Die Aufklärung – Der Beginn der Neuzeit

WILLIAM HARVEY (1578–1657) gelang 1628 die Entdeckung des Blutkreislaufes, indem er GALILEIs Mechanik zur Bestimmung der Herzleistung nutzte. Solche Erfolge der exakten Naturwissenschaften waren Grundlage einer philosophisch-gesellschaftlichen Bewegung, die in England als „enlightment“ begann und sich dann schnell auf das übrige Europa ausbreitete.

Mithilfe der Vernunft sollten sich die Menschen „aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit befreien können“ (IMMANUEL KANT 1724–1804). Die Erfolge führten allerdings auch zu Überschätzungen der physikalischen Erklärungsmöglichkeiten.

RENÉ DESCARTES (1596–1650) erklärte die Tiere zu bloßen Automaten bzw. Maschinen, die alleine physikalischen Gesetzmäßigkeiten gehorchten. Diese mechanistische Auffassung der Lebewesen erreichte mit der Veröffentlichung „L'homme machine“ (Die Maschine Mensch) von JULIEN OFFRAY DE LA METTRIE (1709–1751) 1749 einen Höhepunkt. Da sich jedoch schnell zeigte, dass viele Phänomene des Lebens sich solch einfachen Erklärungsversuchen entzogen, entstand eine Gegenbewegung, die auch als „Vitalismus“ bezeichnet wird. Der Streit zwischen Vitalisten und Mechanisten dauerte das ganze 18. und 19. Jahrhundert an. Die in der Aufklärung entwickelte naturwissenschaftliche Forschungsmethode, die auf Hypothesenbildung, Experimenten, exakten Messungen und logischen Schlussfolgerungen beruht, war die Voraussetzung für die großen Erkenntnisfortschritte der Naturwissenschaften und ihren technischen Anwendungen.

Die nebenstehende Grafik fasst die Erkenntnisgewinnung in der Biologie zusammen.

Erkenntnisgewinn in der Biologie

Erkenntnisgewinn in der Biologie

Schon im 16. Jh. wurden in Holland die ersten Mikroskope erfunden. ROBERT HOOKE (1635–1703) fertigte hervorragende mikroskopische Zeichnungen verschiedenster biologischer Objekte an und veröffentlichte sie in seiner großen aufsehenerregenden Micrographia (1665–1667). ANTONY VAN LEEUWENHOEK (1632–1723), ein Leinenhändler aus Delft, eignete sich autodidaktisch den geschickten Umgang mit höchst leistungsfähigen einlinsigen Mikroskopen an. Er beobachtete als Erster Bakterien im Zahnbelag und Samenzellen im menschlichen Sperma.

Daten zur Entwicklung von Naturwissenschaften und Biologie während der Aufklärung

1578–1657

WILLIAM HARVEY (1578–1657) veröffentlicht die „Lehre vom großen Blutkreislauf“ („Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus“).

1596–1650

Der französische Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler RENÉ DESCARTES (1596–1650) – latinisiert RENATUS CARTESIUS – vertritt eine mechanistische Erklärung der Lebewesen einschließlich des Menschen. In seinem erst posthum 1662 veröffentlichten Werk „Traité de l’homme“ (Tractatus de homine) beschreibt DESCARTES das Wirkungsgefüge des menschlichen Körpers nach Art einer Maschine, die allerdings von Gott erschaffen wurde. Demgemäß teilt er den Menschen in einen mechanisch funktionierenden Organismus und eine Seele ein (Cartesianischer Dualismus).

1628–1694

MARCELLO MALPIGHI (1628–1694) wird durch die systematischen mikroskopischen Untersuchungen an der Leber, der Milz, der Lunge, der Großhirnrinde, der Niere, der Lymphknoten und anderer Organe berühmt. 1661 entdeckt er die Kapillargefäße der Froschlunge und bestätigt damit die Lehre WILLIAM HARVEYs vom Blutkreislauf. 1669 erscheint seine berühmte Monografie über den Seidenspinner. Er entdeckt die Exkretionsorgane der Insekten die nach ihm „Malpighische Gefäße“ genannt werden.

1635–1703

ROBERT HOOKE (1635–1703) veröffentlicht 1665 sein bahnbrechendes Werk „Micrographia“, das viele zum Teil großformatige mikroskopische Abbildungen enthält. Einer seiner zahlreichen Verdienste ist die Optimierung der Mikroskop-Beleuchtung mithilfe einer wassergefüllten Kugel (Schusterkugel), die vor einer Öllampe angebracht wird. Auf HOOKE geht außerdem der Begriff „Zelle“ (cellula) zurück, mit dem er die von ihm entdeckten Zellen im Flaschenkork benennt.

1626–1698

Der italienische Arzt FRANCESCO REDI (1626–1698) beweist experimentell, dass Insekten aus Eiern und nicht durch Urzeugung aus faulenden Stoffen entstehen. Dazu verteilt er Fleischreste auf 8 Flaschen, von denen er 4 verschließt und die restlichen offen lässt. Nur in den offenen Flaschen bilden sich Maden. Aus diesen Beobachtungen geht klar hervor, dass die Maden nicht aus dem faulenden Fleisch allein entstehen können.

1638–1686

Der dänische Anatom NIKOLAUS STENO (1638–1686) bezeichnet Fossilien als Reste ehemals lebender Organismen und widerspricht der damals verbreiteten Auffassung, dass es sich um reine „Spiele der Natur“ handele.

1641–1712

Der englische Arzt und Botaniker NEHEMIAH GREW (1641–1712) untersucht v. a. die Fortpflanzungsorgane von Pflanzen unter dem Mikroskop und veröffentlichte 1671 seine „Anfänge einer pflanzlichen Anatomie“, die auch Ergebnisse pflanzenphysiologischer Versuche enthält.
Fast gleichzeitig veröffentlicht auch MARCELLO MALPIGHI eine Anatomie der Pflanzen auf der Basis mikroskopischer Untersuchungen.

1641–1673

Der holländische Anatom REGNIER DE GRAAF (1641–1673) entdeckt 1672 bei der Untersuchung tierischer Fortpflanzungsorgane die später nach ihm benannten „graafschen Follikel“, hält sie aber für Eier.

1632–1723

Der Holländer ANTONY VAN LEEUWENHOEK (1632–1723) berichtet 1673 der Royal Society in London über seine weitgefächerten mikroskopischen Beobachtungen. Sie reichen von Schimmelpilzen, Blut, Bakterien im Zahnbelag, Spermazellen über Vogelfedern und Fischschuppen bis zur Querstreifung der Muskelfasern. Er entdeckt dabei unter anderem die Erythrocyten, die Spermien, einzellige Lebewesen und die Fotorezeptoren der Retina.

1608–1679

Das Werk „De motu animalium“ des italienischen Mathematikers, Naturkundlers und Astronomen GIOVANNI ALPHONSO BORELLI (1608–1679) erscheint 1680 kurz nach dessen Tod. Es enthält zahlreiche Angaben über die physikalische Mechanik der Bewegung bei Tieren, denen BORELLI exakte Messungen und Berechnungen zugrunde legt.

1628–1705

In der 1686–1704 veröffentlichten, dreibändigen „Historia plantarum“ des englischen Naturforschers JOHN RAY (1628–1705) werden erstmalig monokotyle (einkeimblättrige) und dikotyle (zweikeimblättrige) Pflanzen unterschieden. Insgesamt beschreibt er darin 1 864 Arten und unternimmt einen ersten Versuch, diese Arten in einem System zu gruppieren.

1665–1721

Der deutsche Botaniker RUDOLF JAKOB CAMERARIUS (1665–1721) weist um 1694 am Bingelkraut (Mercurialis perennis) und am Spinat, später auch am Wunderbaum (Ricinus) und am Mais, die Sexualität der Pflanzen nach.

1656–1708

Der französische Botaniker JOSEPH PITTON DE TOURNEFORT (1656–1708) veröffentlichte 1694 ein Pflanzensystem, welches bis zu LINNÉs System überwiegend benutzt wird.

1651–1708

Der englische Arzt EDWARD TYSON (1651–1708) veröffentlicht 1699 eine anatomische Studie über Orang-Utans: „Orang- Outang; sive homo sylvestris“ oder „The anatomy of a pygmie compared with that of a monkey, an ape, and a man“ . In Wirklichkeit handelt es sich bei dem von ihm untersuchten Tier um einen jungen Schimpansen. Er entdeckt bei der Sektion 48 Gemeinsamkeiten und nur 34 Unterschiede zwischen Affen und Menschen und leitet daraus eine enge Verwandtschaft ab.

1683–1757

Der französische Physiker und Zoologe RENÉ ANTOINE FERCHAULT COMTE DE RÉAUMUR (1683–1757) ist kein Enzyklopädist, sondern ein Experimentator. Er untersucht vor allem verschiedene Insekten (Ameisen, Bienen), außerdem beschäftigt er sich mit Stoffwechselphysiologie. Mit der Entwicklung des Alkohol-Thermometers führt er eine Temperaturskala (Grad Réaumur) ein, die nach ihm benannt ist. Erst 1901 wurde die amtliche Temperaturmessung von Grad Réaumur auf Grad Celsius umgestellt.

1707–1788

Der französische Naturforscher GEORGE-LOUIS LECLERC COMTE DE BUFFON (1707–1788) verfasst die umfangreichste Naturenzyklopädie seiner Zeit, die 44-bändige Histoire naturelle. 36 Bände erscheinen bis zu seinem Tod. BERNARD COMTE DE CACÉPÈDE veröffentlicht danach weitere 8 Bände.
Die „Naturgeschichte" BUFFONs ist ein umfassender Versuch, gedankliche Ordnung und Systematisierung in die Vielfalt der Naturerscheinungen und insbesondere der Pflanzen und Tiere zu bringen. Auch wenn viele Beschreibungen nicht den Anforderungen an eine naturwissenschaftlich exakte Darstellung gerecht werden, äußert BUFFON in dem Werk Ansichten, die im Ansatz eine Vorstellung des Evolutionsgedankens erkennen lassen: „ ... Die Arten, wie wir sie heute finden, lassen sich auf eine recht kleine Anzahl von Familien oder Stämmen zurückleiten, aus denen möglicherweise alle anderen hervorgegangen sein können“.

1731–1802

Der britischer Dichter, Wissenschaftler und Arzt ERASMUS DARWIN (1731–1802) veröffentlicht 1794 bis 1796 sein Werk „Zoonomia“, oder „The Laws of Organic Life“, worin zahlreiche Ideen zur stammesgeschichtlichen Entwicklung der Organismen formuliert sind, die später sein Enkel CHARLES DARWIN wieder aufgriff. ERASMUS DARWIN gründet 1765 in Birmingham die Lunar Society („Mond-Gesellschaft“, da sie jeden Monat bei Vollmond zusammentraf), in welcher die klügsten Köpfe Großbritanniens zusammenkamen, bestehend aus Dichtern, Theologen, Erfindern, Ärzten, Schriftstellern, Physikern, Chemikern sowie den neu auf den Plan getretenen Industriellen. Zu den Mitgliedern zählen z. B. SAMUEL JOHN GALTON, JOSEPH PRIESTLEY, JONATHAN STOKES, JAMES WATT und JOSIAH WEDGWOOD. Die Mitglieder tauschten Forschungsergebnisse und Theorien bzw. Hypothesen aus, dadurch gewann die Gesellschaft großen Einfluss auf das Geistesleben in dem zur Weltmacht aufgestiegenen Großbritannien. BENJAMIN FRANKLIN besucht die Vereinigung mehrfach.

1729–1799

LAZZARO SPALLANZANI (1729–1799) veröffentlicht 1780 sein berühmtes Werk „Dissertazioni di fisica animale e vegetale“ (Abhandlungen über die tierische und pflanzliche Physiologie). Darin wird nachgewiesen, dass der Verdauungsvorgang kein rein mechanischer Prozess zur Zerkleinerung, sondern ein chemischer ist, bei dem Stoffe umgewandelt werden, und dass dafür hauptsächlich der Magensaft verantwortlich ist. SPALLANZANI ist ein sehr vielseitiger Naturforscher, der sich auch mit Befruchtungsvorgängen und mit der Regenerationsfähigkeit von Salamanderlarven beschäftigt. Außerdem gilt er als Pionier der Fledermausforschung.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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