Vernetzte Welt und digitale Spaltung

Zu den wesentlichen Merkmalen der Globalisierung gehören die Innovationen im Bereich der Mikroelektronik, der Telekommunikation sowie die Methoden zur Gewinnung, Übertragung und Speicherung von Informationen. Sie haben ermöglicht, ein weltweites globales Kommunikationsnetz zu schaffen, sodass nahezu jeder Punkt der Erde in oft nur Bruchteilen von Sekunden erreicht werden kann. Mithilfe von Internet und Satelliten lassen sich Informationen aller Art in Sekundenschnelle an jeden Ort der Welt übertragen.

Informationsrevolution

Die Verschmelzung von technologischen, wirtschaftlichen und politischen Zielstellungen hat eine hohe Eigendynamik erreicht und eine Informationsrevolution bewirkt. Sie basiert auf folgenden Säulen:

  • immer leistungsfähigere Rechner ermöglichen, immer größere Datenmengen zu verarbeiten,
  • der schnelle Ausbau weltweiter Kommunikationsnetze gestattet, Informationen zeitlich und räumlich ungehindert auszutauschen,
  • immer mehr Breitbandkanäle (insbesondere über Satelliten) ermöglichen, Bild und Ton fast überall in die Welt direkt zu übertragen.

Die Informationsrevolution ist zum einen dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen in die Lage versetzt werden, in einem noch nie da gewesenen Maß Informationen zu gewinnen, zu verarbeiten und weiterzuverbreiten. Monopole an Information werden überwunden und die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft, in Wirtschaft und Politik generell gestärkt. Zum anderen fördert der individuelle Zugang zu Informationen aller Art die Globalisierung in der Weise, dass jede einzelne Person sich über die nationalen Grenzen hinaus global betätigen kann.

Internet

Das Internet, dessen Anfänge in die 1950er-Jahre zurückreichen, ist zum Inbegriff des Globalisierungseffekts der Informationsrevolution geworden. Es ist ein übergreifendes Netzwerk von immer mehr nationalen und internationalen Netzwerken, die nach einem standardisierten Verfahren miteinander kommunizieren. Dazu gehören sowohl

  • die ständig über Standleitungen verbundenen Knotenrechner und Server als auch
  • die Computer der Internetnutzer, die zeitlich begrenzt und meist über Telefonleitungen verbunden sind.

Das Internet kann als eine Schlüsseltechnologie betrachtet werden. Ein großer Teil des menschlichen Wissens kann inzwischen über das Internet abgerufen werden. Die Kommunikation von Unternehmen wird zunehmend über das Internet gesteuert, verschiedene Geschäftsbereiche wurden revolutioniert oder neu erfunden (z. B. Online-Banking). Zunehmend werden auch private Dienstleistungen über das Internet abgewickelt, z. B. Flugbuchungen, Reservierungen von Hotels und Reisen.

Weltweit ist die Zahl der Nutzer des Internets seit 1991 (4 Mio.) auf mehr als das Einhundertfünfzigfache gestiegen. 2003 waren global über 650 Mio. Internetnutzer online. Zwischen den einzelnen Regionen der Welt werden jedoch große Unterschiede sichtbar. Während in Europa, Amerika und Australien/Ozeanien durchschnittlich zwischen 21 % und 33 % der Einwohner Zugang zum Internet haben, bleiben Asien und insbesondere Afrika deutlich hinter dem Weltdurchschnitt von 10 % zurück. Bei der PC- und Internet-Dichte zeigen sich ebenfalls Unterschiede zwischen den führenden Industrienationen.

In dem Maße, wie sich Kommunikation, wirtschaftliches Handeln sowie politische Willensbildung und -äußerung zunehmend in das Internet verlagern (Bild 3), ergibt sich die Frage nach einer gerechteren Teilnahme aller Staaten und Bevölkerungsschichten an den Möglichkeiten, die diese neuen Techniken eröffnen. Die immer stärkere Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) beeinflusst im Besonderen die Wirtschaft der Industrienationen. Die neuen Techniken bieten aber auch den Entwicklungsländern eine Chance, viele Standortnachteile aufzuheben. Zugleich besteht aber die Gefahr, dass diese Länder von den Fortschritten ausgeschlossen werden, sich wirtschaftlicher Rückstand weiter verfestigt und damit eine digitale Kluft zwischen den armen und den reichen Ländern entsteht bzw. sich weiter vertieft.

Digitale Spaltung

Die Vereinten Nationen beschäftigten sich vom 10. bis 12. Dezember 2003 erstmals mit der globalen Informationsgesellschaft im Rahmen eines UN-Gipfels. UN-Generalsekretär KOFI ANNAN rief zum Auftakt des Weltinformationsgipfels dazu auf, den „digitalen Graben“ zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu überwinden und eine gerechte weltweite Informationsgesellschaft zu schaffen.

Die digitale Spaltung ist die Teilung der Gesellschaft in diejenigen,

  • die Zugang zu Informationen und neuen Techniken haben, und in diejenigen,
  • die keinen Zugang dazu besitzen.

Der Begriff der digitalen Spaltung kennzeichnet darüber hinaus die extrem ungleiche Verteilung von IKT. Die Anzahl der Internet-Nutzer ist in vielen Industrieländern sehr hoch, z. B. in den skandinavischen Ländern, in den USA und Japan. Dagegen bleiben viele Länder Afrikas und Asiens zurück. Der gesamte afrikanische Kontinent verfügt mit seinen 760 Mio. Einwohnern über weniger Internetzugänge als die 400 000 Einwohner Luxemburgs.

Angesichts des weltweiten Strukturwandels hin zur Wissensgesellschaft kann die gegenwärtige digitale Spaltung auch eine künftige soziale Spaltung bedeuten. Je mehr gesellschaftlich relevante Informationen und Kommunikationen in elektronischen Netzwerken stattfinden, desto stärker wirken sich soziale Unterschiede im Zugang und Umgang mit den neuen IKT aus.

Wegen der Unschärfe bei der Kennzeichnung der digitalen Spaltung in den einzelnen Weltregionen, zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie innerhalb der jeweiligen Ländergruppen werden unterschiedliche Unterscheidungsmerkmale bei der digitalen Spaltung getroffen. Die Weltbank unterscheidet beispielsweise zwischen

  • Leadern, d. h. auf dem IT-Weltmarkt führenden Ländern wie USA, Kanada und Skandinavien;
  • Adoptern als jenen Ländern, die die digitale Lücke zu den Leadern in den nächsten zehn Jahren verringern können, z. B. Brasilien, Russland, Malaysia und
  • Latecomern, das sind jene Länder, in denen sich die digitale Lücke zu den Leadern in den nächsten zehn Jahren weiter vergrößern wird, z. B. Bolivien, China, Indien sowie der gesamte afrikanische Kontinent außer Südafrika.
Internetnutzer weltweit (2010)

Internetnutzer weltweit (2010)

Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) berechnet einen Digital Access Index (DAI) und ordnet die untersuchten Länder je nach Zugang zu IKT in vier Gruppen ein: Länder mit

  • hohem,
  • oberem,
  • mittlerem und
  • unterem Zugang.

Berücksichtigt werden dabei fünf Kriterien:

  • Infrastruktur,
  • Erschwinglichkeit des Zugangs,
  • Bildung,
  • Qualität der IT-Dienstleistungen und
  • Internet-Zugang.

Auf einer Skala von 0 bis 1 wird der jeweilige Zugangsgrad errechnet. Die Eins steht im Idealfall für den höchsten Zugang.
Von den 178 untersuchten Staaten belegten im Jahr 2002 Schweden, Dänemark und Island die ersten drei Plätze. Deutschland liegt mit einem Zugangswert von 0,74 auf dem 18. Platz und rangiert damit im Mittelfeld.

Die Ursachen für die digitale Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sind vor allem in folgendem begründet:

  • Viele Regionen der Welt, insbesondere Südasien und Afrika, verfügen nicht über die technischen Voraussetzungen für Telefon- und Internetanschlüsse. Es gibt keine flächendeckende Stromversorgung.
  • Viele Menschen können E-Mail und Internet nicht nutzen, weil der Alphabetisierungsgrad niedrig ist. Etwa 80 % der Netzinhalte sind in englischer Sprache. 70 % der Webseiten sind in den USA angesiedelt. Nur ca. 5–10 % sind nichtwestlichen Ursprungs.
  • Teilweise fehlt die entsprechende Fachkompetenz, da die Ausbildungssysteme in den Entwicklungsländern nicht auf die modernen Informations- und Kommunikationssysteme vorbereitet sind.
  • Die Zugriffschancen auf IKT innerhalb der Entwicklungsländer sind sehr ungleich verteilt. Sie konzentrieren sich vor allem auf städtische Regionen, auf besser qualifizierte und wohlhabende Bevölkerungsschichten sowie auf jüngere und männliche Einwohner.
  • Die Kosten für den Netzzugang sind für die Menschen in den Entwicklungsländern angesichts der niedrigen Kaufkraft der breiten Bevölkerung zu hoch.
  • Die vorhandene Infrastruktur ist sehr schwach entwickelt und meist einseitig auf die Industrieländer ausgerichtet, z. B. machen innerafrikanische Telefongespräche den Umweg über Paris, oder die meisten Satellitenverbindungen laufen über die USA.

Große Unterschiede im Zugang zu den modernen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zeigen sich auch hinsichtlich des Anteils der Geschlechter. Der ungleiche geschlechtsspezifische Zugang ist u. a. darauf zurückzuführen, dass in vielen Entwicklungsländern

  • die Alphabetisierungsrate von Frauen erheblich unter der von Männern liegt;
  • Frauen generell ärmer als Männer sind;
  • in den ländlichen Gebieten, in denen zirka 60 % der Frauen leben, oft die Ressourcen und die Infrastruktur fehlen;
  • kulturelle und soziale Faktoren eine Rolle spielen, z. B. Vorbehalte gegenüber der Nutzung öffentlicher Einrichtungen durch Frauen sowie der Beschäftigung von Frauen mit Technik.

Die globalen Veränderungen im Produktionsprozess aufgrund der neuen Techniken eröffnen aber auch günstigere Zugangsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen für Frauen. In Indien und Brasilien hat sich beispielsweise der Anteil von Frauen an hoch qualifizierter Beschäftigung im Bereich der Informationstechnologie stark erhöht. Die Mehrzahl der Frauen ist dabei jedoch in geringer qualifizierten Bereichen wie Dateneingabe und -verarbeitung beschäftigt.

Digitale Spaltung innerhalb der Industrieländer

Auch innerhalb der Industrieländer gibt es große Unterschiede in der Verbreitung und Anwendung der neuen IKT. Das hängt mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren zusammen. Hinzu kommen psychologische und intellektuelle Barrieren (z. B. Technikscheu, fehlendes Internet-Wissen, Sprachbarrieren) sowie Besorgnis um Datensicherheit und auch zu hohe Zugangskosten (Preise für Telefon und Anschaffung der Hardware).
Die Internetnutzung divergiert darüber hinaus nach soziodemographischen Parametern wie Alter, formaler Bildungsgrad, Berufstätigkeit und Einkommen. Unterschiede zeigen sich ebenfalls zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Geschlechtern.

Unabhängig von der starken Zunahme der Zahl der Internetnutzer und -nutzerinnen werden diese grundlegenden Trends auch in Deutschland sichtbar.

Chancen und Risiken des Internets

Den positiven Wirkungen des Internets hinsichtlich des grenzenlosen Austausches von Wissen und Informationen steht die digitale Spaltung gegenüber, die global eine Verschärfung des Wohlstandsgefälles zur Folge hat.

Maßnahmen zur Überwindung der digitalen Spaltung

Aus politischer Sicht kommt es darauf an, die Teilhabe aller Bevölkerungsschichten an den IKT zu ermöglichen, die weitere Vertiefung der digitalen Kluft zu verhindern und im internationalen Maßstab Chancengleichheit in den Entwicklungsländern zu ermöglichen.

Zur Überwindung der digitalen Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wurden verschiedene Programme und Maßnahmen entwickelt und auf den Weg gebracht. Dazu gehören beispielsweise Aktivitäten der G8-Staaten, der Weltbank, der WTO sowie im Rahmen von Organisationen der Vereinten Nationen.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die ITU (Internationale Fernmeldeunion), die sich u. a. mit Normen für die Verwaltung des Frequenzspektrums, mit Regulierungsfragen des Telekommunikationssektors und Abrechnungssätzen befasst. Das Amt für Telekommunikationsentwicklung der ITU bietet den der Organisation angehörenden Entwicklungsländern technische Hilfe an. Durch die ITU wurden auch die Vorbereitungen des UN-Weltinformationsgipfels von 2003 in Genf koordiniert. Im Zentrum des Treffens von über 10 000 Teilnehmern stand die Suche nach Lösungen, um die digitale Kluft zwischen armen und reichen Ländern zu überwinden. Mit einem Aktionsplan soll erreicht werden, dass bis 2015 mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung Zugang zu den modernen Informationstechnologien erhält.

Umfassende Teilhabe an den neuen Medien gehört auch zu den entscheidenden Zielen der europäischen IKT-Politik. Der europäische Aktionsplan „E-Europe – eine Informationsgesellschaft für alle“ des EU-Gipfels von 2000 in Lissabon ist ein strategisches Politikprogramm, um die Entwicklung eines „Europas der Innovation und des Wissens“ zu fördern und den Rückstand auf dem Gebiet der multimedialen Techniken zu den USA abzubauen.

Das Aktionsprogramm der deutschen Bundesregierung „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ zielt darauf, bisher unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen an das Internet heranzuführen. Zu der Vielzahl von Programmen und Maßnahmen gehören das Projekt „Schulen ans Netz“, das Ende 2001 realisiert wurde, sowie das Projekt „Frauen ans Netz“ mit dem Ziel, den Anteil von Frauen in IT-Bereichen weiter und nachhaltig zu erhöhen.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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