Goethedenkmäler

Wem wird ein Denkmal errichtet?

In seinem 1904 erschienenen Buch über „Die Ruhestätten und Denkmäler unserer deutschen Dichter“ schrieb OTTO WEDDINGEN einleitend:

„Es darf nicht verschwiegen werden, daß nach der Zahl der Denkmäler, die diesem oder jenem errichtet werden, auf die größere oder geringere Bedeutung, Beliebtheit, Volkstümlichkeit des einen oder anderen nicht zu schließen ist. Es spielen da, wie überhaupt auf dem Gebiet der Anerkennung und des Ruhms noch andere Bedingungen mit als nur die Würdigkeit. Am sichersten dürfen – wenn wir mit der Geburtsaristokratie anfangen und die Blicke auch über Deutschland hinaus richten – im allgemeinen die Fürsten auf ein Denkmal rechnen; nach ihnen die Feldherren und Staatsmänner, vor allem diejenigen, die entscheidend in einer Epoche des nationalen Aufschwungs mitgewirkt haben; weiterhin kommen die Dichter, und dann in einem breiten Abstande Gelehrte, Erfinder, Tonkünstler, Ärzte, Industrielle, Volksvertreter, bildende Künstler usw. Mit zwei Denkmälern mußte sich selbst Mozart begnügen. Die Denkmalsaristokratie beginnt wohl erst mit fünf. Zu ihr zählen Columbus, Franz I. von Österreich, Goethe (neuerdings mehren sich seine Standbilder), Leopold I. von Belgien, Melanchthon, Shakespeare, Wilhelm III. von England. Von den Dichtern ist Denkmalskönig unser Schiller – mit vierzehn. Die meisten Standbilder erhielten Kaiser Wilhelm I., Kaiser Friedrich und Bismarck.“

Bei GOETHE hat OTTO WEDDINGEN sich verzählt, es gab damals bereits mehr als nur fünf Standbilder für ihn – auch im Elsass und dem heutigen Tschechien etwa (dem damaligen Böhmen), in Italien und mehrere sogar in den USA.

Das Goethe-Denkmal in Frankfurt am Main

Das erste wollte man in des Dichters Geburtsstadt Frankfurt am Main noch zu dessen Lebzeiten errichten, anlässlich seines 70. Geburtstages 1819.
Es sollte eine umfangreiche Anlage werden mit einem großen Rundtempel, verschiedenen allegorischen Gestalten und Figuren aus seinen Dichtungen, mit Decken- und Wandmalereien und einer Goethe-Statue. Das wäre teuer geworden, darum warb das Denkmalkomitee um Spenden, allerdings mit geringem Erfolg. Weshalb GOETHE selbst etwas brummig kommentierte:

„Zu Goethes Denkmal, was zahlst Du jetzt? / Fragt dieser, jener und der. – / Hätt‘ ich mir nicht selbst ein Denkmal gesetzt, / Das Denkmal, wo käm es denn her?“

Am Ende begnügte man sich in Frankfurt mit einer bescheideneren Version, einer Bronzestatue des Münchner Bildhauers LUDWIG VON SCHWANTHALER (1802–1848). Sie steht auf mit Reliefs geschmücktem hohem Sockel und wurde 1844 enthüllt: GOETHE in zeitgenössischem Kostüm und einem schweren, kräftige Falten werfenden Mantel. Er stützt seinen Arm auf einen Baumstamm (deutsche Eiche), seine Rechte hält eine Schriftrolle, die Linke mit einem Lorbeerkranz fällt lose herab – eine etwas müde Figur ohne Glanz.

LUDWIG VON SCHWANTHALERs Frankfurter Goethe-Denkmal von 1848 steht heute in der Gallusanlage und hat sich dort gegen vielstöckige Hochhäuser zu behaupten – keine Bänke, aber Banken.

LUDWIG VON SCHWANTHALERs Frankfurter Goethe-Denkmal von 1848 steht heute in der Gallusanlage und hat sich dort gegen vielstöckige Hochhäuser zu behaupten – keine Bänke, aber Banken.

Goethedenkmäler - LUDWIG VON SCHWANTHALERs Frankfurter Goethe-Denkmal von 1848

Ein langer Weg zum Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar

In Weimar, wo GOETHE seit 1775 lebte, wollte man es besser machen und gleich zwei deutsche Geisteshelden in einem einzigen Denkmal vereinen: GOETHE und SCHILLER.
1827 wurde ein Denkmalkomitee gegründet, das den Berliner Bildhauer DANIEL RAUCH (1777–1857) beauftragte. Der lieferte – allerdings nach langem Hin und Her erst 1849 (man stritt sich über die Kostümfrage) ein Modell, das die beiden in antiker Tracht zeigt, und mit dem das Komitee einverstanden war. Nicht aber König LUDWIG I. von Bayern. Der beteiligte sich mit einem erheblichen Beitrag an den Kosten und forderte:

„1. Deutsches Kostüm, 2. Entweder sollen beide ohne, oder jeder mit einem Lorbeerkranze dargestellt werden. 3. Es ist unerläßlich, daß die Gruppe in München gegossen wird.“

RAUCH aber wollte das nicht. Der König von Preußen, FRIEDRICH WILHELM IV., versuchte zu vermitteln – ohne Erfolg. Und so ging der Auftrag 1852 an den Bildhauer ERNST RIETSCHEL (1804–1861) aus Dresden. Er sandte im Jahr darauf ein Modell an König LUDWIG und erläuterte es:

„Bei der Auffassung der beiden Individualitäten Goethes und Schillers verbunden als Gruppe zu einem Monument habe ich geglaubt in Goethe die selbstbewusste Grösse und klare Weltanschauung in möglichst ruhiger und fester Haltung, sowie Schillers kühnen, strebenden, idealen Geist durch mehr vorstrebende Bewegung und etwas gehobenen Blick zu charakterisieren ... Goethe, 10 Jahre älter als Schiller, also früher im Besitze seines Ruhms, hält den Kranz fest, den er als Symbol der Poesie und des Ruhmes oder der Unsterblichkeit errungen oder den ihm die Nation gereicht, Schiller, seiner hohen Bedeutung sich bewusst, fasst zugleich hinein.“

30 Jahre, von 1827 bis 1857, hat es gedauert, bis aus der Idee Wirklichkeit wurde und ein Goethe-Schiller-Denkmal von ERNST RIETSCHEL vor dem Nationaltheater in Weimar aufgestellt wurde. Es versammelt die beiden Männer als ideales Dichterpaar und illustri

30 Jahre, von 1827 bis 1857, hat es gedauert, bis aus der Idee Wirklichkeit wurde und ein Goethe-Schiller-Denkmal von ERNST RIETSCHEL vor dem Nationaltheater in Weimar aufgestellt wurde. Es versammelt die beiden Männer als ideales Dichterpaar und illustri

Goethedenkmäler - Goethe-Schiller-Denkmal von ERNST RIETSCHEL vor dem Nationaltheater in Weimar

Doch LUDWIG I. wünschte Änderungen am Kostüm und der Haartracht, der Künstler ärgerte sich und schrieb in einem Brief:

„Der König ist zufrieden, er hat nur Bedenken gegen das Kleid, er glaubt, dass ein Oberrock besser sei. Das ist künstlerisch schwer, zwei Oberröcke. Offen können nicht beide sein, also Goethes zu, ein Sack dann auf zwei Füssen. Wie uninteressant und prosaisch! Als wenn der Oberrock den Dichter mache.“

Am 4.September 1857 endlich wurde das Bronzedenkmal auf dem Platz vor dem Nationaltheater in Weimar enthüllt – einhellige Zustimmung aus ganz Deutschland. Die Gruppe wurde mehrfach nachgegossen, so auch für die USA (1901 San Francisco, 1907 Cleveland/Ohio, 1908 Milwaukee/Wisconsin).

Das Kostüm erscheint heute selbstverständlicher als antike Tracht es hätte sein können – der Streit von damals mutet kurios an. Zumal in den beiden verschiedenen Mänteln ein Ausdruck liegt, den RAUCH in seinen Togen nicht gefunden hatte. In der Art, wie SCHILLER seinen Mantel trägt mit den breit aufgeschlagenen Revers und dem lang und glatt laufende Linien erzeugenden Zuschnitt, liegt etwas Kühnes und Offenes, während dem Obergewand GOETHEs in seiner Geschlossenheit (wenn es auch nicht zugeknöpft ist) und in der relativen Kürze eine Art Korrektheit, Beherrschtheit, Gesammeltheit eigen ist. Alles Eigenschaften, die sich in den Haltungen der Arme, den Gesten der Hände, in den verschieden aufgesetzten Füßen und der unterschiedlichen Wendung der Häupter ähnlich ausdrücken.

Die Hauptstadt des Kaiserreichs braucht ein Goethedenkmal

1871 – Deutschland war Kaiserreich geworden und Berlin nun nicht nur Hauptstadt von Preußen – so wurde in Berlin ein Wettbewerb für ein Goethedenkmal ausgeschrieben, das im Tiergarten aufgestellt werden sollte. Freilich fiel es den Berlinern schwer, diesen Denkmalswunsch zu begründen, denn GOETHE war hier nur ein einziges Mal und lediglich für ein paar Tage gewesen; noch dazu hatte er sich kritisch über die Berliner Künstler geäußert. Es gingen 50 Entwürfe ein: 37 Standbilder und 13 Sitzfiguren.

Sieger wurde der damals noch ganz unbekannte FRITZ SCHAPER (1841–1919), der einen jugendlichen Goethe präsentierte, im Zeitkostüm, einen Kranz aus Rosen und Lorbeer in den Händen, auf zylindrischem Podest, an dessen Fuß die Allegorien der Lyrik, des Dramas und der Wissenschaften, begleitet von einer Schar nackter Kinder.

Das Marmordenkmal wurde 1880 aufgestellt und zeigt nun einen etwas reiferen GOETHE, der eine Schriftrolle in der Hand hält, der zeitgenössische Tracht trägt und sich genialisch einen Mantel umgehängt hat. Das Ganze eine Pyramide, die in GOETHEs Haupt gipfelt. Dieses Haupt gefiel dem Schriftsteller THEODOR FONTANE (1819–1898) so sehr, dass er sich an ihn erinnerte, als er auf die Frage, was ihm auf seine alten Tage noch Freude mache, am Ende aufzählte:

„ ... ein Spaziergang durch die Lästerallee, / Paraden, der Schapersche Goethekopf / und ein Backfisch mit einem Mozartzopf.“

Das Marmordenkmal von FRITZ SCHAPER wurde 1880 in Berlin-Tiergarten aufgestellt und zeigt einen reiferen GOETHE mit einer Schriftrolle in der Hand und in zeitgenössischer Tracht.

Das Marmordenkmal von FRITZ SCHAPER wurde 1880 in Berlin-Tiergarten aufgestellt und zeigt einen reiferen GOETHE mit einer Schriftrolle in der Hand und in zeitgenössischer Tracht.

Goethedenkmäler - Marmordenkmal von FRITZ SCHAPER

Mit diesen drei Goethedenkmälern,

  • dem von Frankfurt (1844),
  • dem Doppelbild von Weimar (1857) und
  • dem von Berlin (1880),

schien der Bedarf der Nation an Goethemonumenten erst einmal gedeckt. Aber es folgten weitere:

  • 1900 in Wien (von EDMUND HELLMER),
  • 1903 in Leipzig (CARL SEFFNER) und in Darmstadt (LUDWIG HABICH und ADOLF ZELLER),
  • 1904 in Straßburg (ERNST WÄGENER) und Rom (GUSTAV EBERLEIN),
  • 1914 in Chicago (HERMANN HAHN, eine fünf Meter hohe Bronzestatue) und
  • 1919 in Wiesbaden (HERMANN HAHN).

Die Denkmäler in Wiesbaden und München

Das Denkmal in Wiesbaden wurde auf den Stufen vor der Tempelfront des Wiesbadener Museums errichtet – Begründung: GOETHE hatte sich für den Ankauf der Kunst- und Naturaliensammlung des Frankfurters JOHANN ISAAC VON GERNING eingesetzt, die dann zum Grundstock der Wiesbadener Sammlungen wurde. Als Material wählte der Bildhauer blank polierten Granit aus dem Fichterlgebirge – eine Anspielung auf des Dichters Text „Über den Granit“ von 1784.

HERMANN HAHN (1868–1942) gibt GOETHE überlebensgroß als Olympier: Mit entblößter Brust thront er auf Wolken und hält einen Adler unter seinem Arm (eine Anspielung auf Prometheus und Zeus).

Seit 1919 thront der Granit-Goethe von HERMANN HAHN streng frontal und streng symmetrisch auf den Stufen vor dem Eingang in das städtische Museum in Wiesbaden.

Seit 1919 thront der Granit-Goethe von HERMANN HAHN streng frontal und streng symmetrisch auf den Stufen vor dem Eingang in das städtische Museum in Wiesbaden.

Goethedenkmäler - Granit-Goethe von HERMANN HAHN

Dieser aus hartem Stein gehauene GOETHE ist ein Schock. Gerade hatte sich das ausgehende 19. Jahrhundert seinen Schul- und Hausgoethe geschaffen, da kommt HAHN mit einem abweisen Granithelden. Es gab Kopfschütteln. Die Kunstzeitschrift „Cicerone“ kritisierte:

„Vor dem Eingang des Museums hat sich jetzt ein Goethe niedergelassen ... vor der porta clausa [geschlossenen Tür], hinter der ein zweckloses Foyer schlummert. Goethe von grauem Stein, der von dem gelblichen des Gebäudes übel absticht. Goethe mit verdrießlicher Miene und mit einem Adler unter dem Arm. Daher schon die volkstümliche Nottaufe: Adlerhamster, Geflügelschieber. Die Leute wissen nicht, was der Mann mit dem Vogel vor dem Museum will. Und sonst weiss es auch niemand.“

Erst 1962 kam man auch in Bayern auf die Idee, GOETHE ein Denkmal zu setzen, die Stadt München wollte eins haben. ELMAR DIETZ (1902–1996) machte ihn – es wurde eine uninspirierte Kostümfigur von der Art, die ERNST RIETSCHEL so „uninteressant und prosaisch“ gefunden hatte: „ein Sack auf zwei Füssen.“

Das Goethe-Denkmal von ELMAR DIETZ in München. Es wurde 1962 beim Maximiliansplatz aufgestellt.

Das Goethe-Denkmal von ELMAR DIETZ in München. Es wurde 1962 beim Maximiliansplatz aufgestellt.

Gothedenkmäler - Das Goethe-Denkmal von ELMAR DIETZ in München

Die Goethe-Bank in Heidelberg

Da war man 1921 in Heidelberg origineller und stellte einfach eine Goethe-Bank (Bild 6) aus Stein im Schlossgarten auf. In ihre Rückenlehne sind zwei Gedichtzeilen gemeißelt:

„Dort, wo hohe Mauern glühen, find‘ ich bald den Vielgeliebten.“ „Und noch einmal fühlet Hatem Frühlingshauch und Sommerbrand.“

Sie sind dem „Buch Suleika“ von GOETHEs „West-östlichem Diwan“ entnommen und spielen auf des Dichters Liebe zur damals 19 Jahre alten MARIANNE WILLEMER (1784–1860) an, mit der er sich hier 1815 traf – also eine zarte biografische Erinnerung. Dazu muss man wissen, dass diese Zeile nicht von GOETHE, sondern von MARIANNE WILLEMER stammt. Sie hatte sie auf der Fahrt nach Heidelberg, in Erwartung des Treffens mit ihm geschrieben, und GOETHE hat sie fast unverändert in den ‚Diwan‘ aufgenommen – wie auch andere Willemer-Gedichte.
Die andere Zeile im Zusammenhang:

„Du beschämst wie Morgenröte / Jener Gipfel ernste Wand, / Und noch einmal fühlet Hatem / Frühlingshauch und Sommerbrand.“

Die ‚Morgenröte‘ bleibt ohne gleichklingenden Reim – man hat sich in ‚Hatem‘ Goethes Namen hineinzudenken, dann funktioniert es.

Eine weitere Andeutung: Hier im Heidelberger Schlosspark hatte Goethe den Ginko-Baum entdeckt, auf den er ein Gedicht schrieb, das ebenfalls im ‚Diwan‘ steht:

„Dieses Baums Blatt, der von Osten / Meinem Garten anvertraut, / Gibt geheimen Sinn zu kosten, / Wie’s den Wissenden erbaut.“

Den Wissenden: Die Bank heißt Goethe-Bank, kein eingemeißelter Name weist sie aus. Die Inschrift zitiert die Texte, ohne die Autoren zu nennen. Vielleicht sieht so ein ideales Goethe-Denkmal aus: Es hält eine Erinnerung wach, ohne aufringlich zu belehren.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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