Édouard Manet

ÉDOUARD MANET – Wegbereiter des Impressionismus und künstlerischer Einzelgänger des 19. Jahrhunderts

ÉDOUARD MANET, der einer wohlhabenden Beamtenfamilie entstammte, wurde am 23. Januar 1832 in Paris geboren. Nachdem er in den Jahren 1848/49 eine Marineschule besucht hatte und zur See gefahren war, erlernte er 1850–1856 im Atelier des Pariser Historienmalers THOMAS COUTURE die Malerei.

EDOUARD MANET: „Selbstporträt mit Palette“;1879, Öl auf Leinwand, 83 × 67 cm;New York, Sammlung Loeb.

EDOUARD MANET: „Selbstporträt mit Palette“;1879, Öl auf Leinwand, 83 × 67 cm;New York, Sammlung Loeb.

Im Louvre und auf Reisen nach Italien, Spanien, Deutschland und in die Niederlande kopierte er Bilder von GIORGIONE, TIZIAN, TINTORETTO, EUGÈNE DELACROIX, FRANS HALS, DIEGO VELÁZQUEZ und FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES. Von diesen Vorbildern bezog er zahlreiche maltechnische Anregungen.

ÉDOUARD MANET: „Absinthtrinker“;1859, Öl auf Leinwand, 178 × 103 cm;Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek.

ÉDOUARD MANET: „Absinthtrinker“;1859, Öl auf Leinwand, 178 × 103 cm;Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek.

Doch seine ersten Bilder, wie „Der Absinthtrinker“, 1859, wurden von der Jury des offiziellen Pariser Salons zurückgewiesen.

ÉDOUARD MANET: „Das Frühstück im Grünen“;1863, Öl auf Leinwand, 208 × 264 cm;Paris, Musée d'Orsay.

ÉDOUARD MANET: „Das Frühstück im Grünen“;1863, Öl auf Leinwand, 208 × 264 cm;Paris, Musée d'Orsay.

1863 rief „Das Frühstück im Grünen“, das MANET nur im „Salon des Refusés“ („Salon der Zurückgewiesenen“) zeigen konnte, einen Sturm der Entrüstung hervor, der sich angesichts der im Salon gezeigten „Olympia“, 1863, noch steigerte.

ÉDOUARD MANET: „Olympia“;1863, Öl auf Leinwand, 130,5 × 190 cm;Paris, Musée d'Orsay.

ÉDOUARD MANET: „Olympia“;1863, Öl auf Leinwand, 130,5 × 190 cm;Paris, Musée d'Orsay.

Beide Bilder stießen nicht nur wegen ihrer traditionelle Themen aufgreifenden, aber in ungewohnter Darstellung diese präsentierenden Art, auf Ablehnung – im Mittelpunkt stehen jeweils weibliche Aktdarstellungen, die ihre Nacktheit unverhohlen und selbstbewusst zur Schau stellen – sondern auch wegen ihrer neuen – vom japanischen Farbholzschnitt beeinflussten – Flächigkeit der Formen und der Malweise in eindringlichen Hell-Dunkel-Kontrasten.

Anfang der 1870er-Jahre löste MANET sich kurzzeitig von den Motiven alter Meister und machte sich die Errungenschaften der Freilichtmalerei zu Eigen. Mit den Impressionisten pflegte MANET einen freundschaftlich lockeren, von gegenseitiger Anregung geprägten Umgang. Enge Kontakte unterhielt MANET zu den Schriftstellern ÉMILE ZOLA, CHARLES BAUDELAIRE und STÉPHANE MALLARMÉ, die ihn bewunderten und deren Themen in seinen Gemälden wiederscheinen.

Es ist die Großstadt als Motiv, die in Verbindung mit Elementen des Stilllebens, einer „hingetupften“ Menschenmenge und dem verwirrenden Lichterspiel in dem Gemälde „Bar in den Folies-Bergère“, 1881/82, MANETs Zeitgenossenschaft dokumentiert.

ÉDOUARD MANET: „Bar in den Folies-Bergère“;1881–1882, Öl auf Leinwand, 96 × 130 cm;London, Courtauld Institute Galleries.

ÉDOUARD MANET: „Bar in den Folies-Bergère“;1881–1882, Öl auf Leinwand, 96 × 130 cm;London, Courtauld Institute Galleries.

Radikaler noch als der Realist GUSTAVE COURBET verwandelte MANET traditionelle Bildthemen und Bildformen in Bilder des „modernen Lebens“, deren freie und kühne Maltechnik Publikum und Presse gleichermaßen schockierten. Motive der Großstadt und der Gesellschaft, ergänzt durch Zitate aus der Kunstgeschichte, ersetzten die bäuerlichen Sujets des Realismus. Mit dem Bestreben, eine Komposition in Farbflächen zu gliedern und der vielfach offen bleibenden Deutung seiner Bilder wurde MANET richtungsweisend für die Kunst im ausgehenden 19. Jahrhundert und zu einem der „Väter der Moderne“.

Neben DIEGO VELÁZQUEZ ist MANET als der bedeutendste „Schwarzmaler“ in die Kunstgeschichte eingegangen. Er verlieh der „Nichtfarbe“ Schwarz eine unvergleichliche Ausdruckskraft, indem er sie in all ihren möglichen Valeurs – vor allem in der Kleidung Porträtierter – wiedergab. Diese Souveränität, mit der er Schwarzwerte in sein Bildkolorit aufnahm, weist ihm, dem Wegbereiter des Impressionismus, einen besonderen Rang in der Kunst zu.

1883 starb MANET in Paris.

MANET und der Impressionismus

Die französischen Impressionisten bildeten keine einheitliche Malerschule und formulierten nie ein gemeinsames Programm. Doch trotz ihrer unterschiedlichen Ausbildungswege wandten sie sich alle – CLAUDE MONET, EDGAR DEGAS, AUGUSTE RENOIR, CAMILLE PISSARRO, BERTHE MORISOT u. a. – gegen die von der Akademie und der École des Beaux-Arts geforderte Idealisierung der Realität im Bild und gegen die dort noch immer behauptete Vorrangstellung der Linie vor der Farbe.

Sie schätzten das intensive Kolorit der Werke von TIZIAN, VERONESE und DELACROIX, die weiche, sichtbare Pinselführung bei DIEGO VELÁZQUEZ. Ihre direkten Wurzeln hatten sie im antiakademischen Realismus GUSTAVE COURBETs und in der Freilichtmalerei der Schule von Barbizon. Wie diese lehnten sie das Malen von Historienbildern, von religiösen, mythologischen und literarisch inspirierten Szenen ab und konzentrierten sich auf zeitgenössische Motive. MANET, EDGAR DEGAS und GUSTAVE CAILLEBOTTE fanden ihre Bildthemen im Großstadtleben von Paris, auf den neu entstandenen Boulevards, in lichtdurchfluteten Parkanlagen und Bahnhöfen, bei Pferderennen und Konzerten und in Tanzlokalen auf dem Montmartre.

MANET, der stets engen Kontakt zu seinen impressionistischen Malerkollegen hielt, von ihnen verehrt wurde, sie wesentlich beeinflusste und selbst Anregungen von ihnen empfing, hat jedoch nie gemeinsam mit ihnen ausgestellt. Er war einer der großen Einzelgänger in der Malereigeschichte des 19. Jahrhunderts. Trotz vielfacher Schwierigkeiten in der Pariser Kunstszene anerkannt zu werden, versuchte MANET immer wieder, seine Bilder im „Salon“ zu zeigen. Die jährlich stattfindenden offiziellen Salons waren das wichtigste Forum für die Künstler in Paris, die, nachdem sie nicht mehr für kirchliche, höfische oder bürgerliche Auftraggeber arbeiteten, ihre Werke in diesen Ausstellungen einer größeren Öffentlichkeit zeigen und verkaufen konnten. Über die Zulassung und die bei bis zu 5 000 ausgestellten Werken wichtige Platzierung in den Räumen der Salons entschied eine Jury, die vorwiegend aus konservativen Mitgliedern der Kunstakademie und anerkannten Künstlern bestand. Unangepasste, fortschrittliche Künstler wurden oft jahrelang abgewiesen.

1863 schloss eine besonders konservative Jury so viele Werke von der Ausstellung im Salon aus, dass NAPOLEON III. nach heftigen Protesten den heute berühmten „Salon des Refusés“ („Salon der Zurückgewiesenen“) gestattete. Dort waren dann aber auch die Meisterwerke MANETs dem Spott der Massen, die das Neue und Außerordentliche dieser Kunst nicht erkannten, ausgesetzt.

„Das Frühstück im Grünen“

Laszive Darstellungen der unbekleideten Venus und badender Nymphen waren im 19. Jahrhundert in den offiziellen Pariser Ausstellungssalons ebenso zahlreich wie beliebt. Doch ÉDOUARD MANETs großformatiges Gemälde „Le Bain“, das später als „Das Frühstück im Grünen“, 1863; bekannt geworden ist, provozierte einen Skandal.

Die staatliche Ausstellungsjury hatte das Bild von der Teilnahme am Salon ausgeschlossen. Im „Salon des Refusés“ zog es wie kein anderes Gemälde den Spott der konservativen Kreise, aber auch die Bewunderung der wenigen Freunde avantgardistischer Kunst auf sich.

MANET zeigt hier nicht, wie die Salonmaler, einen idealisierten Akt in arkadischer Landschaft, sondern eine selbstbewusst und provozierend aus dem Bild blickende Pariser Bürgerin, die während eines Picknicks neben ihren männlichen Begleitern sitzt und sich ausgezogen hat. Nur wenige erkannten, dass MANET berühmte Vorbilder der Kunstgeschichte, wie GIORGIONEs im Pariser Louvre befindliches „Ländliches Konzert“ (um 1510) zitierte und so Geschichte und Gegenwart zu einem konsequent modernen Bild verband.

MANET durchbrach aber nicht nur die Regeln der Moral, sondern auch die der gängigen Vorstellung von „guter Malerei“: Die Frau im Bildhintergrund ist nach perspektivischen Gesetzmäßigkeiten zu groß, die klaren, mit sichtbaren Pinselstrichen aufgetragenen Farben erschienen den Zeitgenossen – im Gegensatz zu den brauntonigen Salonbildern – grell und flach. Doch für die jungen Maler des Impressionismus wurde MANET damit zum neuen Vorbild einer antiakademischen Malerei.

ÉDOUARD MANET: „Straßenarbeiter, Rue de Bernes“, Detail;1878, Öl auf Leinwand, 63,5 × 80 cm;London, Sammlung Lord Butler.

ÉDOUARD MANET: „Straßenarbeiter, Rue de Bernes“, Detail;1878, Öl auf Leinwand, 63,5 × 80 cm;London, Sammlung Lord Butler.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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