Nukleare Abrüstung und Non-Proliferation

Viele der Hoffnungen auf eine friedliche, von Massenvernichtungswaffen freie Welt haben sich nicht erfüllt:

Bewaffnete Konflikte nehmen zu,

  • die Teilung der Welt in wenige reiche Industrienationen, einige Schwellenländer und viele arme Entwicklungsländer hat sich eher zugespitzt.
     
  • Durch die Globalisierung hat sich die Welt dynamisch verändert und ist unübersichtlicher geworden.

Regionale Probleme haben in einer zunehmend verflochtenen Welt immer häufiger globale Auswirkungen. Die Zahl der Akteure hat deutlich zugenommen und damit ist auch das Bedrohungspotenzial gewachsen.

  • Militante Durchsetzung von Interessen,
  • zunehmend international agierender Terrorismus,
  • ethnische und religiöse Konflikte sowie
  • die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägermittel

stellen heute globale sicherheitspolitische Probleme dar.

Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen

Unter Proliferation wird die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen sowie chemischen Massenvernichtungswaffen und den entsprechenden Trägermitteln verstanden.
Immer mehr Staaten sind heute potenziell in der Lage, Massenvernichtungswaffen mit ungeheuerer Vernichtungskraft und entsprechende Trägermittel zu produzieren. Politische und wirtschaftliche Interessen begünstigen diese Tendenz. Der Besitz von Atomwaffen sichert zudem einen exklusiven Status im Gefüge der internationalen Beziehungen. Die Gefahr, dass Massenvernichtungswaffen in den Besitz skrupelloser Regierungen oder terroristischer Gruppen gelangen, ist groß. Die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen verstärkt die potenziellen internationalen Sicherheitsrisiken und verschärft die Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen:

  • Nukleares Wettrüsten infolge der Proliferation erhöht die Kriegsgefahr.
     
  • Proliferation verstärkt die Möglichkeit für neue konventionelle Kriege.
     
  • Konventionelle Kriege können zu nuklearen Kriegen führen.
     
  • Es droht der Zerfall internationaler Normen und internationaler bzw. regionaler Ordnungssysteme.

Eindämmung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen durch völkerrechtliche Verträge

Verschiedene internationale Verträge regulieren und begrenzen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und den entsprechenden Trägermitteln:

  • Die nukleare Nichtverbreitungspolitik wird durch den Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty – NPT) von 1970 geregelt.
     
  • Die Verbreitung chemischer und biologischer Waffen soll durch multilaterale Abrüstungskonventionen gestoppt werden: Durch das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen von 1972 und durch das Übereinkommen zum Verbot des Besitzes und der Herstellung von Chemiewaffen von 1993.
     
  • Mit dem Trägertechnologie-Kontrollregime (Missile Technology Control Regime - MTCR) von 1987 haben sich bislang 20 Teilnehmerstaaten verpflichtet, keine fertigen Raketen oder Marschflugkörper mit einer Reichweite von über 300 km und einer Nutzlast von mehr als 500 kg zu exportieren.
     
  • Das Wassenaar-Abkommen von 1994 hat das Ziel, eine internationale Koordinierung von Exportkontrollen der so genannten Dual-use-Güter, also Produkten, die zu Rüstungszwecken und zu zivilen Zwecken genutzt werden können, sowie von Rüstungsgütern zu erreichen.

Das Fundament – der Atomwaffensperrvertrag

Der Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty – NPT) hat die Nichtweiterverbreitung (Non-Proliferation) von Atomwaffen zum Gegenstand. Er beschränkt den Besitz atomarer Waffen auf

  • die USA,
  • UdSSR/Russland,
  • Frankreich,
  • Großbritannien und
  • die Volksrepublik China

und legt fest, dass diese Atommächte kein atomwaffenfähiges Material an andere Staaten weitergeben dürfen. Diese fünf offiziellen Atommächte verpflichten sich im Atomwaffensperrvertrag auch, eine vollständige Abrüstung ihrer Atomwaffen unter internationaler Aufsicht vertraglich zu vereinbaren. Unterzeichnerstaaten, die keine Atomwaffen besitzen, sollen bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie unterstützt werden und verpflichten sich, in Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die den Bau von Atomwaffen verhindern sollen.

Der Atomwaffensperrvertrag wurde 1968 von den USA, der Sowjetunion und Großbritannien unterzeichnet und trat 1970 in Kraft. Der Vertrag war zunächst für 25 Jahre gültig. 1995 wurde er auf unbestimmte Zeit verlängert. Auf Druck einiger Nichtatomwaffenstaaten (New Agenda Coalition) wurden 2000 in New York 13 Schritte zur vollständigen nuklearen Abrüstung beschlossen. Die Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag 2005 in New York blieb aufgrund der Blockadehaltung der USA ergebnislos. Gegenwärtig haben 189 Staaten den Vertrag unterzeichnet, darunter seit 1992 auch die Volksrepublik China und Frankreich. 44 Staaten betreiben z. Z. Atomreaktoren. Zu den Staaten, die den Vertrag nicht unterzeichnet haben gehören:

  • Indien und Pakistan, die durch Atomtests ihre Fähigkeit zum nuklearen Erstschlag bewiesen haben,
     
  • Israel, das den Besitz von Atomwaffen bis jetzt weder bestätigt noch dementiert hat.
     
  • Nordkorea ist dem Atomwaffensperrvertrag 1985 beigetreten, hat aber Anfang 2003 seinen Austritt erklärt.

Der Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag bedeutet für die Unterzeichnerstaaten die Verpflichtung, sich in regelmäßigen Abständen den von der IAEA durchgeführten Kontrollen auf Einhaltung des Vertrags zu unterwerfen. Da diese Kontrollen aber angemeldet werden und sich zudem nur auf solche Anlagen richten, die die Vertragsstaaten freiwillig zur Kontrolle anbieten, ist die Aufdeckung eines Vertragsverstoßes mehr als fragwürdig. Um ein wirksameres Mittel der Überprüfung zu erhalten, hat die IAEA daher ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag verfasst, das den Inspektoren die Möglichkeit gibt, unangemeldete Kontrollen in beliebigen Anlagen durchzuführen. Dieses Protokoll haben mehr als 80 Länder unterzeichnet. Es ist allerdings erst von einem Teil der Unterzeichnerstaaten ratifiziert.

Die Atomwaffen der USA und Russlands

Die USA und Russland sind nach wie vor mit Abstand die größten Atommächte. Auf sie entfallen ca. 95 % der Atomwaffen. Die Atomwaffenarsenale beider Staaten wurden zwar im Vergleich zur Mitte der 1980er-Jahre halbiert, stellen aber weiterhin eine Zerstörungskapazität zur Vernichtung des Lebens auf der Erde dar. Das Agieren beider Staaten hat somit für die atomare Abrüstung eine Schlüsselfunktion. Bis zum Ende des Ost-West-Konflikts wurden im Bereich der strategischen Rüstungskontrolle folgende Abkommen zwischen den USA und der Sowjetunion geschlossen:

  • In SALT I (Strategic Arms Limitation Talks I) von 1972 wurden quantitative Höchstgrenzen für die strategischen Atomwaffen beider Seiten zunächst für fünf Jahre festgelegt. Der zweite Teil des Abkommens betrifft die Begrenzung der Raketenabwehrsysteme (Anti Ballistic Missile Treaty – ABM) auf jeweils ein System für jede Seite.
     
  • 1979 legte SALT II (Strategic Arms Limitation Talks II) qualitative Höchstgrenzen für die strategischen Atomwaffen der USA und der Sowjetunion fest. Beide Seiten hielten sich weitgehend an die Vertragsbestimmungen, formal-rechtlich ist SALT II aber aufgrund der nach 1979 abgekühlten sowjetisch-amerikanischen Beziehungen niemals in Kraft getreten.
     
  • 1988 trat der Vertrag über die Beseitigung von nuklearen Mittelstreckenwaffen (Intermediate Range Nuclear Force – INF) in Kraft. Erstmals wurden moderne Atomwaffen zerstört und neue Waffen dieses Typs verboten .
     
  • Nach 1990 wurden in den START I- und START II-Verhandlungen (Strategic Arms Reduction Talks) erstmals beträchtliche Abrüstungsschritte im Bereich der strategischen Atomwaffen festgelegt.
    START I (seit Dezember 1994 in Kraft) beschränkt die Entwicklung neuer Waffen, legt relativ umfassende Kontrollmechanismen fest und regelt die Übergabe der ehemals sowjetischen Atomwaffen durch die Ukraine, Kasachstan und Weißrussland an Russland und den Beitritt der drei erstgenannten Länder zum Atomwaffensperrvertrag.
    In den START II-Vereinbarungen (1996 von den USA, 2000 von Russland ratifiziert) wird die Beseitigung aller interkontinentalen Langstreckenraketen (Reichweite über 5000 km) mit Mehrfachsprengkopf und die Reduzierung strategischer Atomsprengköpfe jeder Seite auf 3000–3500 bis 2003 festgelegt. Mit diesem START II schufen die USA und Russland günstige Voraussetzungen für die 1995 beschlossene unbegrenzte Verlängerung des Atomwaffensperrvertrags. Die demontierten Sprengköpfe müssen aber nicht tatsächlich vernichtet werden, auch ihre Lagerung wird nicht begrenzt. Damit werden die Grenzen von START II sichtbar, eine latente Wiederaufrüstungsgefahr besteht und atomare Schwellenländer kritisieren die Doppelzüngigkeit der beiden atomaren Supermächte.
     
  • Am 8. April 2010 unterzeichneten BARACK OBAMA und DMITRI MEDWEDEW in Prag den bis 2020 gültigen New-START-Vertrag (START III) über Maßnahmen zur weiteren Reduzierung und Begrenzung der strategischen Angriffswaffen. Dieser sieht ab der Ratifizierung des Vertrages für die nächsten sieben Jahre eine Reduzierung der Anzahl der Sprengköpfe von 2200 auf je 1550 und die Anzahl der Trägersysteme von 1600 auf 800 vor.

Mittel und Methoden der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen

Grundsätzlich kann zwischen

  • Non-Proliferation (diplomatische, nichtmilitärische Bemühungen um Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen und der zugehörigen Trägermittel) und
     
  • Counter-Proliferation (defensives und offensives militärisches Vorgehen)

unterschieden werden. Zu den Mitteln der Non-Proliferation gehören:

  • vertrauensbildende Maßnahmen,
  • Exportkontrollen für Rüstungs- und Dual-use-Güter,
  • Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge.

Atomwaffen verleihen Staaten ein besonderes Gewicht in der internationalen Arena. Ein Atomwaffen besitzendes Land zwingt anderen Ländern – auch Atommächten – eine deutliche Zurückhaltung auf. Es ist nicht ratsam, ein solches Land in eine ausweglose Situation zu manövrieren; es könnte zu allem entschlossen sein.
Die Atommächte USA, aber auch Frankreich und Russland sind in der jüngsten Vergangenheit von ihrem Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen, auch gegen Nicht-Atomwaffen-Länder, abgerückt und entwickeln zielgenaue, relativ kleine, tief in die Erde eindringende Atomwaffen. Als Begründung werden die Bedrohung durch den Terrorismus und so genannte „Schurkenstaaten“ angeführt. Verbunden mit dem Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag sind so präventive Atomwaffeneinsätze denkbar und die tödliche atomare Gefahr für die Menschheit wächst wieder.

Nicht durch neue, modernere Atomwaffen der „alten“ und der „neuen“ Atommächte wird der Frieden sicherer, sondern nur durch eine strikte Kontrolle des Transfers atomarer Kapazitäten, effektiver noch durch die vollständige Vernichtung der bestehenden Atomwaffenbestände.

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