Global Governance als Mehr-Ebenen-Politik

Das Konzept Global Governance grenzt sich von der Idee einer zentralen Weltregierung oder eines hierarchischen Weltstaates ab. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein solches bürokratisches Gebilde weder über demokratische Legitimation verfügen würde, noch in der Lage wäre, die dringenden Probleme im Zeitalter der Globalisierung zu bewältigen. Global Governance ist an der von IMMANUEL KANT anvisierten

  • Weltföderation von freien Republiken mit
  • einem notwendigen Minimum an Zentralstaatlichkeit

orientiert.

Handlungsebenen und Akteure in der Global Governance-Architektur

Handlungsebenen und Akteure in der Global Governance-Architektur

Global Governance als Mehr-Ebenen-Politik

Das Global-Governance-Projekt hat verschiedene Dimensionen. Unter anderem verbinden sich nach dem Konzept der Global Governance die verschiedenen politischen Systeme und Ebenen zu einer subsidiären Mehr-Ebenen-Politik. Entsprechend dem Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages von 2002, „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“ (siehe PDF "Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“"), könnte ein solches Modell des verzahnten Regierens verschiedener Ebenen durch drei Elemente gekennzeichnet sein:

  1. Staaten, die von grenzüberschreitenden Problemen betroffen sind, entwickeln gemeinsam mit nichtstaatlichen Akteuren Vorschläge für internationale Regelungen. Diese beinhalten bestimmte Zielvorgaben, die von dafür legitimierten Staaten vereinbart werden, z. B. Rahmenrichtlinien.
     
  2. Nationale und subnationale politische Einheiten setzen diese Rahmenrichtlinien auf Grund ihrer Ressourcenhoheit um. Dabei behalten die Nationalstaaten nach wie vor das Gewaltmonopol und das Recht, Steuern zu erheben.
     
  3. Staatliche und nichtstaatliche Akteure wie Greenpeace und Amnesty International, die aufgrund ihrer Unbestechlichkeit und Autorität ohne staatliche Abhängigkeit in der Lage sind, Menschen zu mobilisieren, kontrollieren die Umsetzung der internationalen Richtlinien sowie die Einhaltung grundlegender Rechte.

Regieren findet zunehmend durch ein Zusammenspiel unterschiedlicher Entscheidungsebenen statt. Akteure auf unterschiedlichen Ebenen werden auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips in den Regierungsprozess einbezogen. Subsidiaritätsprinzip bedeutet Förderung von Eigenleistung und Selbstbestimmung. Staatliche Eingriffe sollen grundsätzlich nur unterstützend und nur dann erfolgen, wenn die jeweils tiefere Ebene nicht in der Lage ist, die erforderliche Leistung zu erbringen. Handeln der Regierung soll möglichst auf der Ebene erfolgen, die dafür wirklich geeignet ist.

Geht es beispielsweise um die Ausweisung eines Naturschutzgebietes in einem Bundesland, dann soll vor Ort darüber entschieden werden und nicht im Rahmen der EU oder einer internationalen Konferenz. Sollen dagegen internationale Finanzströme reguliert oder Ziele einer weltweit wirksamen Klimapolitik formuliert werden, reicht es nicht aus, sich nur auf nationaler Ebene damit zu befassen. Internationale Abstimmungen und Vereinbarungen werden unabdingbar. Ihre Umsetzung erfordert jedoch eine Vielzahl von Initiativen auf regionaler, nationaler und lokaler Ebene. Politikziele werden demnach oft jenseits von Nationalstaaten formuliert und legitimiert. Beschlossene Politik findet jedoch vor Ort statt, um eine effektive Umsetzung zu erreichen.

Mehr-Ebenen-Typologie im Bereich Umwelt

Grundsätzlich lassen sich drei Ebenen von Umweltproblemen unterscheiden:

  • Lokale Umweltprobleme, die national begrenzt sind, können prinzipiell im territorialen Rahmen gelöst werden (z. B. Schadstoffemissionen in Industriegebieten), Luftverschmutzung durch hohes Verkehrsaufkommen in städtischen Ballungsräumen oder Verseuchung eines Flusses durch örtliche Betriebe der chemischen Industrie).
     
  • Regionale Umweltprobleme mit grenzüberschreitendem Charakter zwischen zwei oder mehreren Staaten erfordern Vereinbarungen und Zusammenwirken zwischen den betroffenen Staaten (z. B. Verschmutzung grenzüberschreitender Flüsse oder Dürreperioden in Trockenzeiten).
     
  • Globale Umweltprobleme wie Klimaveränderungen erfordern die Kooperation auf internationaler Ebene (z. B. in Bezug auf die Erwärmung der Erde, den Treibhauseffekt, die Verschmutzung der Weltmeere oder den Verlust der genetischen Vielfalt durch Abholzung tropischer Regenwälder).

Lokale oder regionale Umweltprobleme können aber auch ein globales Ausmaß annehmen, wie beispielsweise die Dürrekatastrophen in der Sahelzone, die Produktionsausfälle, Hunger und Armut, soziale Spannungen und Unruhen sowie Migrationsbewegungen zur Folge hatten.
Um solche Probleme zu bewältigen, ist die Zusammenarbeit aller von den Problemen Betroffenen ebenso notwendig wie das Zusammenwirken aller politischen Entscheidungsebenen. Weltweit besteht aber gegenwärtig – aufgrund der schwindenden Bereitschaft führender Mächte der Welt – die Schwierigkeit darin, über multilaterale Mechanismen zu kooperieren und eine effektive Umsetzung notwendiger Aktionsprogramme für die Bewältigung von Umweltproblemen zu erreichen. Solange nicht alle Staaten bereit sind, sich auf gemeinsame Programme und Aktionen zu verständigen, ist es wichtig, dass Vorreiter auf eigene Initiative handeln und mit Gleichgesinnten versuchen, auf zentralen Feldern Fortschritte zu erreichen, z. B. bei der Reduzierung von Schadstoffemissionen. Im Bereich der Abrüstung ist es beispielsweise 1977 gegen den Widerstand der USA, der Sowjetunion und anderer Staaten gelungen, durch ein Bündnis abrüstungswilliger Staaten und durch starken öffentlichen Druck von NGOs, insbesondere der Internationalen Kampagne zur Ächtung der Landminen, die Ottawa-Konvention zum Verbot von Antipersonenminen (siehe PDF "Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung") zu verabschieden.

Offensichtlich wird, dass im Globalisierungsprozess Nationalstaaten zunehmend mit anderen Akteuren innerhalb und außerhalb der nationalen Grenzen zusammenwirken, um die anstehenden Probleme zu bewältigen. Politikwissenschaftler nennen das geteilte Souveränitäten“. Immer entscheidender wird dabei die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren von der globalen bis zur lokalen Ebene.

Staatliche und nichtstaatliche Akteure

Nationalstaaten und souveränitätsfreie Akteure, z. B. supranationale Mehrebenensysteme wie EU, NGOs, internationale Organisationen oder spezifische internationale Regime, müssen eng zusammenwirken, da dies dazu beiträgt, effektiver und legitimierter zu regieren. In den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess bringen Nationalstaaten ihre Autorität und materielle Ressourcen ein. Das für die erfolgreiche Umsetzung nötige Wissen vor Ort und andere nichtmaterielle Ressourcen fließt dagegen von souveränitätsfreien Akteuren ein. So konnte beispielsweise das Ozonregime die weltweite Produktion von FCKW durch Einbeziehung aller relevanten Akteure erfolgreich regeln.

Auch wirksame Menschenrechtspolitik ist erst durch das Zusammenwirken staatlicher und nichtstaatlicher Akteure möglich. Voraussetzung für effektive und legitime Problemlösung sind die internationalen und regionalen Menschenrechtskonventionen, die von nationalen Regierungen unterzeichnet und von nationalen Parlamenten ratifiziert wurden. Parallel dazu leistet die Überwachung der Menschenrechte durch NGOs wie Amnesty International einen wichtigen Beitrag zu ihrer schrittweisen Durchsetzung.

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