- Lexikon
- Geschichte
- 7 Von der Reformation bis zum Absolutismus
- 7.5 Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648
- 7.5.1 Konfessionelle Gegensätze
- Der Dreißigjährige Krieg: Söldner, Pest und Hungersnöte
War im Mittelalter das Ritterheer das entscheidende Mittel zur Kriegführung, so waren es im 15. und 16. Jh. die Söldner. Die Herrscher der Epoche des Absolutismus (17. und 18. Jh.) benötigten zur Absicherung und Ausdehnung ihrer Macht ständig zur Verfügung stehende Soldaten – ein sogenanntes Stehendes Heer.
Natürlich opferte ein Feldherr während des Dreißigjährigen Krieges nicht blindlings seine Soldaten, denn Verluste konnten nicht von heute auf morgen ausgeglichen werden. Die Strategie (die großräumige Vorgehensweise) zielte häufig darauf ab, den Feind auszumanövrieren und ihn dort anzugreifen, wo er am schwächsten war. Auch bei der Taktik (der Durchführung einer Schlacht) gab es allmählich Veränderungen: Die großen Formationen von Soldaten, im Extremfall bis zu 70 Reihen hintereinander, wurden durch kleinere und damit auch beweglichere ersetzt.
Im Dreißigjährigen Krieg waren die Söldner, ihre Ausbildung, Bewaffnung und ihre Motivation die bestimmenden Elemente der Kriegführung. Bei der Ausbildung fing man in dieser Zeit mit so etwas wie dem militärischen Drill an. Die Artillerie war mit Kanonen der verschiedensten Kaliber (Durchmesser der Kugeln oder Innendurchmesser der Rohre) ausgerüstet. Die meisten Söldner hatten Musketen (Vorderlader), andere meterlange Hellebarden.
Recht unterschiedliche Motive führten zu der Entscheidung, Söldner zu werden. Manche jungen Männer trieb die wirtschaftliche Not zu diesem Schritt (auch Kinder wurden als Söldner angeworben), andere suchten das Abenteuer oder hofften auf Beute, auch entschlossen sich etliche wegen religiöser Verfolgung zum zeitlich begrenzten Kriegsdienst. Manchmal war es ganz einfach eine Art und Weise, den Lebensunterhalt zu verdienen.
Für manche sah das Söldnertum zunächst recht positiv aus: Der Soldat bekam seinen Sold und wurde verpflegt, er trug vielleicht eine schicke Uniform, und er lief mit einer Waffe herum, was dem normalen Bürger nicht gestattet war. Auch unterstand er nicht mehr der bürgerlichen Gerichtsbarkeit; über ihn urteilte im Konfliktfall ein Militärgericht.
Der Drill, die Erlernung des „Kriegshandwerks“, war keine angenehme Angelegenheit. Nicht selten kam es zu Verletzungen und auch schon mal zu Todesfällen. Je länger der Krieg dauerte, desto teurer wurde er. Trotz finanzieller Unterstützung durch verbündete Territorien und Staaten reichte oft das Geld zur Entlohnung der Söldner nicht aus. Und so wurde der Sold oftmals verspätet gezahlt, oder die Zahlungen blieben ganz aus.Es haperte immer wieder an einer ordnungsgemäßen Verpflegung. Dann wurden die Städte gezwungen, Fleisch, Brot und Bier zu liefern. Viele Söldner holten sich bei der Bevölkerung gewaltsam, was ihnen ihr Kommandeur nicht geben konnte oder wollte. Nicht nur für das Heer des Feldherren WALLENSTEIN galt bald die Devise:
„Der Krieg ernährt den Krieg“.
Es kam schon vor, dass Söldner von dem elenden Soldatenleben und von dem Gemetzel genug hatten und sich unerlaubt auf und davon machten, sie desertierten. Etwa die Hälfte derer, die wieder aufgegriffen wurden, wurde zum Tode verurteilt und häufig aufgehängt – zur Abschreckung.
So etwas wie eine medizinische Betreuung für verwundete Soldaten gab es natürlich nicht. Auf den Schlachtfeldern sah es wüst aus: Zwischen toten Pferden und zerstörtem Kriegsgerät lagen Tote und schreiende Verwundete. Wurde ein Heer nach einem Feldzug, der sich auch über Jahre erstrecken konnte, aufgelöst, standen die Söldner häufig mittellos da, oft Hunderte von Kilometern von ihrer Heimat entfernt.
In der Anfangszeit des Dreißigjährigen Krieges spielte die Religionszugehörigkeit der Söldner noch eine Rolle. Die Soldaten des kaiserlichen Feldherrn TILLY waren durchweg katholisch, die des Schwedenkönigs GUSTAV ADOLF waren evangelisch. Mit der Fortdauer des Krieges stieg der Bedarf an Söldnern, und da kam es nicht mehr darauf an, welcher Religion der Söldner angehörte oder auch welcher Nationalität er war. Gefangen genommene Soldaten wurden dazu überredet oder boten sich an, auf der Seite des bisherigen Gegners weiter zu kämpfen. So war es nicht selten, dass sie dann gegen ihre bisherigen Kameraden ins Feld zogen.
Die vom Dreißigjährigen Krieg am meisten betroffenen Gebiete waren die Mitte Deutschlands sowie der Osten und der Südwesten, und dabei vor allem Orte, die an den großen Durchgangsstraßen lagen. Dass die Bewohner befestigter Städte besser dran waren als die Bevölkerung auf dem Land ist einsehbar. Ausnahmen bezüglich einer Stadt gab es nur dann, wenn sie nach einer Eroberung geplündert wurde. Dann nahmen die Söldner mit, was sie gerade noch tragen oder irgendwie abtransportieren konnten. Adlige Kriegsherren begingen Kunstraub. Sie stahlen aus Bürgerhäusern und aus Kirchen wertvolle Bilder, Statuen oder sonstige Gegenstände.
Die Heere der damaligen Zeit legten zu Fuß oftmals mehrere Tausend Kilometer zurück.
Zudem waren Truppen der verschiedensten Herren „unterwegs“. So kam es, dass Orte binnen kurzer Zeit von durchziehenden Söldnerscharen aus gegeneinanderkämpfenden Heeren heimgesucht wurden. Die Soldaten nahmen sich gewaltsam, was sie brauchten: Lebensmittel, Vieh, Getreide. Manche nahmen auch Wertgegenstände mit oder vergingen sich an den Frauen. Aus Frust, manchmal auch um den nachfolgenden feindlichen Truppen zu schaden, wurden Häuser, Höfe und ganze Dörfer angesteckt. Angesichts herannahender feindlicher Truppen floh die Bevölkerung und versteckte sich in der Umgebung.Durch grausame Folterung der Bewohner versuchten manche Söldnerführer Informationen über den Gegner herauszubekommen. Berüchtigt war diesbezüglich der „Schwedentrunk“ der Soldaten GUSTAV ADOLFS. Man steckte einem gefesselten und auf dem Rücken liegenden Mann einen Keil in den Mund und goss Jauche hinein, um so ein Geständnis zu erzwingen.
Wie bei jeder militärischen Auseinandersetzung gab es auch im Dreißigjährigen Krieg sogenannte Kriegsgewinnler. Bergwerke, Verhüttungsbetriebe und die für den Krieg produzierende Industrie verdienten gut am Verkauf von Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen.
Die Grausamkeiten der durchziehenden Truppen hatten noch weitere negative Folgen.
Waren die Erntevorräte geplündert, die Felder verwüstet, kam es regelmäßig zu Hungersnöten. Hinzu kamen Seuchen wie Grippewellen, Durchfallerkrankungen (die Rote Ruhr) und Typhus. Die Ursachen hierfür waren nicht nur kriegsbedingt. Aufgrund mangelnder Hygiene und fehlender Abwasserkanäle kam es zu Epidemien. Eine zu flache Bestattung der Verstorbenen hatte zur Folge, dass Regenwasser über die Friedhöfe in das Grund- bzw. Trinkwasser gelangen konnte.
Das Schreckenswort dieser Zeit hieß Pest. Sie wurde schon Mitte des 14. Jh. aus Asien nach Europa eingeschleppt. Es handelte sich um eine durch Bakterien verursachte Infektionskrankheit, wobei der Pesterreger von Nagetieren (z. B. Ratten) über infizierte Flöhe (den Rattenfloh) oder bei Verletzungen durch Nagetiere (Biss- oder Kratzwunden) auf den Menschen übertragen wurde.
Da man die Übertragungsarten und -wege nicht kannte, konnte man sich auch nicht wirksam schützen. Wem es möglich war, der floh bei Ausbruch der Pest in weit entfernt gelegene Orte. Am ehesten konnten Adelsfamilien auf andere Besitzungen (z. B. Burgen) fliehen. Wie schon im Mittelalter suchte man nach Schuldigen, nach Sündenböcken. So kam es zu Hexenverbrennungen und Judenverfolgungen.
Schon Jahre vor dem Abschluss des Westfälischen Friedens machte sich Kriegsmüdigkeit breit. Seit 1644 wurde schließlich in Münster und Osnabrück verhandelt, wobei in einzelnen Landstrichen noch bis 1648 hinein Krieg geführt wurde. Schien das sog. Kriegsglück auf der Seite einer der verhandelnden Parteien zu stehen, wurden die Verhandlungen unterbrochen, um von einer verbesserten Position aus weiter zu verhandeln. Zur allgemeinen Erleichterung hörte das große Gemetzel 1648 auf.
Der Friede war aber unter ungeheuren Verlusten erkauft. Etwa 40 % der Gesamtbevölkerung waren ums Leben gekommen. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten waren dies oftmals 60–70 %. Dabei waren die Verluste in den Städten geringer als auf dem Land.
Zu den Verlusten unter der Bevölkerung kamen noch die zerstörten Häuser und Gehöfte (manchmal waren ganze Dörfer niedergebrannt worden), die verwüsteten Felder, gestohlenes Vieh und die vernichteten Erntevorräte. Trotz der Wiederaufbauhilfen einzelner Landesherren kam es erst nach Jahrzehnten zu einer wirtschaftlichen Erholung.
Die landwirtschaftlich bebaubare Fläche hatte sich verringert, Handel und Gewerbe gingen zurück. Eine genauere oder verallgemeinernde Einschätzung der Schäden und der Entwicklung nach dem Krieg kann nicht vorgenommen werden, zumal schon zu Beginn des 17. Jh. ein Stillstand in der wirtschaftlichen Entwicklung eingetreten war.
Die politische Folge des Dreißigjährigen Krieges war ein Erstarken der Einzelstaaten und hier vor allem Preußens. Das Kaisertum und damit das Gesamtreich war erheblich geschwächt. Die Macht der Habsburger, die bis zum Jahre 1806 den deutschen Kaiser stellten, beschränkte sich hauptsächlich auf ihre Kronlande: Österreich, Böhmen, Ungarn, sowie Gebiete in Norditalien.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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