Andrea di Pietro della Gondola (Palladio)

Die erste Lebensphase

Über das Leben PALLADIOs (eigentl. ANDREA DI PIETRO DELLA GONDOLA) ist nur wenig bekannt, es ist nicht einmal ein authentisches Bild überliefert.

PALLADIO wurde am 30.11.1508 als ein Müllerssohn in Padua geboren. Als 13-Jähriger begann er eine Steinmetzlehre bei dem Architekten und Steinmetzen BARTOLOMEO CAVAZZA DA SOSSANO, die er unter umgeklärten Umständen abbrach. PALLADIO siedelte 1524 nach Vicenza um, wo er im selben Jahr der Maurer- und Steinmetzzunft beitrat und in die angesehene Werkstatt des GIOVANNI DI GIACOMO DA PORLEZZA in Pedemuro aufgenommen wurde. Der Aufbau einer eigenen Werkstatt scheiterte offensichtlich, sodass PALLADIO nachweislich noch bis mindestens 1534 Mitglied der Werkstatt von Pedemuro blieb. Neben Venedig sollte Vincenza seine Hauptwirkungsstätte bleiben; hier erbaute er zahlreiche Stadtpaläste und Villen.

Im Jahr 1534 heiratete PALLADIO die Zimmermannstochter ALLEGRADONNA, die ihm vier Söhne und eine Tochter gebar: LEONIDA, MARCANTONIO, ORAZIO, SILLA und ZENOBIA. (Zwei der Söhne, LEONIDA und ORAZIO, starben bereits zu Beginn des Jahres 1572 – ein offenbar schwerer Verlust für den Vater.)

In Vincenza machte PALLADIO 1536 (nach anderen Angaben 1538) die Bekanntschaft des Humanisten GIANGIORGIO TRISSINO (1478–1550), der für ihn zu einem wichtigen Mäzen wurde und ihm u. a. verschiedene Studienreisen nach Rom ermöglichte (1545/1546, 1546/1547 und 1554). Von TRISSINO erhielt er auch 1545 den Namen „Palladio“ nach Pallas Athene, der Schutzgöttin der Künste. Und TRISSINO verschaffte ihm offensichtlich auch den ersten Zugang zu den vornehmen Vicentiner Auftraggeberkreisen.

Die ersten Erfolge

Als Architekt wirkte PALLADIO ab etwa 1540 (die Berufsbezeichnung „Architekt“ wurde ihm am 26. August 1540 verliehen) zunächst in Vicenza und Umgebung und ab 1560 in Venedig und im Veneto.

In den ersten Schaffensjahren baute PALLADIO eine Reihe von Villen im vicentinischen Bereich; der 11. April 1549 markiert den ersten Höhepunkt seiner Laufbahn: er wurde zum Hauptarchitekten an der sogenannten „Basilica“, den Loggien für den Palazzo della Ragione in Vicenza, ernannt. Neben

  • JACOPO SANSOVINO (1486–1570) und
  • MICHELE SANMICHEL (1484–1559),

beide deutlich älter als er, wurde PALLADIO zum dritten bedeutenden Baumeister Oberitaliens.

Etwa um 1550 lernte er den venezianischen Patrizier DANIELE BARBARO (1513–1570) kennen. Eine Freundschaft entwickelte sich, die PALLADIO Zugang zu den aristokratischen Kreisen Venedigs ermöglichte. So entstanden in den 1550er-Jahren vor allem repräsentative Villen für die Vicentiner sowie für die venezianische Aristokratie.

Mittlere und späte Schaffensphase

Neben weiteren Villenbauten wurde PALLADIOs Schaffen in den 1560er-Jahren auch durch den Bau repräsentativer Paläste und Palastfassaden geprägt – besonders in Vincenza, aber zunehmend auch in Venedig, wo der Baumeister insbesondere Aufträge für sakrale Bauwerke erhielt. Dazu gehörten u. a.:

  • der Kreuzgang von Santa Maria della Carità,
  • der Entwurf zur Fassade von San Francesco della Vigna,
  • die Kirche San Giorgio Maggiore,
  • die Wallfahrtskirche Il Redentore.

PALLADIO gewann zunehmend an Ansehen. Im Jahr 1556 war er Gründungsmitglied der „Olympischen Akademie“ in Vicenza. 1566 wurde er Mitglied der „Accademia del Disegno“ in Florenz. 1568 erhielt er eine Einladung an den kaiserlichen Hof in Wien, die er aufgrund von Arbeitsüberlastung nicht wahrnehmen konnte.

In seinem letzten Lebensjahr wurde PALLADIO von der Olympischen Akademie in Vicenza die Planung eines Theaterbaues, des „Teatro Olimpico“, übertragen. Außerdem wurde er von seinem alten venezianischer Freund und Mäzen BARBARO mit dem Bau einer Familienkapelle in Form eines Zentralbaues bei der Villa Barbaro in Masèr beauftragt. Diese Arbeiten konnte PALLADIO nicht mehr selbst zu Ende führen. Er starb am 19. August 1580 entweder in Vicenza oder in Maser während der Beaufsichtigung der Bauarbeiten am dortigen Tempietto.

Der Architekturtheoretiker

PALLADIO wurde insbesondere auch durch wegweisende architekturtheoretische Schriften bekannt. Die auf VITRUV (VITRUVIUS POLLIO, um 84 v. Chr.–nach 27 v. Chr.) und der Vermessung römischer Bauten fußenden Lehrbücher PALLADIOs

  • Le Antichità di Roma“ (1554, ein Führer der antiken Bauwerke Roms) und
  • I quattro libri dell’architettura“ (1570, deutsch: „Die vier Bücher zur Architektur“, von PALLADIO selbst illustriert)

boten bis Ende des 18. Jahrhunderts die exakteste Kenntnis antiker Bauregeln. Sie enthielten Aufnahmen und Rekonstruktionen antiker Bauten und Entwürfe und Pläne eigener Projekte.

Nachwirkung

Mit den „I quattro libri dell’architettura“ wurde PALLADIO – neben LEON BATTISTA ALBERTI (1404–1472) – zum bedeutendsten Architekturtheoretiker der frühen Neuzeit.

Als Baumeister fällt er weniger durch kapriziöse Einzelwerke auf (wie beispielsweise MICHELANGELO, 1475–1564), sondern eher durch die Vielzahl seiner Bauten, die sich durch eine klassische, klare Formensprache auszeichnen. Von Bedeutung für die Geschichte der Architektur wurden seine Verwendung der Kolossalordnung von Säulen und Pilastern (erstmals 1566 am Palazzo Valmarana-Braga in Vicenza), wobei er für die Villen häufig den Portikus (Vorhalle mit Säulen) wählte. Die Raumfolgen seiner Paläste und Kirchen und die symmetrisch zu einer Tiefenachse entwickelten offenen Flügelanlagen seiner Villenentwürfe wiesen dem Barock für seine Schlossanlagen den Weg.

Im Theaterbau hat PALLADIO eine antike Grundform bahnbrechend neu gestaltet, was insbesondere die protestantische und die anglikanische Architektur Nordeuropas stark beeinflusste (Palladianismus, auch [neo-]palladianistischer Stil).

Im Klassizismus PALLADIOs erreichte die Renaissance als Wiederbelebung der Antike ihren Höhe- und Endpunkt. PALLADIOs Bauten selbst sind von klassischer Eleganz und Klarheit. Sie zählen zur Hochrenaissance und vereinigen

  • die Würde der Schule DONATO BRAMANTEs (1444–1514) mit
  • venezianischen Elementen (JACOPO SANSOVINO, 1486–1570),
  • an antiken Maßvorstellungen geschulte Proportionen und
  • reine klassische Motive (Säulenordnungen).

Die späten Werke PALLADIOs sind nicht mehr durch den strengen Klassizismus seiner früheren Werke gekennzeichnet und bilden so die Brücke zum Frühbarock.

Werke

Zu den Werken PALLADIOs gehören Villen-, Kirchen- und Palastbauten sowie wegweisende architekturtheoretische Schriften.

Kirchen und Paläste

  • Kreuzgang von Santa Maria della Carità (1560–1561)
  • San Francesco della Vigna in Venedig (Entwurf zur Fassade, nach 1562)
  • Palazzo Valmarana-Braga in Vicenza (1566–1582)
  • Kloster San Giorgio Maggiore in Venedig (1565–1580, Fassade 1607–1611 von SIMONE SORELLA)
  • Wallfahrtskirche Il Redentore in Venedig (1576–1592)
  • Palazzo Thiene in Vicenza (1546–1558, Plan nur zum Teil ausgeführt)
  • Palazzo della Ragione („Basilica“, in Vicenza, 1548–1617)
  • Palazzo Chiericati in Vicenza (1551–folgende)
  • Loggia del Capitano in Vicenza (1571, nur drei der wohl fünf geplanten Joche ausgeführt)
  • Teatro Olimpico in Vicenza (1580 begonnen, vollendet 1584 von VINCENZO SCAMOZZI, 1552–1616)
  • Tempietto in Masèr im Veneto (1580)

Villen

  • Villa Barbaro in Masèr bei Treviso (1549–1558)
  • Villa Cornaro in Piombino Dese bei Treviso (1551–1553)
  • Villa Badoer in Fratta Polesine bei Rovigo (1556/1557–1563)
  • Villa Trissino in Meledo, Gemeinde Sarego (um 1558–1562, Plan nur zum Teil ausgeführt)
  • Villa Emo in Fanzolo di Vedelago (um 1559–1565)
  • Villa Serego-Innocenti in Santa Sofia di Pedemonte bei Verona (um 1565–1569, Plan nur zum Teil ausgeführt)
  • Villa Capra, genannt „La Rotonda“, bei Vicenza (1566/1567–ff., vollendet von VINCENZO SCAMOZZI, 1552–1616)
  • Villa Foscari in Malcontenta di Mira, Gemeinde Venezia (1572)

Schriften

  • „Le Antichità di Roma“ (1554, ein Führer der antiken Bauwerke Roms)
  • „I quattro libri dell’architettura“ (1570, deutsch: „Die vier Bücher zur Architektur“, von PALLADIO selbst illustriert)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

Lexikon Share
Noten verbessern?
 

Kostenlos bei Duden Learnattack registrieren und ALLES 48 Stunden testen.

Kein Vertrag. Keine Kosten.

  • 40.000 Lern-Inhalte in Mathe, Deutsch und 7 weiteren Fächern
  • Hausaufgabenhilfe per WhatsApp
  • Original Klassenarbeiten mit Lösungen
  • Deine eigene Lern-Statistik
  • Kostenfreie Basismitgliedschaft

Einloggen