Definitionen des Friedens

Auf die menschliche Gesellschaft übertragen ist Frieden der Zustand eines vertraglichen und gesicherten Zusammenlebens von Menschen sowohl innerhalb als auch zwischen den Gesellschaften und Staaten. Der Gegensatz zum Frieden ist der Krieg als Gewaltausübung zwischen sozialen Gruppen, Staaten, Staatengruppen.

Entwicklung des Friedensbegriffes

Frieden ist nicht von Natur aus gegeben, sondern er ist ein geschaffener Zustand, der durch ein Minimum an Ordnung und Vereinbarungen gesichert werden muss (enge Verknüpfung mit dem Begriff des Rechts).
Frühe Philosophen wie THOMAS VON AQUIN (1224/25–1274) betrachten den Frieden als politisches Gut schlechthin, als Zweck des Staates und unterscheiden zwischen „wahrem Frieden“ und „schlechtem Frieden“. Schlechter Frieden ist Ausdruck einer schlechten und gewaltsam herbeigeführten Ordnung. Nur wahrer Frieden sei erstrebenswert.

THOMAS HOBBES (1588–1679) betrachtet die Einhaltung des Friedens als erstes und wichtigstes Naturgesetz, ohne das es keinen Staat geben kann. Dass der Staat zur Sicherung eines Rechts- und Friedenszustandes dient, darüber besteht bei allen Theoretikern Konsens.

Mit der Schrift von IMMANUEL KANT (1724–1804) „Zum ewigen Frieden“ (1795) trat eine Wende in der völkerrechtlichen Bewertung des Friedens ein. Der Krieg wurde moralisch geächtet und Rechtsgrundsätze für zwischenstaatliche Sicherheitsmaßnahmen und allgemeine Bedingungen für eine umfassende Rechts- und Friedensordnung begründet.

Modell von HOBBES:
Frieden durch Hegemonie (Vormachtstellung) einer Supermacht; statt des rechtlosen Naturzustandes alles Recht bei dieser Macht; Frieden = Sicherheit vor Krieg und Gewalt (negativer Frieden)

Modell von KANT:
Frieden durch Gemeinschaftsbildung: Rechtsgemeinschaft der Staaten – Weltbürgergemeinschaft der Menschen; Sklaverei und Kolonialismus sind Rechtsverletzungen; Frieden = Herrschaft des Rechts (positiver Frieden)

Im 20. Jh. wurde Politik insgesamt als Bemühung um Frieden definiert:

„Der Frieden ist der Grund und das Merkmal und die Norm des Politischen.“

Mit dem Völkerbund (gegründet 1920) und der UNO (gegründet 1945) wurden Organisationen der internationalen Sicherheit geschaffen, die sich bei der Friedenssicherung, vor allem hinsichtlich der Begrenzung und Eindämmung von Konflikten sowie bei der Entwicklung friedensstrategischer Konzepte bewährt haben.

Die Politikwissenschaft – insbesondere die sich herausbildende Friedens- und Konflikttheorie – betrachtet den Frieden zwischen den Staaten stets in Abhängigkeit vom Gesellschaftszustand innerhalb der Staaten. Von daher wurde auch zwischen negativem Frieden und positivem Frieden unterschieden.

Negativer Frieden

Negativer Frieden ist die Abwesenheit von Krieg, d. h. von personeller Gewalt.

„Frieden ist ein Zustand innerhalb eines Systems größerer Gruppen von Menschen, besonders von Nationen, bei dem keine organisierte, kollektive Anwendung oder Androhung von Gewalt stattfindet“ (JOHAN GALTUNG, geb. 1930).

Die Regulierung der Gewaltanwendung im bestehenden internationalen System war Bedingung für die Stabilisierung des politisch-militärischen Konfliktverhältnisses zwischen den Supermächten USA und UdSSR während des Kalten Krieges in den 1960er-Jahren. Durch

  • Rüstungskontrolle und
  • vertrauensbildende Maßnahmen

in den 1980er-Jahren wurde eine Eskalation von Konflikten zwischen den beiden Militärblöcken NATO und Warschauer Vertrag letztlich verhindert. Dennoch war das zugrunde liegende Prinzip der Abschreckung bzw. die Strategie des „Gleichgewichts des Schreckens“ kein positiver Frieden. Allein die Existenz des auf beiden Seiten angehäuften hochtechnisierten Waffenpotenzials barg die latente Gefahr eines dritten Weltkrieges.

Positiver Frieden

Positiver Frieden ist der Zustand, der sowohl personelle Gewalt wie auch strukturelle und kulturelle Gewalt ausschließt.
Der positive Frieden ist geprägt von

  • wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung,
  • Gerechtigkeit und
  • Freiheit.

Er setzt die Verwirklichung der Menschenrechte voraus. Jedes Individuum muss Entwicklungsmöglichkeiten gemäß seinen Anlagen und Fähigkeiten haben. Zunehmend wird die Entwicklung einer gerechten Weltordnung als Kennzeichen für die Realisierung des Friedens angesehen.

Frieden als Prozess

Die neuere Friedensforschung begreift Frieden als Prozess, also nicht mehr nur als Zustand. Dieser muss dadurch gekennzeichnet sein, dass er sowohl in innerstaatlicher wie in zwischenstaatlicher Hinsicht auf die Verhütung von Gewaltanwendung, die Verminderung von Unfreiheit und soziale Ungerechtigkeit gerichtet ist. Grundlegendes Ziel ist die Austragung von Konflikten ohne Einsatz militärischer, kultureller und struktureller Gewalt.
Das ist nicht gleichbedeutend mit der Abschaffung von Konflikten. Sie werden als notwendig und unvermeidlich in der Gesellschaft betrachtet. Es geht aber um eine zivile, um eine gewaltfreie Konfliktaustragung.
Die Erfahrungen Europas zeigen, dass dauerhafter Frieden mit gelungener Vergemeinschaftung innerhalb von Gesellschaften und zwischen den Staaten zusammenhängt. Sie sichert eine Koexistenz, in der Konflikte in vereinbarten Formen – durch Verträge und anerkannte Regelungen – ausgetragen werden.

  • Rechtsstaatlichkeit,
  • Demokratie,
  • soziale Gerechtigkeit,
  • Toleranz und
  • Dialogfähigkeit

sind grundlegende Bedingungen dafür, Frieden als Zivilisierungsprozess zu gestalten. Der Friedensforscher DIETER SENGHAAS (geb. 1940) entwickelte in Analyse des weltpolitischen Umbruchs 1989/90 das „zivilisatorische Hexagon“ (Bild 4) und begründete den engen Zusammenhang dieser Faktoren für einen dauerhaften Frieden.

Zivilisatorisches Hexagon

Zivilisatorisches Hexagon

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