Galileo Galilei

Die Zeit, in der er lebte

GALILEO wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts geboren. Die Epoche der Renaissance (Wiederentdeckung) hatte zu dieser Zeit ihren Höhepunkt bereits überschritten. Die Renaissance ging im 14. Jahrhundert von Italien aus und führte zu einer Wiederentdeckung und Aneignung der antiken Kultur sowie zu einer Auseinander mit der antiken Wissenschaft. Zentren der Renaissance waren mächtige Stadtstaaten in Norditalien, wie Venedig und Florenz, die sich wiederum Städte wie Pisa, Livorno und später Siena Untertan gemacht hatten.

Diese Stadtstaaten weiteten den Handel mit dem Orient aus, wendet neue technische Verfahren und neue Formen der Arbeitsteilung im Handwerk an, sodass erste spezialisierte Manufakturen entstanden. Das führte zu Reichtum und politischer Macht des aufstrebenden Bürgertums, insbesondere der Bankiers, Kaufleute und Manufakturbesitzer. Neue Bedürfnisse führten zu einer Förderung von Kunst und Wissenschaft, die zu einer neuen Blüte gelangten. In Italien konnten sich Universalgelehrte, wie LEONARDO DA VINCI und hervorragende Künstler, wie RAFAEL und DANTE entwickeln. Es gab auch eine neue Welle von Universitäts- und Schulgründungen. Die bedeutendsten Universitäten waren in Pisa, Siena und Florenz zu finden.

Eine Erweiterung des Weltbildes gab es zu jener Zeit auch durch die großen geografischen Entdeckungen, wie der Entdeckung Amerikas 1492 durch CHRISTOPH KOLUMBUS, des Seeweges nach Indien 1498 durch VASCO DA GAMA sowie des westlichen Seeweges nach den Philippinen durch FERNAO DE MAGALHAES 1519 bis 1521.

All diese Entwicklungen führten zu einer Erschütterung der mittelalterlichen Gläubigkeit. Die Menschen wurden aufgeschlossen für Zweifel an den übernommenen Weltbildern, insbesondere auch an den Schriften des ARISTOTELES und des PTOLEMÄUS.

Kindheit und Jugend

GALILEO GALILEI wurde am 15. Februar 1564 in Pisa geboren. Sein Vater war ein angesehener Musikgelehrter, der zeitweilig auch als Tuchhändler tätig war, um den Unterhalt seiner Familie zu sichern. In seinem Elternhaus erhielt der junge GALILEI eine sehr vielseitige klassische, musikalische und literarische Bildung, die ihn für sein weiteres Leben prägten.

Seine schulische Ausbildung absolvierte er in dem nahe bei Florenz gelegenen Benediktinerkloster Vallombrosa. Im Jahre 1581 nahm GALILEI mit knapp 18 Jahren an der Universität in Pisa das Studium der Medizin auf. Da er sich jedoch mehr für mathematische und physikalische Probleme interessierte, verließ er 1585 ohne regulären Abschluss die Universität und setzte im Elternhaus in Florenz privat seine Studien fort.

Insbesondere fanden praktische Anwendungen der Mathematik in der Mechanik, Technik und Astronomie sein Interesse. So befasste er sich auch mit den Arbeiten von EUKLID und ARCHIMEDES.

Erste Anstellung als Professor in Pisa und Padua

Zwei kleine, handschriftlich verbreitete Schriften über die Konstruktion einer hydrostatischen Waage und über den Schwerpunkt fester Körper machten GALILEI so bekannt, dass er im Jahre 1589 mit 25 Jahren an der Universität Pisa zum Professor für Mathematik berufen wurde. Als 1591 sein Vater starb und damit die Sorge für den materiellen Unterhalt seiner Familie auf ihn als den ältesten Sohn überging, war er gezwungen, sich nach einer besser bezahlten Stellung umzusehen.
Durch entsprechende Fürsprache gelang 1592 die Berufung zum Professor für Mathematik an der Universität Padua in der Republik Venedig. Diese Universität war damals eine der berühmtesten Bildungsstätten Europas.

GALILEI hielt hier Vorlesungen über Geometrie, Mechanik und Astronomie. Daneben unterrichtete er Privatschüler in praktischer Mechanik, Festungsbau, Ballistik und weiteren militärtechnischen Fächern. Die anregende Atmosphäre in Padua und in dem benachbarten Venedig mit seinen Werften und dem damals berühmten Arsenal hat ihm viele Anstöße zu technischen und wissenschaftlichen Arbeiten gegeben. So konstruierte er in dieser Zeit u.a. einen Apparat zum Wasserheben mithilfe tierischer Kraft und einen Proportionalzirkel, mit dem auf mechanischem Wege bestimmte geometrische und arithmetische Aufgaben gelöst werden können.

Erste Untersuchungen von Fall- und Wurfbewegungen

Auf Briefen und anderen Äußerungen geht hervor, dass GALILEI sich in der Zeit seines Wirkens in Pisa und Padua schon intensiv mit der Untersuchung von Fall und Wurf befasst hat. Seine älteste Schrift dazu unter dem Titel „Über die Bewegung“ („De motu“) blieb 1590 zunächst unveröffentlicht, sie stellt jedoch die Ausgangsposition seiner mechanischen Arbeiten dar.

Bis zum Jahre 1609 hatte GALILEI die Fallbewegung als eine beschleunigte Bewegung, bei der die Geschwindigkeit des fallenden Körpers in gleichen Zeiten um gleiche Beträge zunimmt, erkannt (Bild 2). Dennoch handelt es sich bei den GALILEI zugeschriebenen Fallversuchen am schiefen Turm von Pisa offenbar um Legenden.

GALILEIs Experiment mit der geneigten Ebene (Gemälde aus dem 19. Jahrhundert)

GALILEIs Experiment mit der geneigten Ebene (Gemälde aus dem 19. Jahrhundert)

Galileo Galilei - Gemälde Galileo Experiment

Bau eines Fernrohres und astronomische Entdeckungen

Im Jahre 1609 erhielt GALILEI Kunde vom Bau eines Fernrohres in den Niederlanden. Er konstruierte sofort auch ein solches Instrument (galileisches Fernrohr) und berichtete davon in seinem ersten herausragenden Buch, der „Botschaft von den Sternen“ (1610):

„Zunächst stellte ich mir ein Fernrohr aus Blei her, an dessen Ende ich zwei Glaslinsen anbrachte, beide auf der einen Seite eben, auf der anderen die eine kugelförmig konvex, die andere konkav. Als ich dann das Auge an das Hohlglas brachte, sah ich die Gegenstände beträchtlich groß und nahe …“.

Fernrohre GALILEIs

Fernrohre GALILEIs

Zunächst erprobte und demonstrierte er sein Fernrohr (Bild 3) an irdischen Objekten, danach richtete er es als einer der ersten Naturforscher gegen den Himmel. So beschrieb er in der genannten Schrift die gebirgige Struktur der Mondoberfläche und schätzte aufgrund der durch das Sonnenlicht bedingten Schatten der Mondgebirge sogar deren Höhe.

Er bestätigte auch die schon von DEMOKRIT geäußerte Ansicht, dass die Milchstraße eine Anhäufung von Sternen sei. Eine der wichtigsten Entdeckungen GALILEIs auf astronomischem Gebiet war im Januar 1610 die von vier Jupitermonden. Er hielt sie zunächst für kleine Fixsterne. Dann bemerkte er ihre Ortsveränderung gegen den Jupiter und untereinander, schließlich konnte er die Dauer ihrer Umläufe bestimmen.

GALILEIs Entdeckungen zeigten die überragende Bedeutung des Fernrohres für die Astronomie. Die in der „Botschaft von den Sternen“ vorgelegten astronomischen Erkenntnisse waren eine wichtige Stütze für das heliozentrische Weltbild. Dessen Gegner, die Anhänger von ARISTOTELES, misstrauten jedoch diesen Angaben. Sie waren im geozentrischen Weltbild so befangen, dass sie sich weigerten, durch das Fernrohr zu schauen und darin Gaukelei und optische Täuschung vermuteten.

Als Philosoph und Mathematiker in Florenz

Seine wissenschaftlichen Erfolge brachten GALILEI im September 1610 die Stelle als „Philosoph und Erster Mathematiker des Großherzogs von Toscana“ in Florenz ein. Um diese Anstellung hatte er sich seit längerer Zeit bemüht, da er, frei von den Verpflichtungen eines Universitätslehrers und materiell gesichert, sich nur noch der wissenschaftlichen Arbeit widmen wollte.

In Florenz setzte GALILEI die astronomischen Beobachtungen fort. Das Ringsystem des Saturn konnte er mit seinem Fernrohr noch nicht auflösen. Er glaubte, drei nebeneinanderstehende Himmelskörper zu sehen und sprach deshalb von der „Dreigestalt“ des Saturn. Er entdeckte die Venusphasen, die die Bewegung dieses Planeten um die Sonne bewiesen. Wie es zu seiner Zeit üblich war, unterrichtete GALILEI Freunde und Fachkollegen, darunter auch KEPLER, über diese Erkenntnisse in Form eines lateinischen Anagramms (Buchstabenrätsels), um sich die Priorität an seiner Entdeckung zu sichern.

Im Frühjahr 1611 reiste GALILEI nach Rom, wo er mit seinen Vorträgen und astronomischen Demonstrationen auch bei den Mathematikern und Astronomen des Collegium Romanum, der zentralen wissenschaftlichen Instanz des Jesuitenordens, großen Erfolg hatte. Man bestätigte die von ihm beschriebenen Erscheinungen. Der Zusammenhang mit der kopernikanischen Lehre wurde dabei allerdings nicht berührt.

Aufgrund seines gesamten wissenschaftlichen Werkes wurde GALILEI als Mitglied in die Accademia die Lincei (Akademie der Luchse) zu Rom, die wenige Jahre zuvor gegründete und bedeutendste wissenschaftliche Vereinigung seines Landes, aufgenommen.

Auseinandersetzung mit Kirche und Inquisition

Im Jahre 1613 äußerte sich GALILEI in Briefen erstmalig über die Stellung der Bibel zu seinen astronomischen Entdeckungen. Obwohl überzeugter Katholik, glaubte er, zur Rechtfertigung der kopernikanischen Lehre gewisse Bibelstellen auf seine Weise auslegen zu dürfen. Damit hatte er jedoch in die unmittelbare Kompetenz der katholischen Kirche eingegriffen, was diese auch angesichts des damaligen Abwehrkampfes gegen den Protestantismus im Interesse ihrer Macht nicht dulden wollte. Die Auseinandersetzungen um die Trennung von Theologie und Naturwissenschaften spitzten sich zu
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Am 19. Februar 1616 waren von der Inquisitionsbehörde theologische Sachverständige des Heiligen Offiziums zur Beurteilung der folgenden zwei kopernikanischen Thesen aufgefordert worden:

  • Die Sonne ist der Mittelpunkt der Welt und besitzt keinerlei örtliche Bewegung.
  • Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt und nicht beweglich, sondern bewegt sich als Ganzes sowie in täglicher Umdrehung um sich selbst.

Bereits am 24. Februar 1616 veröffentlichte man das Gutachten. Die erste These wurde als philosophisch töricht und absurd, außerdem formell ketzerisch angesehen. Die zweite These wurde zusätzlich als irrig im Glauben beurteilt. Daraufhin verbot man im Dekret vom 5. März 1616 die kopernikanische Lehre. GALILEI wurde ermahnt, von der Verteidigung dieser Lehre abzusehen. Der Widerspruch zwischen theologischem Dogma und wissenschaftlicher Wahrheit war unüberbrückbar geworden.

Das Werk „Dialog über die beiden Weltsysteme“

Im August 1623 wurde Kardinal BARBERINI als URBAN VIII. zum Papst gewählt. Da dieser GALILEIs Förderer war, mit dem er sich seit Jahren in einem angeregten wissenschaftlichen Gespräch befand, glaubte GALILEI, unter Verkennung der gesellschaftlichen Situation, die Aufhebung des genannten Verbots bewirken zu können. Er hielt die Zeit für gekommen, einen schon sehr lang gehegten Plan zu verwirklichen und ein Buch über die beiden Weltsysteme zu schreiben. Dieses erschien 1632 im Druck, wozu nach mehreren Einsprüchen die päpstliche Zensur ihre Genehmigung gegeben hatte. GALILEI musste allerdings in einem Vorwort und in einem Schlussabschnitt den hypothetischen Charakter seiner Gedanken betonen. Der Titel lautete: „Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische“.

Dieser „Dialog“, auch literarisch ein hervorragendes Werk, war nicht in lateinischer, sondern italienischer Sprache geschrieben. GALILEI konnte so nicht nur von den Gelehrten, sondern von vielen Menschen verstanden werden.
Gesprächspartner in diesem Dialog sind SALVIATI, der die neuen Gedanken vorträgt und verteidigt, und SAGREDO, der gebildete und aufgeschlossene Laie, der von GALILEI belehrt und gewonnen werden soll, sowie SIMPLICIO, der Anhänger der aristotelischen Lehre. Das Werk gliedert sich in vier Tage, an denen mehr oder weniger geschlossene Teilgebiete behandelt werden.

Am ersten Tag wird die Gleichwertigkeit von irdischen und himmlischen Körpern und Erscheinungen behandelt, am zweiten die Rotation der Erde um ihre Achse, am dritten die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne. Am vierten und letzten Tag wird eine neue Theorie der Gezeiten erörtert. In der Darstellung von physikalischen und astronomischen Sachverhalten wird auch GALILEIs methodisches Vorgehen deutlich, das aus einer ausgewogenen Kombination von Induktion und Deduktion bestand. Charakteristisch ist sein Bestreben, die Mathematik seiner Zeit, geometrische Darstellungen und Proportionen, zur Naturbeschreibung heranzuziehen. Ein Auszug aus diesem „Dialog“ befindet sich im Anhang.

In einigen Punkten war GALILEI noch der alten Denkweise verhaftet. So glaubte er z.B., dass auch im kopernikanischen System die Welt durch eine Kugel abgeschlossen ist. Obwohl Kepler bereits im Jahre 1609 Ellipsenbahnen für die Planeten angenommen hatte, hielt GALILEI an Kreisbahnen fest.

Abschwörung vor dem Inquisitionsgericht

Der „Dialog“ wurde von Kreisen der katholischen Kirche sofort sehr heftig diskutiert und angegriffen. Er stellte einen offenen Bruch mit den religiösen Dogmen dar. Seine weltanschauliche Sprengkraft äußerte sich darin, dass sich der gläubige Christ GALILEI gezwungen sah, die Anerkennung von Naturgesetzen über das biblische Bekenntnis zu stellen. Außerdem sah sich der Papst selbst in der Person des SIMPLICIO lächerlich gemacht. Bereits im August 1632 wurde der weitere Vertrieb des Werkes verboten.

Am 12. April 1633 begann das Inquisitionsgericht gegen GALILEI zu verhandeln. Er wurde für schuldig befunden, an der verbotenen Lehre des KOPERNIKUS festgehalten und diese verteidigt zu haben. Am 22. Juni 1633 hat er den verlangten Schwur gegen diese Lehre geleistet. In der ihm vorgelegten Abschwörungsformel hieß es unter anderem:

„… so bin ich demnach als der Ketzerei schwer verdächtig erachtet worden, das heißt: festgehalten und geglaubt zu haben, dass die Sonne das Zentrum der Welt und unbeweglich, und die Erde nicht Zentrum sei und sich bewege. - Darum, da ich nun Euren Eminenzen und jedem katholischen Christen diesen starken, mit Recht gegen mich gefassten Verdacht nehmen möchte, so schwöre ich ab, verwünsche und verfluche ich mit aufrichtigem Herzen und ungeheucheltem Glauben die genannten Irrtümer und Ketzereien …“.

Der Prozess gegen GALILEI stellte im Konflikt zwischen dem kirchlichen Dogma und dem wissenschaftlichen Weltbild einen Höhepunkt dar. Das Problem der Bewegung der Erde und der Planeten stellte über die Astronomie hinaus auch die religiösen Vorstellungen vom Bau des Himmels und damit den Wahrheitsanspruch der von der Kirche getragenen theologischen und gesellschaftlichen Auffassungen in Frage. Im Jahre 1600 wurde GIORDANO BRUNO (1548–1600) u. a. für die Verbreitung der kopernikanischen Lehre noch hingerichtet. GALILEI wurde, auch wegen seines großen wissenschaftlichen Ansehens, schon vorsichtiger behandelt. Bereits 1635 erschien das verbotene Werk in der niederländischen Stadt Leiden in lateinischer Sprache.

GALILEIs letzte Jahre - Schaffung einer neuen Mechanik

Nach seiner Verurteilung lebte GALILEI als Gefangener der Inquisition in einem Haus auf dem Landgut Arcetri bei Florenz. Hier vollendete er, schon über 70 Jahre alt, seine Bewegungslehre. Er schrieb ein Werk mit dem Titel „Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenschaften, die Mechanik und die lokale Bewegung betreffend“.

Das Buch mit dem Titel „Discorsi“ ist mit den schon genannten Gesprächspartnern wieder in Dialogform geschrieben, obwohl es mehr den Charakter eines physikalischen Lehrbuches hat. Es gliedert sich in vier Tage. Nach GALILEIs Tod wurden aus seinem Nachlass für die zweite Auflage noch zwei weitere Tage hinzugefügt. In diesem Werk äußerte er sich aber auch noch über eine Reihe mathematischer Probleme (mengentheoretische Betrachtungen, geometrische Konstruktionen).

Angeregt durch ballistische Studien und Untersuchungen von Pendelbewegungen, bildeten die Herleitung und die experimentelle Bestätigung der Fallgesetze den Hauptteil der „Unterredungen“. GALILEI überwand die Begriffe der „natürlichen“ und der „erzwungenen“ Bewegung von ARISTOTELES und führte die für die Kinematik wesentlichen Begriffe der gleichförmigen und der gleichmäßig beschleunigten Bewegung ein und stellte die dafür geltenden Gesetze dar.

Die Wurfbewegung analysierte GALILEI als Überlagerung einer gleichförmigen mit der gleichmäßig beschleunigten Bewegung des freien Falls, wobei er als Wurfbahn die Parabel fand. Er stellte eine Tabelle über Schusshöhen und Schussweiten unter verschiedenen Erhebungswinkeln zusammen. So wurden erste wissenschaftliche Grundlagen für die Ballistik gelegt.

Bei GALILEI finden sich auch erste Gedanken für die Formulierung des Trägheitsgesetzes. Er nahm an, dass ein Körper ohne Einwirkung einer Kraft den Betrag seiner Geschwindigkeit beibehalten, jedoch eine Kreisbahn um den Erdball beschreiben müsse. Diese könne aber im Hinblick auf Bewegungen näherungsweise als geradlinig angesehen werden.

Da in den katholischen Ländern kein Werk von GALILEI mehr erscheinen durfte, gelang es mit Unterstützung von Freunden, das Manuskript der „Unterredungen“ in die protestantischen Niederlande zu bringen. Hier wurde das Buch in Leiden im Juli 1638 veröffentlicht. Es wurde das erste Lehrbuch der neueren Mechanik.

GALILEIs Tod und sein wissenschaftlicher Nachlass

Am 8. Januar 1642 starb GALILEI, nachdem er schon einige Jahre erblindet war. An seinem Lager standen seine Schüler VIVIANI, der auch sein erster Biograf war, und TORRICELLI, der sein Nachfolger am Hofe von Florenz wurde. Eine Bestattung in der Familiengruft wurde ihm verweigert. Erst 1737, fast hundert Jahre nach seinem Tode, wurden seine sterblichen Überrest in ein Mausoleum umgebettet.

Im Jahre 1835 hat die katholische Kirche den „Dialog“ von der Liste der verbotenen Bücher gestrichen

In den achtziger jahren des 20. Jahrhunderts wurde durch Papst JOHANNES PAUL II. eine Überprüfung des Falls GALILEI angeordnet. 1992, im 350. Todestag des Gelehrten führte dies zu einer Rehabilitierung durch die Kirche. Der Papst erklärte, dass der Fall GALILEI könne für die Kirche eine bleibend aktuelle Lehre im Umgang mit den Wissenschaften sein. Es gäbe eben zwei Bereiche des Wissens:

„Der eine hat seine Quelle in der Offenbarung, der andere aber kann von der Vernunft mit ihren eigenen Kräften entdeckt werden.“ Beim Fall GALILEI habe es sich um ein „schmerzliches Missverständnis zwischen Wissenschaft und Glauben gehandelt“.

GALILEIs neuer Weg zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen

GALILEIs Vorgehen zeigt eine völlig neue Art, naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, als es bis dahin üblich war. Angeregt durch Probleme aus der Praxis, der Militärtechnik, aber auch der Astronomie, formulierte er Hypothesen, die durch Experimente systematisch auf ihre Richtigkeit überprüft wurden. So bemühte er sich um theoretische Einsichten, die wiederum in der Praxis angewendet werden konnten. Durch die zentrale Stellung, die er dem Experiment im Erkenntnisprozess zuwies, wurde GALILEI zum Begründer der Experimentalwissenschaft.

Mit den „Unterredungen“ hatte GALILEI seinen Weg der Überwindung der alten aristotelischen Naturlehre und Weltanschauung konsequent fortgesetzt. Er bemühte sich um weitere mechanische Beweise für das heliozentrische Weltbild. Indem sich seine astronomischen und mechanischen Forschungen gegenseitig förderten, legte er wichtige Grundlagen für die Umgestaltung des gesamten naturwissenschaftlichen Weltbildes.

Aus einem Protokoll eines Verhörs von GALILEO GALILEI am 30.04.1633

Ich habe viele Tage anhaltend und scharf über den Inhalt der mir vor Tagen vorgelegten Fragen nachgedacht und insbesondere über das vor 16 Jahren gegen mich erlassene Verbot, dass ich die damals verurteilte Lehre von der Bewegung der Erde und der Ruhe der Sonne nicht festhalten, verteidigen oder irgendwie lehren dürfe. So kam ich auf den Gedanken, meinen gedruckten Dialog wieder zu lesen, den ich seit drei Jahren nicht mehr angesehen habe. Ich wollte sorgfältig prüfen, ob etwa gegen meine lauterste Absicht, aus Unachtsamkeit, mir etwas aus der Feder geflossen sei, aus dem der Leser oder die Oberen nicht nur in mir den Verdacht des Ungehorsams argwöhnen könnten, sondern aus dem sich auch Anhaltspunkte dafür ergeben könnten, dass ich den befehlen der heiligen Kirche tatsächlich zuwider gehandelt hätte.

Da mir nun freundlicherweise die Freiheit belassen wurde, meinen Diener zu behalten, so habe ich mir ein Exemplar meines Buches holen lassen. Dann habe ich mich mit größter Aufmerksamkeit an die Lektüre gemacht und habe es aufs Genaueste angesehen. Es kam mir nach der langen Zeit wie ein neues Buch eines anderen Verfassers vor. Ich gestehe freimütig, dass es mir an mehreren Stellen so abgefasst erschien, dass ein mit meiner Absicht nicht vertrauter Leser Gefahr laufen kann, auf den Gedanken zu kommen, dass die für die falsche Lehre, die ich widerlegen will, angeführten Gründe so vorgebracht sind, dass sie mehrfach durch ihre Kraft imstande sind, zu überzeugen, und nicht leicht widerlegt werden können, besondere, der eine ist von den Sonnenflecken, der andere von Ebbe und Flut hergenommen.

Sie sind mit solcher Kraft und Frische ausgestattet und bekommen so in den Ohren des Lesers mehr Gewicht, als es sich gebührt, wenn man sie für falsch hält und sie widerlegen will, wie ich sie denn damals in meinem Inneren in Wahrheit für falsch und widerlegbar hielt und noch halte. Um mich selbst vor mir selbst zu entschuldigen, dass ich in einen meiner Absicht so fernliegenden Irrtum verfallen bin, begnüge ich mich nicht damit, zu sagen, dass man bei der Anführung der zu widerlegenden Gründe des Gegners sich namentlich in einem Dialog klar und deutlich ausdrücken muss und nicht schon die Partei des Gegners ergreifen darf.

Aber ich begnüge mich, wie gesagt, nicht mit dieser Entschuldigung, sondern ich berufe mich auf die Freude, die jeder am eigenen Scharfsinn hat, und daran, sich klüger zu zeigen als der Durchschnitt der Menschen beim Auffinden scharfsinniger und anscheinend billiger Gründe, auch für falsche Behauptungen. Wenn ich auch mit alledem, mit Cicero zu reden, ruhmsüchtiger bin, als es gut ist, so würde ich doch, wenn ich die Dinge noch einmal darzustellen hätte, sie sicher in einer Weise vorbringen, dass sich nicht den Anschein einer Beweiskraft in sich tragen würde, die sich tatsächlich nicht besitzen. Das war mein Fehler, ich gestehe ihn ein, er entsprang eitlem Ehrgeiz, reiner Unwissenheit und meiner Unachtsamkeit. Das habe ich noch zur Sache zu sagen gefunden, nachdem ich mein Buch wieder gelesen hatte.

Auszug aus den „Unterredungen und mathematischen Demonstrationen ...“ (Discorsi)

Sagredo: Aufgrund dieser Überlegung, scheint mir, könnte man eine recht zutreffende Lösung der von Philosophen erörterten Fragen gewinnen, welches die Ursache der Beschleunigung bei der natürlichen Bewegung schwerer Körper sei. Demnach findet man, dass beim emporgeworfenen Körper die anfänglich mitgeteilte Kraft (virtu) stetig abnimmt, und den Körper fortwährend erhebt, bis sie gleich der entgegen wirkenden Schwerkraft geworden ist, und nachdem beide ins Gleichgewicht gelangt sind, der Körper aufhört zu steigen und in den Zustand der Ruhe gelangt, in welchem der mitgeteilte Schwung nicht anders vernichtet ist, als in dem Sinne, dass der Überschuss verzehrt ist, der anfangs das Gewicht des Körpers übertraf und mittels dessen der Aufstieg zustande kam.
Indem nun die Verminderung dieses fremden Antriebes fortdauert, und in dem späterhin das Übergewicht zu Gunsten der Schwere des Körpers eintritt, beginnt das Niedersinken, aber sehr langsam im Gegensatz zum mitgeteilten Antriebe, der zum großen Teile dem Körper noch verbleibt; da derselbe aber stetig vermindert wird, da in immer höherem maße die Schwere überwiegt, so entsteht hierdurch die stetige Beschleunigung der Bewegung.

Simplicio: Der Gedanke ist scharfsinnig, aber eher fein gedacht als stichhaltig (saldo). Denn was da zutreffend erscheint, entspricht nur jener natürlichen Bewegung, der eine heftige Bewegung voran ging, und bei welcher noch ein bedeutender Teil des äußeren Antriebes beharrt; wo aber kein solcher Rest vorhanden ist, der Körper vielmehr von einer länger bestehenden Ruhe aus sich bewegt, da hat alle jene Überlegung keine Geltung (cessa la forza).

Sagredo: Ich glaube, Ihr seit im Irrtum, und die von Euch beliebte Unterscheidung ist überflüssig, oder besser, sie ist nichtig. Denn sagt mir, ob nicht im aufgeworfenen Körper bald viel, bald wenig Antrieb vorhanden sein kann, sodass er 100 Ellen aufsteigen kann, oder auch 20, 4 oder eine?

Simplicio: Das ist gewiss.

Sagredo: Es wird also die mitgeteilte Kraft auch so wenig den Widerstand der Schwere übertragen können, dass der Körper nur einen Finger breit aufsteigt; und endlich kann der mitgeteilte Antrieb nur so groß sein, dass er genau gleich ist dem Widerstand und nicht mehr aufsteigt, sondern bloß unterstützt bleibt. Wenn Ihr also einen Stein haltet, was tut Ihr anders, als ihn so stark empor anzutreiben, als die Schwerkraft ihn hinabzieht? Und unterhaltet Ihr nicht immerfort dieselbe Auftriebskraft so lange, als Ihr den Körper in der Hand haltet? Nimmt sie vielleicht in dieser langen Zeit ab? Diese Unterstützung aber, die den Stein am Falle hindert, was macht es aus, ob Eure Hand dieselbe leistet, oder ein Tisch, oder ein Seil, an dem er angehängt ist? Doch gewiss gar nichts. Also folgert daraus, Herr Simplicio, dass die Frage, ob eine kurze oder lange Ruhezeit dem Falle vorangeht, oder eine nur augenblickliche, gar keinen Unterschied bedingt, denn der Stein bleibt in Ruhe, so lange der Antrieb seiner Schwere entgegen wirkt, in dem Betrage, wie er zum Hervorbringen der Ruhe nötig war:

Salvati: Es scheint mir nicht günstig, jetzt zu untersuchen, welches die Ursache der Beschleunigung der natürlichen Bewegung sei, worüber von verschiedenen Philosophen verschiedene Meinungen vorgeführt worden sind; einige führen sie auf die Annäherung an das Zentrum zurück, andere darauf, dass immer weniger Teile des Körpers auseinander gehen wollen; wieder andere auf eine gewisse Vertreibung des umgebenden Mittels, welches hinter dem fallenden Körper sich wieder schließt und den Körper antreibt und von Stelle zu Stelle verjagt; alle diese Vorstellungen und noch andere müssen geprüft werden und man wird wenig Gewinn haben. Für jetzt verlangt unser Autor nicht mehr, als dass wir einsehen, wie es uns einige Eigenschaften der beschleunigten Bewegung untersucht und erläutert (ohne Rücksicht auf die Ursache der letzteren), sodass die Momente seiner Geschwindigkeit vom Anfangszustand der Ruhe aus stets anwachsen jenem einfachsten Gesetze gemäß, der Proportionalität mit der Zeit, d.h. so, dass in gleichen Zeiten gleiche Geschwindigkeitsanwüchse statt haben. Sollte sich zeigen, dass die später zu besprechenden Erscheinungen mit der Bewegung der beschleunigt fallenden Körper übereinstimmen, so werden wir annehmen dürfen, dass unsere Definition den Fall der schweren Körper umfasst und dass es wahr sei, dass ihre Beschleunigung proportional der Zeit sei, so lange die Bewegung andauert.

Sagredo: So viel ich gegenwärtig verstehe, hätte man vielleicht deutlicher ohne den Grundgedanken zu ändern definieren können: Einförmig beschleunigte Bewegung ist eine solche, bei welcher die Geschwindigkeit wächst proportional der zurückgelegten Strecke; sodass z.B. nach einer Fallstrecke von vier Ellen die Geschwindigkeit doppelt so groß sei, als wenn er durch zwei Ellen gesunken wäre, und diese das doppelte von der bei einer Elle Fallstrecke erlangten Geschwindigkeit. Denn ohne Zweifel wird ein von sechs Ellen herabfallender Körper den doppelten Antrieb durch Stoß hervorrufen im Vergleich zu den von drei Ellen Höhe herabkommenden; und den dreifachen Antrieb im Vergleich zur Fallhöhe von zwei Ellen, den sechsfachen zu der von einer Elle Höhe.

Salvati: Es ist mir recht tröstlich, in diesem Irrtum einen solchen Genossen gehabt zu haben; überdies muss ich Euch sagen, dass Eure Überlegung so wahrscheinlich zu sein scheint, dass selbst unser Autor eine Zeitlang, wie er mir selbst gesagt hat, in demselben Irrtum befangen war. Was mir aber am meisten Staunen erregt hat, war die Tatsache, dass zwei sehr wahrscheinlich klingende Behauptungen, die mir von vielen, denen ich sie vorlegte, ohne Weiteres zugestanden waren, mit nur vier ganz schlichten Worten als ganz falsch und ganz unmöglich erwiesen wurden.

Simplicio: Wahrlich, auch ich würde jenen Annahmen beipflichten; der fallende Körper erlangt im Falle seine Kräfte, indem die Geschwindigkeit proportional der Fallstrecke anwächst, und das Moment des Stoßes ist doppelt so groß, wenn die Fallhöhe die doppelte. Diesen Sätzen kann man ohne Widerstreben beipflichten.

Salvati: Und dennoch sind sie dermaßen falsch und unmöglich, wie wenn jede Bewegung instantan wäre. Folgendes ist die allerdeutlichste Erläuterung. Wenn die Geschwindigkeiten proportional den Fallstrecken wären, die zurückgelegt worden sind oder zurückgelegt werden sollen, so werden solche Strecken in gleichen Zeiten zurückgelegt; wenn also die Geschwindigkeit, mit welcher der Körper vier Ellen überwand, das doppelte der Geschwindigkeit sein solle, mit welcher die zwei ersten Ellen zurückgelegt wurden, so müssten die zu diesen Vorgängen nötigen Zeiten einander ganz gleich sein; aber eine Überwindung von vier Ellen in derselben Zeit wie eine von zwei Ellen kann nur zustande kommen, wenn es eine instantante Bewegung gibt; wir sehen dagegen, dass der Körper Zeit zum Fallen gebraucht, und zwar weniger für zwei als für vier Ellen Fallstrecke; also ist es falsch, dass die Geschwindigkeiten proportional der Fallstrecke wachsen. Auch die andere Behauptung kann ebenso deutlich als irrig erwiesen werden. Der stoßende Körper ist in beiden Fällen derselbe; die Differenz des Stoßmomentes kann daher nur auf den Unterschied der Geschwindigkeit bezogen werden. Wenn der von doppelter Höhe fallende Körper eine Stoß von doppeltem Moment erzeugt, so müsste er mit doppelter Geschwindigkeit aufprallen; aber die doppelte Geschwindigkeit überwindet die doppelte Strecke in derselben Zeit, während wir die Fallzeit mit der Höhe zunehmen sehen.

Sagredo: Mit zu viel Evidenz und Gewandtheit erklärt Ihr uns die verborgensten Dinge; diese Fertigkeit macht, dass wir die Erkenntnis weniger schätzen, als wir damals zu tun glaubten, als wir noch der Wahrscheinlichkeit des Gegenteils huldigten. Die mit wenig Mühe errungenen allgemeinen Kenntnisse würdigt man wenig im Vergleich zu denen, die mit langen unerklärbaren Vorstellungen umgeben sind.

Salvati: Es wäre sehr traurig, wenn denjenigen, welche kurz und deutlich die Irrtümer allgemein für wahr gehaltener Sätze aufdecken, statt Beifall nur Missachtung gezollt würde; aber eine bittere und lästige Empfindung wird bei denjenigen erweckt, die auf demselben Studiengebiet sich jedem anderen gewachsen glauben und dann erkennen, dass sie das als richtige Schlussfolgerung zugelassen haben, was später von einem anderen mit kurzer leichter Überlegung aufgedeckt und als irrig gekennzeichnet wurde. Ich möchte solch eine Empfindung nicht Neid nennen, der gewöhnlich in Hass und Zorn gegen den Aufdecker der Irrtümer ausartet, viel eher wird es ein Sucht und ein Verlangen sein, altgewordene Irrtümer lieber aufrecht zu erhalten, als zuzugestehen, dass neuentdeckte Wahrheiten vorliegen, und dieses Verlagen verführt die Leute oft, gegen vollkommen von ihnen selbst erkannte Wahrheiten zu schreiben, bloß um die Meinung der großen und wenig intelligenten Menge gegen das Ansehen des anderen aufzustacheln. Von solchen falschen Lehren und leichtfertigen Widerlegungen habe ich oft unseren Akademiker reden gehört, und ich habe sie mir wohl gemerkt.

Sagredo: Sie sollten uns dieselben nicht vorenthalten, sondern gelegentlich mitteilen, selbst wenn wir in diesem Interesse eine besondere Zusammenkunft vereinbaren müssten.
Unser Gespräch wieder aufnehmend, will mir scheinen, dass wir bis jetzt die Definition der gleichförmig beschleunigten Bewegung festgestellt haben, auf welche die folgenden Untersuchungen sich beziehen, nämlich:
Die gleichförmig oder einförmig beschleunigte Bewegung ist eine solche, bei welcher in gleichen Zeiten gleiche Geschwindigkeitsmomente hinzukommen.

Salvati: Nach Feststellung dieser Definition stellt unser Autor eine Voraussetzung als wahr auf, nämlich:
Die Geschwindigkeitswerte, welche ein und derselbe Körper bei verschiedenen Neigungen einer Ebene erlangt, sind einander gleich, wenn die Höhen dieser Ebenen einander gleich sind. Der Autor nennt „Höhe einer geneigten Ebene“ das Lot, welches vom höchsten Punkt der Ebene auf ein und dieselbe horizontale Ebene gefällt werden kann, welche durch die untersten Punkte der Ebene gelegt wird. Wenn also BA parallel dem Horizont (Fig. 44), über welchem die geneigte Ebene CA, CD sich erheben, so wird das Lot CB, senkrecht zur Horizontalen BA, die Höhe beider Ebenen CA, CD genannt. Er nimmt an, dass der längs CA, CD sich bewegende Körper, wenn er in A und D anlangt, gleiche Geschwindigkeit habe, weil sie gleiche Höhe CB haben. Und zwar ist die Geschwindigkeit dieselbe, wie der Körper sie bei freiem Fall von C aus in B erlangt hätte.

Sagredo: Wahrlich, diese Annahme scheint mir dermaßen wahrscheinlich, dass sie ohne Kontroverse zugestanden werden müsste, vorausgesetzt immer, dass alle zufälligen und äußeren Störungen fortgeräumt seien, und der Körper von vollkommenster Rundung sei, kurz Körper und Ebene frei von jeder Rauhigkeit seien. Wenn alle Hindernisse fortgeräumt sind, sagt mir mein natürlicher Verstand, dass es schwerer, vollkommen runder Stab längs den Linien CA, CD, CB mit gleichen Geschwindigkeiten in A, D, B ankommen würde.

Salvati: Ihr findet das sehr wahrscheinlich; allein über die Wahrscheinlichkeit hinaus will ich Euch so sehr die Argumente vermehren, dass Ihr es fast für einen zwingenden Beweis anerkennen sollt. Es stelle dieses Blatt eine auf der Horizontalebene errichtete Wand dar, und an einem in derselben befestigten Nagel hänge eine Kugel aus Blei von 1 oder 2 Unzen Gewicht, befestigt an einem dünnen Faden AB (Fig. 45) von 2 oder 3 Ellen Länge; auf der Wand verzeichne man eine horizontale Linie DC, senkrecht zum Faden AB, welcher ungefähr 2 Finger breit von der Wand abstehen mag. Bringt man den Faden mit der Kugel nach AC, und lässt man die Kugel los, so wird dieselbe fallend den Bogen CBD beschreiben, in dem sie so schnell den Punkt durcheilt, dass sie um den Bogen BD ansteigt fast bis zur Horizontalen CD, in dem sie um ein sehr kleines Stück zurückbleibt, da infolge des Widerstandes der Luft und des Fadens sie an der präzisen Wiederkehr gehindert wird. Hieraus können wir sicher schließen, dass die im Punkte B erlangte Geschwindigkeit der Kugel beim Hinabfallen durch den Bogen CB genüge, um den Anstieg um einen gleich großen Bogen BD zu bewirken zu gleicher Höhe.
Nach häufiger Anstellung dieses Versuches wollen wir in der Wand bei E einen Nagel anbringen oder in F, 5 oder 6 Finger breit nach vorne, damit der Faden AC, wenn er mit der Kugel nochmals nach CB gelangt und den Punkt B erreicht hat, beim Nagel E festgehalten, und die Kugel gezwungen wird, den Bogen BG zu beschreiben um den Mittelpunkt E herum, wobei wir erkennen werden, was eben dieselbe Geschwindigkeit leistet, die vorhin denselben Körper durch den Bogen BD hinauf bis zum
Horizonte CD förderte. Nun, meine Herren, werden Sie mit Wohlgefallen bemerken, dass die Kugel im Punkte G wiederum den Horizont erreicht, und eben dasselbe geschieht, wenn das Hemmnis sich tiefer befände, wie in F, wobei die Kugel den Bogen BJ beschreibt, den Aufstieg stets im Horizonte CD beendend, und wenn der hemmende Nagel so tief stünde, dass der Rest des Fadens nicht mehr den Horizont CD erreichen könnte (was offenbar einträte, wenn er näher zu B als zum Durchschnitt von AB mit CD läge), so würde der Faden den Nagel umschlingen. Dieser Versuch lässt keinen Zweifel aufkommen hinsichtlich der Wahrheit des aufgestellten Satzes. Denn, da die Bögen CB, DB einander gleich sind und symmetrisch (similmente) liegen, so wird das beim Sinken durch den Bogen CB erlangte Moment ebenso groß sein, wie die Wirkung durch den Bogen DB; aber das in B erlangte, durch CB hindurch den Bogen BD zu heben, folglich wird auch das beim Fallen durch DB hervorgerufene Moment gleich sein demjenigen, welches denselben Körper vorher von B bis D zu fördern vermochte, sodass allgemein jedes beim fallen erzeugte Moment gleich demjenigen ist, welches den Körper durch denselben Bogen zu erheben im Stande ist: aber alle Momente, die den Körper durch die Bögen BD, BG, BJ zu heben vermochten, sind einander gleich, da sie stets durch das Fallen durch CB entstanden waren, wie der Versuch es lehrt: folglich sind auch alle Momente, die durch die Senkung durch die Bögen DB, GB, JB hervorgerufen werden, einander gleich.

Sagredo: Diese Erläuterung erscheint so folgerichtig und der Versuch ist so sehr geeignet, die Behauptung zu bewähren, dass die letztere so gut wie bewiesen erscheinen muss.

Salvati: Ich denke, Herr Sagredo, wir werden uns darüber keine Sorge machen, dass wir unseren Satz anwenden wollen auf die Bewegung längs ebenen Flächen, und nicht längs gekrümmten, auf welchen die Beschleunigung in ganz anderen Beträgen zunimmt, als wie wir sie auf ebenen Flächen annehmen. Wenn also auch das Experiment uns lehrt, dass der Fall durch den Bogen CB dem Körper solch einen Impuls erteilt, dass derselbe auf dieselbe Höhe gehoben werden kann durch irgend einen Bogen BD, BG, BJ, so können wir nicht mit gleicher Evidenz zeigen, dass eben dasselbe geschehe, wenn eine durchaus vollkommene Kugel längs ebener Flächen hinabfiele, die geneigt sind wie die Sehnen eben dieser Bögen; im Gegenteil ist es wahrscheinlich, dass, da diese ebenen Flächen Winkel bilden im Endpunkte B, die Kugel nach dem Fall längs der Sehne CB einen Widerstand erleidet an der ansteigenden Ebene längs den Sehnen BD, BG, BJ, daher ein Teil des Impulses beim Anprall verloren gehen müsste, sodass der Anstieg nicht mehr bis zum Horizonte CD erfolgen könnte. Schafft man das Hindernis fort, das den Versuch beeinträchtigt, so scheint es mir wohl verständlich, dass der Impuls (der in sich den Effekt der gesamten Fallkraft birgt), hinreichen müsste, den Körper auf dieselbe Höhe zu erheben. Wollen wir nunmehr dieses gelten lassen als Postulat; die absolute Richtigkeit wird uns später einleuchten, wenn wir die Folgerungen aus solcher Hypothese eintreffen und genau mit dem Versuch übereinstimmen sehen. nachdem der Autor dieses eine Prinzip vorausgesetzt, geht er zu strengen Schlussfolgerungen über, deren erste hier folge.

Beschreibung des Experiments an der Fallrinne durch GALILEI

...auf einem Holzbrett von 12 Ellen Länge ... war ... eine Rinne von etwas mehr als einem Zoll Breite eingegraben. Dieselbe war sehr gerade gezogen, und um die Fläche recht glatt zu haben, war inwendig ein sehr glattes und reines Pergament aufgeklebt; in dieser Rinne ließ man eine sehr harte, völlig runde und glattpolierte Messingkugel laufen. Nach Aufstellung des Brettes wurde dasselbe einerseits gehoben, bald eine, bald zwei Ellen hoch; dann ließ man die Kugel durch den Kanal fallen und verzeichnete ... die Fallzeit für die ganze Strecke. Häufig wiederholten wir den einzelnen Versuch zur genaueren Ermittlung der Zeit und fanden gar keine Unterschiede, auch nicht einmal von einem Zehntel eines Pulsschlages.
Darauf ließen wir die Kugel nur durch ein Viertel der Strecke laufen und fanden stets genau die halbe Fallzeit gegenüber früher. ... bei wohl hundertfacher Wiederholung fanden wir stets, dass die Strecken sich verhielten wie die Quadrate der Zeiten, und dieses zwar für jedwede Neigung der Ebene...

Aus der Begründung des Papstes für die Rehabilitation Galilies durch die Kirche 1992 vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften

GALILEI, der praktisch die experimentelle Methode erfunden hat, hat, dank seiner genialen Vorstellungskraft als Physiker und auf verschiedene Gründe gestützt, verstanden, dass nur die Sonne als Zentrum der Welt, wie sie damals bekannt war, ... infrage kam. Der Irrtum der Theologen von damals bestand dagegen am Festhalten an der Zentralstellung der Erde in der Vorstellung, unsere Kenntnis der Strukturen der physischen Welt wäre irgendwie vom Wortsinn der Heiligen Schrift gefordert ... Tatsächlich beschäftigt sich die Bibel nicht mit den Einzelheiten der physischen Welt, deren Kenntnis der Erfahrung und dem Nachdenken des Menschen anvertraut wird.
Es gibt zwei Bereiche des Wissens: Der eine hat seine Quelle in der Offenbarung, der andere aber kann von der Vernunft mit ihren eigenen Kräften entdeckt werden.
Beim Fall GALILEI handelte es sich um ein schmerzliches Missverständnis zwischen Wissenschaft und Glauben.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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