Die Begründung der Quantentheorie durch MAX PLANCK im Original

ÜBER EINE VERBESSERUNG DER WIENSCHEN SPEKTRALGLEICHUNG

Von M. PLANCK
(Vorgetragen in der Sitzung vom 19. Oktober 1900)

Die von Hrn. KURLBAUM in der heutigen Sitzung mitgeteilten interessanten Resultate der von ihm in Gemeinschaft mit Hrn. RUBENS auf dem Gebiete der längsten Spektralwellen ausgeführten Energiemessungen haben die zuerst von den Herren LUMMER und PRINGSHEIM auf Grund ihrer Beobachtungen aufgestellte Behauptung nachdrücklich bestätigt, daß das WIENsche Energieverteilungsgesetz nicht die allgemeine Bedeutung besitzt, welche ihm bisher von mancher Seite zugeschrieben worden war, sondern daß dieses Gesetz vielmehr höchstens den Charakter eines Grenzgesetzes hat, dessen überaus einfache Form nur einer Beschränkung auf kurze Wellenlängen bzw. tiefe Temperaturen ihren Ursprung verdankt. (Auch Hr. PASCHEN hat, wie er mir brieflich mitteilte, neuerdings merkliche Abweichungen vom WIENschen Gesetz festgestellt.) Da ich selber die Ansicht von der Notwendigkeit der Prüfung des WIENschen Gesetzes auch an dieser Stelle vertreten habe, so sei es mir gestattet, hier kurz darzulegen, wie sich die von mir entwickelte elektromagnetische Theorie der Strahlung zu den Beobachtungstatsachen stellt.

Nach dieser Theorie ist das Energieverteilungsgesetz bestimmt, sobaId die Entropie S eines auf Bestrahlung ansprechenden linearen Resonators als Funktion seiner Schwingungsenergie U bekannt ist. Ich habe indes schon in meiner letzten Arbeit über diesen Gegenstand hervorgehoben (1), daß der Satz der Entropievermehrung an und für sich noch nicht hinreicht, um diese Funktion vollständig anzugeben; zur Ansicht von der Allgemeinheit des WIENschen Gesetzes wurde ich vielmehr durch eine besondere Betrachtung geführt, nämlich durch die Berechnung einer unendlich kleinen Entropievermehrung eines in einem stationären Strahlungsfelde befindlichen Systems von n gleichen Resonatoren auf zwei verschiedene Weisen, wodurch sich die Gleichung ergab:

d U n Δ U n f ( U n ) = n d U Δ U f ( U ) , wobei U n = n U und f ( U ) = 3 5 d 2 S d U 2 , aus welcher dann das WIENsche Gesetz in der Form hervorgeht: d 2 S d U 2 = const . U

In jener Funktionalgleichung stellt der Ausdruck auf der rechten Seite sicher die genannte Entropieänderung dar, weil sich n ganz gleiche Vorgänge unabhängig voneinander abspielen, deren Entropieänderungen sich daher einfach addieren müssen. Dagegen würde ich es wohl für möglich, wenn auch immer noch für nicht leicht begreiflich und jedenfalls schwer beweisbar ansehen, daß der Ausdruck links nicht allgemein die ihm früher von mir zugeschriebene Bedeutung besitzt, mit anderen Worten: daß die Werte von U n , d U n und Δ U n gar nicht hinreichen, um die fragliche Entropieänderung zu bestimmen, sondern daß dazu auch U selber bekannt sein muß. Im Verfolg dieses Gedankens bin ich schließlich dahin gekommen, ganz willkürlich Ausdrücke für die Entropie zu konstruieren, welche, obwohl komplizierter als der WIENsche Ausdruck, doch allen Anforderungen der thermodynamischen und elektromagnetischen Theorie ebenso vollkommen Genüge zu leisten scheinen wie dieser.

Unter den so aufgestellten Ausdrücken ist mir nun einer besonders aufgefallen, der dem WIENschen an Einfachheit am nächsten kommt und der, da letzterer nicht hinreicht, um alle Beobachtungen darzustellen, wohl verdienen würde, daraufhin näher geprüft zu werden. Derselbe ergibt sich, wenn man setzt:

d 2 S d U 2 = α U ( β + U )

Er ist bei Weitem der einfachste unter allen Ausdrücken, welche S als logarithmische Funktion von U liefern (was anzunehmen die Wahrscheinlichkeitsrechnung nahelegt) und welche außerdem für kleine Werte von U in den obigen WIENschen Ausdruck übergehen. Mit Benutzung der Beziehung

d S d U = 1 T

und des WIENschen „Verschiebungsgesetzes“ erhält man hieraus die zweikonstantige Strahlungsformel:

E = C λ 5 e c λ T 1

welche, soweit ich augenblicklich sehen kann, den Gang der seither publizierten Beobachtungszahlen ebenso befriedigend wiedergibt wie die besten bisher aufgestellten Spektralgleichungen, nämlich die von THIESSEN (2), die von LUMMER-JAHNKE (4) und die von LUMMER-PRINGSHEIM (5)
Ich möchte mir daher erlauben, Ihre Aufmerksamkeit auf diese neue Formel zu lenken, die ich vom Standpunkt der elektromagnetischen Strahlungstheorie aus nächst der WIENschen für die einfachste halte.

Literatur
(1) M. PLANCK, Ann. Phys. 1 (1900) 730.
(2) M. THIESSEN; Verh. Dtsch. phys. Ges. Berlin 2 (1900) 67.
(3) M. PLANCK, Ann. Phys. 1 (1900) 719.
(4) 0. LUMMER, E. JAHNKE, Ann. Phys. Lpz. 3 (1900) 288.
(5) 0. LUMMER, E. PRINGSHEIM, Verh. Dtsch. phys. Ges. Berlin 2 (1900) 174.

MAX PLANCK (1858-1947)

MAX PLANCK (1858-1947)

Die Begründung der Quantentheorie durch MAX PLANCK im Original - Portrait

ZUR THEORIE DES GESETZES DER ENERGIEVERTEILUNG IM NORMALSPEKTRUM

von M. PLANCK

(Vorgetragen in der Sitzung vom 14. Dezember 1900)

M. H.! Als ich vor mehreren Wochen die Ehre hatte, Ihre Aufmerksamkeit auf eine neue Formel zu lenken, welche mir geeignet schien, das Gesetz der Verteilung der strahlenden
Energie auf alle Gebiete des Normalspektrums auszudrücken (1), gründete sich meine Ansicht von der Brauchbarkeit der Formel, wie ich schon damals ausführte, nicht allein auf die anscheinend gute Übereinstimmung der wenigen Zahlen, die ich Ihnen damals mitteilen konnte, mit den bisherigen Messungsresultaten (Inzwischen haben die Herren H. RUBENS und F. KURLBAUM (2) für sehr lange Wellen eine direkte Bestätigung gegeben), sondern hauptsächlich auf den einfachen Bau der Form und insbesondere darauf, daß dieselbe für die Abhängigkeit der Entropie eines bestrahlten monochromatisch schwingenden Resonators von seiner Schwingungsenergie einen sehr einfachen logarithmischen Ausdruck ergibt, welcher die Möglichkeit einer allgemeinen Deutung jedenfalls eher zu versprechen schien als jede andere bisher in Vorschlag gebrachte Formel, abgesehen von der WIENschen, die aber durch die Tatsachen nicht bestätigt wird.
Entropie bedingt Unordnung, und diese Unordnung glaubte ich erblicken zu müssen in der Unregelmäßigkeit, mit der auch im vollkommen stationären Strahlungsfelde die Schwingungen des Resonators ihre Amplitude und ihre Phase wechseln, sofern man Zeitepochen betrachtet, die groß sind gegen die Zeit einer Schwingung, aber klein gegen die Zeit einer Messung. Die konstante Energie des stationär schwingenden Resonators ist danach nur als ein zeitlicher Mittelwert aufzufassen oder, was auf dasselbe hinauskommt, als der augenblickliche Mittelwert der Energien einer großen Anzahl von gleichbeschaffenen Resonatoren, die sich im nämlichen stationären Strahlungsfelde weit genug entfernt voneinander befinden, um sich nicht gegenseitig direkt zu beeinflussen.

Da somit die Entropie eines Resonators durch die Art der gleichzeitigen Energieverteilung auf viele Resonatoren bedingt ist, so vermutete ich, daß sich diese Größe durch Einführung von Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen, deren Bedeutung für den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik Hr. L. BOLTZMANN (2) zuerst aufgedeckt hat, in die elektromagnetische Theorie der Strahlung würde berechnen lassen müssen. Diese Vermutung hat sich bestätigt; es ist mir möglich geworden, einen Ausdruck für die Entropie eines monochromatisch schwingenden Resonators, und somit auch für die Verteilung der Energie im stationären Strahlungszustand, d. h. im Normalspektrum, auf deduktivem Wege, zu ermitteln, wobei es nur nötig wird, der von mir in die elektromagnetische Theorie eingeführten Hypothese der „natürlichen Strahlung“ eine etwas weitergehende Fassung zu geben als bisher. Außerdem aber haben sich hierbei noch andere Beziehungen ergeben, die mir für weitere Gebiete der Physik und auch der Chemie von erheblicher Tragweite zu sein scheinen.

Indessen liegt mir heute nicht sowohl daran, jene Deduktion, welche sich auf die Gesetze der elektromagnetischen Strahlung, der Thermodynamik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung stützt, hier systematisch in allen Einzelheiten durchzuführen, als vielmehr daran, Ihnen den eigentlichen Kernpunkt der ganzen Theorie möglichst übersichtlich darzulegen, und dies kann wohl am besten dadurch geschehen, daß ich Ihnen hier ein neues, ganz elementares Verfahren beschreibe, durch welches man, ohne von einer Spektralformel oder auch von irgendeiner Theorie etwas zu wissen, mit Hilfe einer einzigen Naturkonstanten die Verteilung einer gegebenen Energiemenge auf die einzelnen Farben des Normalspektrums und dann mittels einer zweiten Naturkonstanten auch dieTemperatur dieser Energiestrahlung zahlenmäßig berechnen kann. Es wird Ihnen bei dem anzugebenden Verfahren manches willkürlich und umständlich erscheinen, aber ich lege hier, wie gesagt, nicht Wert auf den Nachweis der Notwendigkeit und der leichten praktischen Ausführbarkeit, sondern nur auf die Klarheit und Eindeutigkeit der gegebenen Vorschriften zur Lösung der Aufgabe.

In einem von spiegelnden Wänden umschlossenen diathermanen Medium mit der Lichtfortpflanzungsgeschwindigkeit c befinden sich in gehörigen Abständen voneinander eine große Anzahl von linearen monochromatisch schwingenden Resonatoren, und zwar N mit der Schwingungszahl ν (pro Sekunde), N' mit der Schwingungszahl ν ' , N'' mit der Schwingungszahl ν ' ' etc., wobei alle N große Zahlen sind. Das System enthalte eine ge- gebene Menge Energie: die Totalenergie E t in erg, die teils in dem Medium als fortschreitende Strahlung, teils in den Resonatoren als Schwingung derselben auftritt. Die Frage ist, wie sich im stationären Zustand diese Energie auf die Schwingungen der Resonatoren und auf die einzelnen Farben der in dem Medium befindlichen Strahlung verteilt und welche Temperatur dann das ganze System besitzt.
Zur Beantwortung dieser Frage fassen wir zuerst nur die Schwingungen der Resonatoren ins Auge, und erteilen ihnen versuchsweise bestimmte willkürliche Energien, nämlich den N Resonatoren ν etwa die Energie E , den N' Resonatoren ν ' die Energie E' etc. Natürlich muß die Summe:

E + E ' + E ' ' + ... = E 0 kleiner sein als E t . Der Rest E t E 0
entfällt dann auf die im Medium befindliche Strahlung.

Nun ist noch die Verteilung der Energie auf die einzelnen Resonatoren
innerhalb jeder Gattung vorzunehmen, zuerst die Verteilung der Energie E auf die N Resonatoren mit der Schwingungszahl ν . Wenn E als unbeschränkt teilbare Größe angesehen wird, ist die Verteilung auf unendlich viele Arten möglich. Wir betrachten aber - und dies ist der wesentlichste Punkt der ganzen Berechnung - E als zusammengesetzt aus einer ganz bestimmten Anzahl endlicher gleicher Teile und bedienen uns dazu der Naturkonstanten
h = 6,55 10 27 erg sec
Diese Konstante mit der gemeinsamen Schwingungszahl ν der
Resonatoren multipliziert ergibt das Energieelement ε in erg, und durch Division von E durch c erhalten wir die Anzahl P der Energieelemente, welche unter die N Resonatoren zu verteilen sind. Wenn der so berechnete Quotient keine ganze Zahl ist, so nehme man für P eine in der Nähe gelegene ganze Zahl. ...
Die mitgeteilten Zahlenwerte für h und k habe ich ... nach den Messungen von K. KURLBAUM (4) und von O. LUMMER und E. PRINGSHEIM (5) berechnet. ...

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

Lexikon Share
Physik Note verbessern?
 

Kostenlos bei Duden Learnattack registrieren und ALLES 48 Stunden testen.

Kein Vertrag. Keine Kosten.

  • 40.000 Lern-Inhalte in Mathe, Deutsch und 7 weiteren Fächern
  • Hausaufgabenhilfe per WhatsApp
  • Original Klassenarbeiten mit Lösungen
  • Deine eigene Lern-Statistik
  • Kostenfreie Basismitgliedschaft

Einloggen