwendeten Apostroph. Selbst renommierte Firmen tragen ihn stolz:

  • „Kaiser’s“,
  • „Foster’s“,
  • „Dickmann’s“,
  • „Beck’s“,
  • „Janny’s Eis“,
  • „Händlmaier’s“,
  • „Müller’s Mühle“.

Ein Hersteller wirbt um „Tortilla’s“ und „Nacho’s“, ein anderer preist seine „Handy’s“ an. Was so viele benutzen, kann eigentlich nicht falsch sein, oder? Doch.

Regel
Der Apostroph zeigt an, dass in einem Wort ein oder mehrere Buchstaben ausgelassen worden sind. In den oben aufgeführten (falschen) Beispielen wird jedoch kein Buchstabe ausgelassen: Hier wird lediglich das Genitiv-s vom Rest des Wortes abgeschnitten.

Zwar erlaubt der DUDEN in einigen Fällen den Genitivapostroph (K16, § 97E), normalerweise wird jedoch vor einem Genitiv-s kein Apostroph gesetzt. Das gilt auch für Genitiv-s und Plural-s bei Initialwörtern und Abkürzungen:

falsch

LKW’s
GmbH’s
PC’s

richtig

LKWs
GmbHs
PCs

Der DUDEN erlaubt zwar inzwischen den Gebrauch des Stammform-Apostrophs (noch in Duden-Rechtschreibung, 20.Aufl. R 24, nicht erlaubt)  und somit die „Grimm’schen Märchen“, da aber die „grimmschen Märchen“ ebenso statthaft sind, ist man damit immer auf der sicheren Seite.

Ebenso ist „Andrea’s Salon“ zwar gestattet (K16), mit „Andreas Salon“ macht man aber auch nichts falsch, denn „Andreas“ bezieht sich hier auf den Nominativ Andrea, wäre Andreas der Besitzer des Salon, hieße es „Andreas’ Salon“.

Zwar ist – laut DUDEN – seit 2006 auch „Kaiser’s Kaffee“ völlig korrekt, aber jeder in diesem Land Lebende weiß inzwischen, dass der Kaiser 1918 abgedankt hat und es sich bei den Kaisers nur um eine Familie handeln kann.

Auch „Kalle’s Würst’chen Bude“ sollte richtigerweise zu „Kalles Würstchenbude“ mutieren (wobei die „Würst’chen“ auch jetzt noch nicht statthaft sind, ebenso wie „Oma,s ...“ oder „Oma’s Kräuterlikör“ zu „Omas Kräuterlikör“ umgeschult werden sollte).

Und „Ine’z Cut & Color“ sieht zwar sehr exotisch aus, ist ein Blickfang in der Stadt, aber setzt ein falsches Signal: „Ines’ Cut & Color“ zeigt dagegen an, dass „Ines“ die Friseurmeisterin ist und nicht „Ine“, gemeinsam mit ihrem Kompagnon Zorro.

Generell falsch ist jedoch „Tortilla’s“ und „Nacho’s“. Hier gibt es auch für der DUDEN kein Pardon.

Um Fehler zu vermeiden, sollten wir den Apostroph nur bei Auslassungen (Elisionsapostroph)  verwenden:

Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll...
(Johann Wolfgang Goethe: Der Fischer)

Daß aber der Wein von Ewigkeit sei,
Daran zweifl' ich nicht;

(Johann Wolfgang Goethe: Ob der Koran von Ewigkeit sei

Schlaf nun selig und süß
Schau im Traum's Paradies

(anonym: Guten Abend, gut' Nacht)

Hör, mein Freund, Er ist 'ne rechte Schlang' in meinem Weg
(Sir Walter Scott: Ivanhoe)

Apostroph bei Wiedergabe der Umgangssprache
Wird die Umgangssprache schriftlich wiedergegeben, kann man einen Apostroph setzen, um das Dialektale besser verständlich zu machen:

Gott allein ist g'nug.
(Gerhard Tersteegen: Gott allein ist g'nug)

Nimmer werd' ich's g'nug beklagen,
Dass ich Dich so spät geliebt.

(Luise Hensel: Immer – Nimmer)

Denn kramt hei all'ns en beten t'recht,
Namm't mit de Wohrheit nich genau
Un log för sinen Muddelkram
'ne schöne Utred glik tausam.

(Fritz Reuter: 'ne gaude Utred)

Apostroph bei Schluss–e

Bei Schluss–e darf die  Auslassung ungekennzeichnet bleiben. Goethe schrieb noch:

Sitz' ich allein,
Wo kann ich besser sein?
Meinen Wein
Trink' ich allein;
Niemand setzt mir Schranken,
Ich hab' so meine eignen Gedanken.

(Johann Wolfgang Goethe: Saki Nameh, aus: West-östlicher Divan).

Inzwischen darf der Apostroph in vielen Fällen weggelassen werden:

Sitz ich allein,
Wo kann ich besser sein?
Meinen Wein
Trink ich allein;
Niemand setzt mir Schranken,
Ich hab' so meine eignen Gedanken.

Apostroph im Wortinnern

Auch ein unbetontes –e im Wortinnern darf nun entfallen, es muss kein Apostroph gesetzt werden:

wechsle statt wechsele
trockne statt trockene

Rammpammpammpamm – klatschten die Schlägel auf das trockne Holz des Paukenrandes.
(Kurt Tucholsky: Der Mann am Schlagzeug)

Ich wechsle gern Wort mit Dir, und am liebsten über Dinge, die Freund und Feind angehen.
(Matthias Claudius: Asmus omnia sua secum portans)

Ich wechsle es morgen früh; dann gebe ich dir die Hälfte!
(Frank Wedekind: Die Büchse der Pandora)

Aber auch diese Regel ist eine Kann-Bestimmung. KURT TUCHOLSKY verwendete den Apostroph in seinen Berliner Gedichten kaum oder gar nicht:

KURT TUCHOLSKY
Karrieren

Et jibt Karrieren – die jehn durch den Hintern.
Die Leute kriechen bei die Vorgesetzten rin.
Da is et warm. Da kenn se ibawintern.
Da bleihm se denn ne Weile drin.
I, denken die – kein Neid! Wer hat, der hat.
Denn komm se raus. Denn sind se plötzlich wat.

Denn sind se plötzlich feine Herrn jeworden!
Denn kenn die de Kollejen jahnich mehr.
Vor Eifa wolln se jeden jleich amorden:
„Ich bün Ihr Vorjesetzta! Bütte sehr!“
Und jeda weeß doch, wie set ham jemacht!
Det wird so schnell vajessen . . . Keena lacht.

Int Jejenteil.
Der sitzt noch nich drei Stunden
in seine neue Stellung drin –:
da hat sich schon 'n junger Mann jefunden,
der kriechtn wieda hinten rin!
Und wenn die janze Hose kracht:
weil mancha so Karriere macht.
Er hat det Ding jeschohm.
Nu sitzt a ehmt ohm.
Von oben frisch und munter
kuckt keena jerne runter.
Weil man so rasch vajißt,
wie man ruff,
wie man ruff,
wie man ruffjekommen ist –!
(Theobald Tiger. In: Die Weltbühne, 25.11.1930, Nr. 48, S. 807)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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