Max Horkheimer

Der am 14.  Februar 1895 in Zuffenhausen bei Stuttgart geborene MAX HORKHEIMER entstammte einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Familie. Sein Vater war der Besitzer einer Textilfabrik, in der MAX HORKHEIMER ab 1910 eine Handelslehre absolvierte, nachdem er das Gymnasium vorzeitig verlassen hatte. Nach der Beendigung des Ersten Weltkriegs, an dem HORKHEIMER 1917/18 als Soldat teilgenommen hatte, holte er das Abitur nach und studierte dann zwischen 1919 und 1922 Nationalökonomie, Psychologie und Philosophie in München, Freiburg i. B. und Frankfurt/M. Er promovierte 1922 bei HANS CORNELIUS mit einer Arbeit über IMMANUEL KANT und schloss Freundschaft mit FELIX WEIL und THEODOR W. ADORNO. Seine 1925 verfasste Habilitationsschrift beschäftigte sich ebenfalls mit KANTs Philosophie. Ein Jahr darauf wurde HORKHEIMER Privatdozent in Frankfurt und heiratete ROSA RIEKHER. 1930 erhielt er eine ordentliche Professur an der Universität Frankfurt.

Das „Institut für Sozialforschung“

Weg weisend für die weitere akademische Laufbahn MAX HORKHEIMERs und die Herausbildung der so genannten „Frankfurter Schule“ war seine Ernennung zum Direktor des „Instituts für Sozialforschung“ im Oktober 1930. Das Institut für Sozialforschung existierte bereits seit 1923. Es war auf Initiative des vermögenden Getreidegroßhändlers FELIX WEIL gegründet worden und widmete sich unter der Leitung des Marxisten CARL GRÜNBERG der marxistischen Gesellschaftsanalyse. Die Forschungsrichtung kommt auch deutlich im Titel der vom Institut herausgegebenen Zeitschrift – dem „Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung“ – zum Ausdruck.

Als HORKHEIMER nach dem Tod GRÜNBERGs mit der Leitung des Instituts betraut wurde, änderte sich der Forschungsschwerpunkt. Die marxistische Kritik an der kapitalistischen Industriegesellschaft, den darin vorfindlichen Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnissen, sollte mit den Methoden der empirischen Sozialforschung konkretisiert werden. Doch HORKHEIMER und seine Mitarbeiter – darunter HERBERT MARCUSE, ERICH FROMM, LEO LÖWENTHAL – sahen sich und ihre Arbeit durch das Aufkommen der Nationalsozialisten immer stärker bedroht. Während im Sommer 1932 unter Federführung von LEO LÖWENTHAL erstmals das neue Institutsorgan – die „Zeitschrift für Sozialforschung“ (ZfS) – erschien, suchte HORKHEIMER bereits nach einem Exil im Ausland, von wo aus der Institutsbetrieb fortgesetzt werden konnte. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verloren HORKHEIMER und andere jüdisch-stämmige bzw. sozialistisch eingestellte Universitätskräfte ihre Lehrbefugnis. Auch das Institut wurde aufgelöst. Seine Mitarbeiter mussten emigrieren.

HORKHEIMER übersiedelte zunächst nach Genf; ein Jahr darauf (1934) ging er nach New York, wo er das „Institut für Sozialforschung“ an der Columbia University neu aufbaute. Mehrere Studien zum Themenkomplex Autorität (in der Familie, bei Studentinnen) wurden in Angriff genommen. Mit seinem 1937 verfassten Aufsatz „Traditionelle und kritische Theorie“ lieferte HORKHEIMER den programmatischen Titel für die vom Institut verfolgte Forschungsrichtung. Außerdem gelang es ihm, neue Mitarbeiter zu gewinnen. 1938 schloss sich auch THEODOR W. ADORNO dem „Institut für Sozialforschung“ an. Zwischen 1940 und 1942 brachte das Institut als Fortsetzung der ZfS die „Studies in Philosophy and Social Sciences“ heraus. HORKHEIMER, der 1940 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, zog im selben Jahr nach Kalifornien. Zusammen mit ADORNO arbeitete er dort zwischen 1942 und 1944 an dem Buch „Dialektik der Aufklärung“.

Dialektik der Aufklärung

Die 1947 veröffentlichte Schrift „Dialektik der Aufklärung“ unternimmt eine radikale Kritik des aufklärerischen Vernunftideals. Angesichts des Holocausts wollen HORKHEIMER und ADORNO nachweisen, dass erstens die Aufklärung in Mythologie umgeschlagen und zum anderen der Mythos immer schon von Aufklärung durchdrungen sei. In der modernen Massenkultur sehen die beiden Autoren Produkte einer auf das Fortbestehen von Herrschaft gerichteten Kulturindustrie, durch welche jede emanzipative Tendenz zu wahrer Aufklärung im Keim erstickt werde.

Die eigentümliche Dialektik der Aufklärung bestehe darin, dass die Vernunft einerseits den Fortschritt auf eine humanere Welt ermöglichen könnte, sich aber andererseits als Rückschritt erweise, indem ihre dominante wissenschaftliche Form – der Positivismus – auf eine geradezu mythische naturwissenschaftliche Faktengläubigkeit zurückfalle.

Die theoretischen Grundlagen der „Dialektik der Aufklärung“ – wie auch der kritischen Theorie insgesamt – liefert die Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse. Vernunft und Denken erscheinen als Diener des Triebverzichts in den Mechanismus von gesellschaftlicher Herrschaft eingebettet. Als unreduzierbaren Kern dieser repressiven Vernunft versteht die kritische Theorie die der Vernunft immanente Tendenz, Ungleiches (nach dem Modell des Tausches) als identisch zu denken. Die kritische Theorie verzichtet entschieden auf das Ausmalen von konkreten Utopien, da sie hierin eine positive Bestimmung des prinzipiell Unbestimmbaren sieht. Den real existierenden Sozialismus attackiert sie als totalitären Vulgärmarxismus.

Rückkehr aus dem Exil

1949 kehrte HORKHEIMER nach Frankfurt zurück, wurde 1950 Direktor des wieder errichteten „Instituts für Sozialforschung“ und lehrte in Frankfurt und Chicago bis zu seiner Emeritierung 1960. Nach der Emeritierung zieht HORKHEIMER nach Montagnola bei Lugano. Die Stadt Frankfurt ernennt ihn zu ihrem Ehrenbürger. Seine Spätphilosophie, die er nur in Fragmenten veröffentlichte, ist von tiefer Skepsis gegenüber der Vernunft geprägt.

1967 gab ALFRED SCHMIDT unter dem Titel „Kritik der instrumentellen Vernunft“ ein aus Vorträgen und Aufsätzen HORKHEIMERs zusammengestelltes Buch heraus. Der Tenor dieser „Kritik“ ist äußerst pessimistisch, denn HORKHEIMER betont, dass unter der Vorherrschaft des technisch-zweckrationalen Denkens Mensch und Gesellschaft zusehends verkümmern. 1969 verstarb seine Frau ROSA RIEKHER. Erst ein Jahr darauf erschien die bereits 1937 verfasste Schrift „Traditionelle und kritische Theorie“. Am 7. Juli 1973 starb MAX HORKHEIMER in Nürnberg.

Werke (Auswahl)

  • Max Horkheimer Gesamtausgabe. Gesammelte Schriften in 19. Bd., hrsg. von ALFRED SCHMIDT u. a., Frankfurt am Main, 1985–1996
  • Zur Antinomie der teleologischen Urteilskraft. Dissertation, Frankfurt am Main, 1922
  • Über Kants Kritik der Urteilskraft als Bindeglied zwischen theoretischer und praktischer Philosophie. Habilitation, Frankfurt am Main 1925
  • Anfänge der bürgerlichen Geschichtsphilosophie, Stuttgart, 1930
  • Dämmerung. Notizen in Deutschland [unter d. Pseud.: HEINRICH REGIUS], Zürich, 1934
  • Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung, MAX HORKHEIMER/ERICH FROMM/HERBERT MARCUSE, Reprint der Ausg. Paris 1936, Lüneburg, 2001
  • Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. MAX HORKHEIMER und THEODOR W. ADORNO, Amsterdam, 1947
  • Autoritärer Staat. Die Juden und Europa [u. a.]. Aufsätze, 1939–1941. MAX HORKHEIMER, Amsterdam, 1967
  • Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. Aus den Vorträgen und Aufzeichnungen seit Kriegsende, hrsg. von ALFRED SCHMIDT, Frankfurt am Main, 1967
  • Traditionelle und kritische Theorie. Vier Aufsätze, Frankfurt am Main, 1970
  • Sozialphilosophische Studien, Aufsätze, Reden und Vorträge 1930–1972, mit einem Anhang über Universität und Studium, Frankfurt am Main, 1972

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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