Von der Great Depression zum New Deal

Der „Schwarze Freitag“

Nach dramatischen Kursstürzen kollabierte am 25. Oktober 1929, dem „Schwarzen Freitag“, der Börsenhandel an der New Yorker Wall Street. Rasch weitete sich die Finanzkrise zu einer globalen Wirtschaftskrise (Depression) aus. Panikverkäufe von Anlegern, die den Wert ihrer Aktien bis November um mehr als die Hälfte fallen sahen, verursachten Banken- und Firmenzusammenbrüche, die das gesamte Wirtschaftsleben zu lähmen begannen.

In den Vereinigten Staaten trafen die verheerenden Auswirkungen der Great Depression große Teile der Bevölkerung. Etwa ein Viertel der arbeitsfähigen Amerikaner war arbeitslos. Diese Menschen besaßen keinerlei rechtlichen Anspruch auf Unterstützung, sondern waren auf die Armenhilfe der Gemeinden und private Wohltätigkeit angewiesen. Farmer und Pächter im Mittleren Westen litten nicht nur unter dem Preisverfall, sondern auch unter der anhaltenden Dürre.

Viele Familien brachen in Richtung Kalifornien auf, das nun als das „Gelobte Land“ galt. Sie fanden aber oft nur in Obdachlosenlagern Unterkunft und mussten sich als Obstpflücker verdingen. Bis 1933 waren das Wirtschaftsaufkommen, die privaten Einkommen und der Außenhandel um die Hälfte zurückgegangen. In der Baubranche und auf dem Agrarsektor verursachten fehlende Aufträge und fallende Preise einen Einbruch der Produktion.

Der rasche Sturz in die Krise führte zu einer tiefen, die Grundfesten des amerikanischen Selbstverständnisses erschütternden Verunsicherung. Angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs schwand der Glaube

  • an die Fähigkeit des Einzelnen, sein Schicksal zu gestalten,
  • an die Überlegenheit der Demokratie gegenüber diktatorischen Regierungsformen
  • und an die Vorzüge des freien Unternehmertums.

ROOSEVELTS New Deal

Um die Krise zu bekämpfen,gab FRANKLIN D. ROOSEVELT, der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, 1932 in Chicago die Parole vom “New Deal” aus. ROOSEVELTS New Deal stand nicht für ein durchgeplantes Wirtschaftsprogramm, sondern sollte eine Trendwende in der Politik einläuten. Die amerikanische Bundesregierung müsse die Verantwortung für das wirtschaftliche Wohlergehen der Amerikaner übernehmen und die Krise ebenso entschlossen wie eine militärische Invasion bekämpfen. Mit über sieben Millionen Stimmen Vorsprung gewann ROOSEVELT die Wahl und löste 1933 den Republikaner HERBERT CLARK HOOVER als Präsident der Vereinigten Staaten ab.

In den legendären „ersten hundert Tagen“ seiner Amtszeit brachte ROOSEVELT eine Fülle von Reformen auf den Weg, deren Funktion er der Bevölkerung in mehreren Radioansprachen erläuterte: Wichtig sei, dass überhaupt etwas geschehe. Sollten sich einzelne Maßnahmen als falsch erweisen, könne man sie korrigieren und etwas anderes versuchen. Zur Durchführung der Reformen hatte der Präsident einen aus hochkarätigen Wissenschaftlern gebildeten Beraterstab um sich versammelt.

Weiteres Ansehen erwarb er sich durch die erstmalige Berufung einer Frau, FRANCES PERKINS, in ein Ministeramt. Auch das soziale Engagement von ROOSEVELTS Gattin ELEANOR trug zur Popularität des Präsidenten bei.

Die Reformen des New Deal erfassten alle Bereiche der amerikanischen Wirtschaft, wiesen aber folgende Schwerpunkte auf:

  • Neuordnung und Reglementierung des Bank- und Finanzwesens,
  • Förderung von Industrie und Landwirtschaft,
  • Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Etwa neun Mio. Amerikaner hatten in Folge der Bankenkrise ihre Ersparnisse verloren. Um das Vertrauen in das Finanzwesen wieder herzustellen, wurde bereits am 9. März 1933 mit dem Emergency Relief Banking Act ein Gesetz verabschiedet, das stärkere Aufsichtsbefugnisse des Finanzministeriums vorsah. Zur weiteren Beruhigung trug der Glass-Steagall Banking Act bei, der Anlagegeschäfte von 'normalen' Bankgeschäften trennte und eine Versicherung der Bankeinlagen vorsah. Als Kontrollorgan für die Börse fungierte ab 1934 die Securities and Exchange Commission, die übersteigerte Spekulationen und Geschäfte zwischen Insidern verhindern sollte. Die Preisgabe des Goldstandards und die Abwertung des Dollars zielten darauf ab, das inländische Preisniveau zu heben. In der Haushaltspolitik verhielt sich ROOSEVELT konventionell und mahnte zur Sparsamkeit, als das Haushaltsdefizit anwuchs. Die Ausgabenkürzungen, die der Kongress daraufhin vornahm, wirkten der wirtschaftlichen Erholung eher entgegen. Erst 1938 wurde dieser restriktive Kurs aufgegeben, als die Konjunktur erneut einbrach und sich vor dem Hintergrund des Aufstiegs von Deutschland und Japan bereits die Notwendigkeit militärischer Aufrüstung ankündigte.

Ein zweiter Schwerpunkt lag auf der Förderung der Landwirtschaft. Das erste, im Mai 1933 erlassene Gesetz über die Anpassung der Landwirtschaft (Agricultural Adjustment Act) an die zu geringe Nachfrage sah eine Kombination von Anbaubeschränkungen und Subventionen für bestimmte Produkte wie Weizen, Baumwolle und Tabak vor. Farmer erhielten zinsgünstige Kredite, um drohende Zwangsversteigerungen abzuwenden. Vom Anstieg der Preise profitierten allerdings in erster Linie die größeren Farmer, während Kleinbauern und schwarze Pächter im Süden zumeist leer ausgingen. Denn die Verteilung der staatlichen Zuschüsse oblag den Regierungen der Einzelstaaten und lokalen Farmerorganisationen, die im Süden weiterhin von konservativen Demokraten und ihrer weißen Farmerklientel dominiert wurden. Da ROOSEVELT auf deren politische Unterstützung angewiesen war, vermied er es, entschieden gegen die Rassendiskriminierung vorzugehen.

Das Kernstück des ersten New Deal bildete das Bundesgesetz über den industriellen Wiederaufbau vom Juni 1933 (National Industrial Recovery Act, NIRA). Unter der Aufsicht der National Recovery Administration konnte jede Branche Regeln, so genannte codes of fair business, aufstellen, die einen 'ruinösen Wettbewerb' durch Preis- und Produktionsabsprachen verhindern sollten. Als Zugeständnis an die Gewerkschaften wurden Vereinbarungen über Mindestlöhne und Höchstarbeitszeiten, das Verbot der Kinderarbeit und das Recht auf freie Tarifverhandlungen in die codes aufgenommen. Als sich der Widerstand der Unternehmer gegen diese Eingriffe des Staats formierte, hob der Oberste Gerichtshof das Gesetz im Mai 1935 auf.

Der experimentelle Charakter des New Deal zeigte sich am deutlichsten auf dem Gebiet der Arbeitsbeschaffung: Etliche Organisationen folgten dort aufeinander oder existierten nebeneinander. Die Civil Works Administration verschaffte im Winter 1933/34 vier Mio. Menschen vorübergehend Arbeit, wurde aber wegen Geldmangels wieder aufgelöst. Als dauerhafter erwies sich das Civilian Conservation Corps, ein freiwilliger Arbeitsdienst für Männer zwischen 18 und 25 Jahren, die in Militärcamps lebten und mit Landschafts- und Naturschutzaufgaben betraut wurden. Das Großprojekt der Tennessee Valley Authority verband die Arbeitsbeschaffung mit regionaler Wirtschaftsentwicklung. Im Einzugsgebiet des Tennessee River wurden Dämme, Schleusen, Elektrizitätswerke, Stromleitungen und Chemiefabriken gebaut.

Während große Teile der US-Bevölkerung ROOSEVELTS Politik unterstützten, rief der New Deal Kritiker von links und recht auf den Plan. Waren den einen die Maßnahmen noch nicht radikal genug, so attackierte die konservative American Liberty League die staatliche Regulierung des Wirtschaftslebens als Vorstufe eines kommunistischen oder faschistischen Regimes.

Auch die Gerichte glaubten zu erkennen, dass der New Deal das amerikanische Verfassungssystem aus den Angeln hob. Als der Oberste Gerichtshof im Mai 1935 eine Klage gegen den für die Geflügelindustrie geltenden code behandelte, erklärten die Richter den NIRA einstimmig für verfassungswidrig. Sie bemängelten, dass der Kongress der Bundesregierung zu viele Vollmachten übertragen und diese auf unzulässige Weise in die Belange der Einzelstaaten eingegriffen habe. Durch seine, zentrale Gesetze widerrufenden Urteile stellte der Oberste Gerichtshof den gesamten New Deal infrage.

Der zweite New Deal

Präsident ROOSEVELT beantwortete die Rückschläge mit einer Verschärfung seines Reformkurses. Hatte sich die Regierung bislang um eine Harmonisierung der Interessen von Unternehmern, Gewerkschaften und Farmern bemüht, so waren die Gesetze des 'zweiten' New Deal ab 1935 weit radikaler. Sie begünstigten die Arbeiterschaft, während die Unternehmen einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt und höher besteuert wurden. Als Ersatz für den NIRA unterzeichnete der Präsident im August 1935 den Wagner Act (National Labor Relations Act), durch den die Gewerkschaften gestärkt wurden.

Entscheidende Schritte zum Aufbau eines modernen Sozialstaats waren

  • der Social Security Act vom August 1935, der eine durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile finanzierte Altersrente und Arbeitslosenunterstützung einführte
  • und der Fair Labor Standards Act, mit dem die Kinderarbeit verboten und gesetzliche Mindestlöhne sowie Höchstarbeitszeiten festgelegt wurden.

Auch die Arbeitsbeschaffung wurde im Rahmen des 'zweiten' New Deal intensiviert. Die Works Progress Administration förderte nicht nur Industrie- und Infrastrukturprojekte, sondern beschäftigte auch eine große Zahl von Künstlern und Intellektuellen. Dennoch verharrte die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau. 1938 stieg sie vorübergehend sogar wieder auf über 10 Mio. (19 Prozent) an.

Abgerundet wurde die Maßnahmen durch den Banking Act, der die Verantwortung für die Geldpolitik endgültig von der regionalen auf die nationale Ebene hob und die Steuerlast der unteren Einkommensschichten verringerte. Der politische Erfolg dieser Reformen zeigte sich 1936 bei der Präsidentschaftswahl, in der ROOSEVELT seinen republikanischen Herausforderer ALFRED M. LANDON klar besiegte.

Das Ende des New Deal

Trotz des überwältigenden Wahlerfolgs stand ROOSEVELTS zweite Amtszeit innenpolitisch unter einem schlechten Stern. Im Kongress löste sich die parteienübergreifende Koalition auf, die den New Deal ermöglicht hatte, da die Republikaner die unternehmerfeindliche Politik der Regierung nicht mehr mittragen wollten. Zahlreiche Streiks sowie die einsetzende Rezession beunruhigten viele Amerikaner und weckten Zweifel an der Richtigkeit des neuen, radikaleren Kurses. Die schwerste Krise löste ROOSEVELT jedoch selbst mit einem Frontalangriff auf den Obersten Gerichtshof aus, dessen konservative Urteile ihn zunehmend verärgert hatten. Nun warnten sogar liberale Demokraten vor 'diktatorischen Anwandlungen'. Während die innenpolitischen Reformprojekte und Gesetzesentwürfe immer größere Widerstände hervorriefen, rückten – angesichts der drohenden Kriegsgefahr in Asien und Europa – außenpolitische Fragen in den Vordergrund.

Auch der New Deal korrigierte die gesellschaftlichen Ungleichheiten nicht grundlegend. Von den Reformen profitierten Afroamerikaner und andere Minderheiten – wie die 170.000 Indianer und die mexikanischen Wanderarbeiter – weit weniger als die weiße Mittel- und Unterschicht. Die Frauen, immerhin die Mehrheit der Bevölkerung, blieben weiterhin im Berufsleben und bei der sozialen Absicherung benachteiligt. Die Karten wurden also keineswegs so gründlich 'neu gemischt', wie von ROOSEVELT in den Wahlkämpfen angekündigt. Dennoch fällt eine Gesamtbewertung des New Deal positiv aus.

Dies gilt auch für den Kultursektor, der durch ROOSEVELTS Reformpolitik neue Impulse erhielt. Projekte für Künstler und Intellektuelle wie das Federal Writers' Project und das Federal Theater Project waren weit mehr als reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Indem die Beteiligten Parks und Denkmäler restaurierten oder neu errichteten, öffentliche Gebäude mit Wandmalereien schmückten, Volkslieder und Gedichte sammelten, Theaterstücke aufführten oder Dokumentarfilme drehten, trugen sie zur Stärkung der amerikanischen Identität und des Patriotismus bei. Dies erklärt auch die Bereitschaft vieler Künstler, sich nach 1941 im Kampf gegen die totalitären Staaten zu engagieren.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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