- Lexikon
- Kunst
- 2 Kunstgeschichte
- 2.5 Das 19. Jahrhundert
- 2.5.3 Malerei
- Dante Gabriel Rossetti
DANTE GABRIEL ROSSETTI wurde am 12. Mai 1828 in London als Sohn eines italienischen Freiheitskämpfers geboren, der Italien verlassen hatte. Er war das zweite von vier Kindern. In seinem Elternhaus spielten Politik und Kunst eine wichtige Rolle. Sein Vater und seine Schwester verfassten – wie er – Gedichte.
ROSSETTI genoss eine formale Bildung an der King's College School in London. Er studierte Kunst bei dem damals sehr namhaften und nur sieben Jahre älteren Maler FORD MADOX BROWN (1821–1893) und wurde mit WILLIAM HOLMAN HUNT (1827–1910) und JOHN EVERETT MILLAIS (1829–1896, „Ophelia“) Mitbegründer der Pre-Raphaelite-Brotherhood (1848). Mit allen Dreien verband ihn eine langjährige Freundschaft.
Obwohl ROSSETTI schon früh begonnen hatte, Gedichte zu schreiben, war er lange Zeit nur als Maler bekannt. Seine Frau ELIZABETH SIDDAL, die er 1860 geheiratet hatte, starb 1862 an einer Überdosis Beruhigungsmittel. Einige seiner Manuskripte hatte ROSSETTI seiner Frau 1862 als Grabbeigabe mitgegeben. Nach dem Tod seiner Frau verschlechterte sich sein Gesundheitszustand: Er fürchtete zu erblinden, wurde depressiv und abhängig von Schlafmitteln.
Erst 1869 veröffentlichte er einige Sonette, 1870 erschien der Band „Poems“. Dieser Gedichtband enthielt neben neuen Gedichten auch solche, die er aus dem Grab wieder hatte ausgraben lassen. Das Buch, das auch den ersten Teil des Sonettzyklus „The House of Life“ enthielt, machte Furore und provozierte eine literarische Kontroverse, in der die Gedichte ROSSETTIs als unanständig und obszön beschimpft wurden.
In den Jahren 1871 bis 1874 ist das Leben und Schaffen ROSSETTIs durch die Beziehung zu JANE MORRIS, Frau des Künstlers WILLIAM MORRIS (1834–1896), geprägt, die auf vielen seiner Bilder als Modell verewigt ist – zum Beispiel Proserpine (1873–77; Tate Gallery, London).
In seiner letzten Lebensphase litt ROSSETTI unter Halluzinationen. Er zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, malte und dichtete aber weiter. Am 9. April 1882 starb er im Landhaus eines Freundes in Birchington-on-Sea (Kent).
ROSSETTI war Mitbegründer der Pre-Raphaelite-Brotherhood (PRB). Bei den Präraffaeliten handelte es sich um eine 1848 gegründete englische Künstlervereinigung, die sich gegen die gängigen viktorianischen Kunstschulen richtete, der sich an der Malerei der italienischen Renaissance orientierte.
Der Name Präraffaeliten suggeriert, die Künstler hätten RAFFAEL zu ihrem Vorbild gewählt, was aber täuscht. Die Vorsilbe -pre, also -vor deutet darauf hin, dass vielmehr die Kunst vor RAFFAEL idealisiert wurde. Es wurde das Mittelalter bevorzugt, wie die spätmittelalterliche italienische Freskomalerei, aber mit der Genauigkeit des 19. Jahrhunderts gemalt.
Daneben ließen sich die Präraffaeliten auch von den Gedichten und Malereien der Romantiker, vor allem von JOHN KEATS (1795–1821), inspirieren. Ebenso gelten die deutschen Nazarener um FRANZ PFORR (1788–1812), FRIEDRICH OVERBECK (1789–1869) und LUDWIG VOGEL (1810–1870) als Vorbilder für die Präraffaeliten.
Kennzeichen prärafaelitischer Kunst ist die Wiederentdeckung der Natur. Die Maler studierten die Naturwissenschaften, versuchten hinter die Geheimnisse der Natur zu kommen, die sie mikroskopisch genau abzubilden trachteten. Sie bildeten jedoch die Natur nicht lediglich ab, sondern malten sie quasi, indem sie, wie später die Impressionisten, die Ateliers verließen und direkt in der Natur malten.
Zweites großes Thema der Präraffaeliten war die Religion.
ROSSETTI und die anderen Präraffaeliten neigten bald einem phantasievollen Ästhetizismus zu, der das ästhetische Erleben der Welt (Weltflucht, schöner Schein) ins Zentrum rückte. Ihre Motive bezogen sie meist aus literarischen Vorlagen: der Bibel, der Artus-Sage, den Werken DANTEs, SHAKESPEAREs und ALFRED LORD TENNYSONs.
Mit seinen poetischen Aquarellen, die in ihrer Flächigkeit und Farbgebung an mittelalterliche Glasmalereien und Miniaturen angelehnt sind und sich durch Detailgenauigkeit auszeichnen, beeinflusste ROSSETTI den englischen Kunsthandwerker, Sozialreformer und Kunstschriftsteller WILLIAM MORRIS und das Arts and Crafts Movement. In diesem Sinne gelten die präraffaeliten auch als Wegbereiter des Jugendstils.
Ab 1858 schuf ROSSETTI großformatige Frauenbildnisse, darunter Beata Beatrix (1863; Tate Gallery, London), ein Gemälde, das ROSSETTI in Trauer um seine Frau malte.
ROSSETTI und seine künstlerischen Wegbegleiter verehrten auch die Werke des italienischen Dichters DANTE (1265–1321) und seiner Zeitgenossen. So fertigte ROSSETTI Zeichnungen zu Motiven aus DANTEs „Divina Commedia“ an und übersetzte Schriften aus dem Dantekreis. Der Einfluss DANTEs reicht bis in ROSSETTIs mystisch-symbolische Lyrik hinein, die sich durch ihr ausgeprägtes Formbewusstsein, die Ausdrucksfülle und einen dekorativen, detailverliebten Realismus auszeichnet.
Im Stil des Symbolismus, zu dessen Wegbereitern ROSSETTI gehörte, verfasste er den Sonettzyklus „The House of Life“, der als Klage über den Tod seiner Frau ebenso beispielhaft für ROSSETTIs Lyrik ist, wie die Textsammlung „Ballads and Sonnets“ aus dem Jahr 1881. In seiner Dichtung versucht er, die Spannung zwischen sinnlichem Schönheitskult und Vergänglichkeit aufzuheben. ROSSETTIs bedeutendste Prosaschrift ist das Künstlerbekenntnis „Hand and Soul“ (1850). Auch war er maßgeblich an der Konzeption der Präraffaeliten- Zeitschrift „The Germ“ (1850) beteiligt. Seine Neigung zum Ästhetizismus beeinflusste u. a. WALTER HORATIO PATER (1839–1894) und OSCAR WILDE (1854–1900).
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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