Stilllebenmalerei im Barock
Der Begriff Stillleben (zu niederländ. stilleven) wurde erstmals um 1650 in einem holländischen Bilderverzeichnis erwähnt. Vorrangig werden in diesem Genre unbelebte Objekte, Arrangements aus „toten Naturdingen“ ( frz.: nature morte) oder vom Menschen produzierte Dinge abgebildet. Dekorativ angeordnete Dinge mit meist besonderer Ästhetik werden dargestellt. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es verschiedene spezielle Typen der Bildgattung.
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Ludger Tom Ring D. J - © 2003 The Yorck Project
Typen von Stillleben
Seit dem 17. Jahrhundert gibt es verschiedene spezielle Typen der Bildgattung:
- Früchte-Stillleben,
- Blumen-Stillleben,
- Frühstücks-Stillleben,
- Fisch-Stillleben,
- Jagd-Stillleben,
- Küchen-Stillleben,
- Trophäen-Stillleben,
- Bücher-Stillleben,
- Raucher-Stillleben,
- Schatz-Stillleben.
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Rembrandt Harmensz van Rijn - © 2003 The Yorck Project
Im 16. und 17. Jahrhundert erhielt das Stillleben besondere Sinnaufladung im Vanitas-Stillleben oder in Darstellungen mit mehreren Sinnschichten. Oft muss der ästhetisch-visuelle Genuss des Betrachters als Ersatz für nie zu erreichende Güter herhalten, gelegentlich dominiert die Funktion des Erinnerungsbildes. Zunehmende Bedeutung erhielt das Stillleben in der italienischen Spät-Renaissance (15. Jh.). Es wurde dem neu erwachten Naturalismus und dem fast wissenschaftlichen Interesse an rein malerisch-gestalterischen Problemen gerecht, so an der Darstellung der unterschiedlichen Stofflichkeit von Glas, Metall, Fell, an perspektivischen Zerrungen, Spiegelungen. Für die Zeit immens wichtig war, die allegorischen und enblematischen Vorstellungen wirkungsvoll darstellen zu können.
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Ludger Tom Ring D. J - © 2003 The Yorck Project
Stillleben als eigenständige Bildgattung
Das Stillleben wurde im 16. Jahrhundert eine eigenständige Bildgattung, ein erster Höhepunkt sind die Stillleben CARAVAGGIOs (1573–1610). Schon das frühe Barockzeitalter wurde zur Blüte der Stilllebenkunst mit oft stark symbolhafter Prägung (Vanitasgedanke), es erhielt eine sinnbildliche Bedeutungsaufladung. Augenfällig bei der Darstellung sind die zerbrochenen Gläser, Uhren, Totenschädel, Insekten, Blumen und andere Pflanzen in verschiedenen Existenzformen oder Lebensstufen. Erinnern sollen sie an die Vergänglichkeit alles Irdischen, an Unmoral, Völlerei und fleischliche Genusssucht. Das Sillleben sollte mahnen.
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Georg Flegel - © 2003 The Yorck Project
Bildsprache
Stillleben verbargen damals religiös-moralische, sinnbildliche oder sogar mit Textverweisen angereicherte Inhalte hinter ihrer ästhetisch reizvollen Oberfläche. Diese Bildsprache (Sinnbilder aus Religion und Literatur) wurde von den Betrachtern verstanden, z.B. waren im Blumenstillleben
- die Scharlachlilie und drei Iris das Symbol für die Leiden CHRISTI,
- die weiße Lilie stand für die Reinheit der Jungfrau MARIA,
- Zitrusfrüchte, fremdartige Muscheln oder die Tulpe galten als exotisch-asiatische Blüte und drückten das Interesse an der Ferne oder an ein Spekulationsobjekt aus,
- der Gegensatz Hering – Käse stand dem Gegensatzpaar Fasten und bescheidener Lebensführung einerseits und maßlos-unmoralischer Völlerei und fleischlicher Lust andererseits gegenüber,
- Fische waren ein Christussymbol,
- umgestürzte oder zerstörte Gedeckteile oder Insekten und Kleintiere an Lebensmitteln standen für Vergänglichkeit des Lebens oder des schönen Luxus, die Fragwürdigkeit irdischer Genüsse,
- die Zitrone war Zeichen des äußerlich Schönen , dessen Inneres sauer ist.
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Floris Claesz van Dyck - © 2003 The Yorck Project
Niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts
Die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts brachte eine Motiv-Spezialisierung der Werkstätten und Einzelkünstler hervor:
- Blumenstück: JAN BRUEGEL d.Ä. (1568–1625),
- Früchtestillleben,
- Frühstücksbild: GEORG FLEGEL (1566–1638) und WILHELM KALF (1619–1693),
- Jagdstück .
Es gab sogar Stilllebendetails in der Genre- und Bildnismalerei, wie etwa bei REMBRANDT (1606–1669) und RUBENS (1577–1640) in Flandern.
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Hendriksz van Beyeren - © 2003 The Yorck Project
Zu den verschlüsselten Botschaften kamen nun unmittelbar erzählende Bildaussagen. So zeigen Markt- und Küchenstücke das reiche Angebot einer ertragreichen Landwirtschaft. Sie sind Zeugnisse bürgerlichen Wohlstandes, sie zeigen Qualität und Quantität der abgebildeten Waren und dokumentieren sicheres materielles Vermögen.
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Jean-Baptiste Siméon Chardin - © 2003 The Yorck Project
Die Verfeinerung der Lebensweise zeigt sich in Delikatessen-Stillleben mit Konfekt, Hummern, Marzipan und Südfrüchten. Nun rückt das Stillleben endgültig aus dem „monochromen banketje“ (gleichfarbige Anordnung), wie bei WILLEM CLAESZ. HEDA (1594–1680/82) und erhält farbige Effekte und spannungsvollere Kompositionen (barocke Dynamik). Der faszinierende Glanz der Bilder unterhöhlt immer mehr moralische Appelle.
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Willem Claesz. Heda - © 2003 The Yorck Project
Die französische Malerei (JEAN-BAPTISTE-SIMEON CHARDIN, 1699–1779, Klassizismus) stellt das Zusammenspiel von Farb- und Formwerten der betont schlichten Gegenstände in den Vordergrund, im Gegensatz zu dekorativem Überfluss und dynamischer Komposition barocker Repräsentations-Stillleben.
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Willem Kalf - © 2003 The Yorck Project
Im 18. und 19. Jahrhundert sank die Bedeutung des Stilllebens in die Drittklassigkeit, Porträt- und Historienmalerei sowie Landschaften (Romantik und Realismus) dominierten.
Erst die Impressionisten, die Nach-Impressionisten und die Expressionisten schenkten dem Stillleben wieder mehr Aufmerksamkeit. Berühmt wurden VINCENT VAN GOGHs Sonnenblumen. Auch seine anderen Stillleben frappieren mitunter durch die VAN GOGH eigene Behandlung der Perspektive.
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Vincent van Gogh - © 2003 The Yorck Project