Am Ende des 19. Jahrhunderts waren die technischen Voraussetzungen gegeben, um erkenntnistheoretische Grundpositionen der klassischen Physik überprüfen zu können. Eine dieser Grundpositionen war die Annahme der Existenz eines absoluten Raumes mit einem darin befindlichen und in diesem absoluten Raum ruhenden Äther (Lichtäther). Das sollte ein Medium geringster Dichte sein, das den Raum lückenlos füllt und in dem sich Lichtwellen und andere elektromagnetische Wellen ähnlich ausbreiten wie Schallwellen in Luft. Elektromagnetische Felder ließen sich als besonderer Zustand des Äthers darstellen.
Hauptanliegen des Experiments von ALBERT ABRAHAM MICHELSON (1852-1931) war der Versuch, die Existenz eines Äthers unmittelbar nachzuweisen. Die Idee zu diesem Experiment geht auf den englischen Physiker JAMES CLERK MAXWELL (1831-1879) zurück, der sich intensiv mit elektromagnetischen Feldern beschäftigt hatte und feststellte:
„Wenn man die Geschwindigkeit des Lichtes in der Zeit messen könnte, die es braucht, um die Entfernung zwischen zwei Punkten der Erdoberfläche zurückzulegen und danach die gewonnenen Daten mit der Lichtgeschwindigkeit in umgekehrter Richtung vergleichen könnte, könnte man die Bewegungsgeschwindigkeit des Äthers relativ zu diesen beiden Punkten bestimmen“.
MICHELSON dachte sich 1880 in Berlin eine Versuchsanordnung aus, mit der ein Nachweis des Äthers möglich wäre. Der amerikanische Physiker weilte 1880/81 als Stipendiat in Berlin und arbeitete dort unter der Leitung von HERMANN VON HELMHOLTZ. Die ersten Experimente wurden 1881 in Potsdam durchgeführt. Der Grund für den Ortswechsel bestand darin, dass selbst kleinste Schwingungen das Versuchsergebnis beeinflussten und MICHELSON deshalb die Versuche nicht in der Großstadt Berlin, sondern am Rand des ruhigeren Potsdam realisierte. Nach seiner Rückkehr in die USA führte MICHELSON ab 1887 zusammen mit seinem Landsmann EDWARD WILLIAMS MORLEY (1838-1923) das Experiment mit noch größerer Genauigkeit durch. Deshalb bezeichnet man dieses berühmte Experiment entweder als MICHELSON-Experiment oder als MICHELSON-MORLEY-Experiment .
ALBERT ABRAHAM MICHELSON (rechts) führte 1881 in Potsdam erstmals sein berühmt gewordenes Experiment zum Nachweis eines Lichtäthers durch. Das Foto zeigt ihn mit dem von ihm konstruierten Interferometer.
Für seinen Versuch ging MICHELSON von der Position aus, dass sich die Erde in dem ruhenden, mit Äther gefüllten absoluten Raum mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/s um die Sonne bewegt. Wenn das der Fall ist, dann müsste sich die Lichtgeschwindigkeit in Richtung der Erdbewegung und die senkrecht dazu unterscheiden.
Er erdachte eine Versuchsanordnung, mit der er diesen Effekt sicher nachweisen konnte. Der Aufbau ist in Bild 2 dargestellt. Das von einer Lichtquelle ausgehende Licht wird durch einen halbdurchlässigen Spiegel in zwei Anteile aufgespalten. Ein Anteil verläuft zum Spiegel 1, wird dort reflektiert und gelangt über den halbdurchlässigen Spiegel zum Fernrohr. Der andere Anteil wird zum Spiegel 2 reflektiert und gelangt dann ebenfalls zum Fernrohr. Dort kommt es zur Interferenz (Überlagerung) der beiden Anteile und damit aufgrund der vermuteten unterschiedlich langen Laufzeiten des Lichtes quer bzw. parallel zur Bewegung der Erde zu einer bestimmten Anordnung der Interferenzstreifen. Bei Drehung der gesamten Anordnung um 90° müsste sich die Lage der Interferenzstreifen ändern, da sich damit auch die Lichtwege bzw. die Lichtlaufzeiten relativ zum ruhenden Äther ändern würden. Bei der Anordnung wird die Interferenz genutzt. Man spricht deshalb auch vom MICHELSON-Interferometer.
Um äußere Störungen zu vermeiden, war die Apparatur auf einer massiven Steinplatte aufgebaut, die ihrerseits in einem mit Quecksilber gefüllten Trog schwamm und damit auch leicht drehbar war. Die mehrfach verbesserte Anordnung war so genau, dass man noch etwa 1 % des erwarteten Effektes hätte nachweisen können.
Versuchsanordnung von ALBERT ABRAHAM MICHELSON zum Nachweis eines Äthers: Genutzt wird die Interferenz bzw. die Verschiebung von Interferenzlinien.
Nimmt man an, das die Strecke (siehe Bild 2) in Richtung der Erdbewegung liegt und sich die Erde mit der Geschwindigkeit v = 30 km/s bewegt, dann ergibt sich für den Weg :
Die Zusammensetzung der Geschwindigkeiten für die verschiedenen Fälle ist in der Übersicht 3 dargestellt. Für den Hin- und Rückweg des Lichtes parallel zur Bewegungsrichtung der Erde ergibt sich dann:
Die Strecke liegt dann senkrecht zur Richtung der Erdbewegung. Die Laufzeiten für das Licht sind bei Hin- und Rückweg gleich groß und betragen:
Ein Vergleich der Gleichungen (1) und (2) zeigt: Zwischen den Laufzeiten des Lichtes parallel zur Bewegungsrichtung der Erde und senkrecht dazu besteht ein Unterschied, wobei gilt:
In der Skizze ist dargestellt, wie sich die Geschwindigkeiten bei der Annahme eines ruhenden Äthers in unterschiedlichen Richtungen zusammensetzen würden.
Bei Drehung der Anordnung um 90° vertauschen sich die Wege und die Laufzeiten. Das müsste eine beobachtbare Verschiebung der Interferenzstreifen bewirken (Bild 4).
Zur Enttäuschung von MICHELSON und zur Überraschung vieler Physiker zeigte sich bei allen Versuchen: Es tritt bei Drehung der Apparatur keinerlei Verschiebung der Interferenzstreifen auf. Ein Einfluss des Äthers auf die Lichtgeschwindigkeit war nicht feststellbar.
Damit ergab sich ein fundamentaler Widerspruch zwischen Grundannahmen der klassischen Physik (Existenz eines absoluten Raumes mit einem darin befindlichen ruhenden Äther) und einem experimentellen Ergebnis. Das führte allerdings nicht sofort zu einer Revision der Grundannahmen, sondern zu verschiedenen durchaus auch erfolgreichen Versuchen, z.B. von HENDRIK ANTOOON LORENTZ, die experimentellen Ergebnisse mit theoretischen Positionen in Einklang zu bringen.
Erst ALBERT EINSTEIN (1879-1955) löste das Grundproblem mit seiner 1905 veröffentlichen speziellen Relativitätstheorie. Er ging dort von der Grundannahme aus, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen konstant ist und folgerte daraus u.a., dass es keinen absoluten Raum und auch keinen Äther gibt. Er stellte zu Beginn seiner ersten Veröffentlichung zur speziellen Relativitätstheorie fest:
„Die mißlungenen Versuche, eine Bewegung der Erde relativ zum Lichtmedium (Äther-d. Verf.) zu konstatieren, führen zu der Vermutung, daß dem Begriff der absoluten Ruhe nicht nur in der Mechanik, sondern auch in der Elektrodynamik keine Eigenschaften der Erscheinung entsprechen ...“.
Der MICHELSON-Versuch wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten mehrfach mit verbesserten Apparaturen und unter veränderten Bedingungen wiederholt. Solche Versuche wurde z.B. durchgeführt:
Alle diese Experimente hatten das gleiche negative Ergebnis, teilweise mit wesentlich gesteigerter Genauigkeit ermittelt. Auch Vergleiche der Laufzeiten von Funksignalen zwischen Europa und den USA unter Nutzung von Atomuhren brachten kein anderes Ergebnis. Daraus kann man folgern:
Es gibt keinen Äther als Trägermedium für elektromagnetische Wellen und kein ausgezeichnetes Bezugssystem für die Lichtausbreitung.
Auf einem Bildschirm bzw. im Beobachtungsfernrohr hätte sich eine Verschiebung der Spektrallinien zeigen müssen, so wie es in dem Bild dargestellt ist. Eine solche Verschiebung trat bei keinem der Versuche auf.
Stand: 2010
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