Vito Volterra

Werdegang

VITO VOLTERRA wurde am 3. Mai 1860 im italienischen Ancona an der Adriaküste, 210 Kilometer entfernt von Rom, geboren. Bereits zwei Jahre später starb sein Vater. Schon als 13-Jähriger befasste er sich mit dem Dreikörperproblem. Obwohl er aus sehr ärmlichen Verhältnissen stammte, studierte er in Pisa Physik und schrieb seine Promotion über Hydrodynamik.

Schon mit 23 Jahren (1883) erhielt er eine Professur für Mechanik in Pisa. Als sein Lehrer ENRICO BETTI (1823-1892) starb, erhielt er dort dessen Lehrstuhl für mathematische Physik. Der Lehrstuhl für Mechanik in Turin wurde ihm 1892 angeboten und acht Jahre später erhielt er den Lehrstuhl für Mechanik in Rom.

Sein Können und sein Fachwissen brachten ihm im Jahre 1905 einen Sitz im Senat ein, wo er als Abgeordneter agierte. Seine hydrodynamischen Kenntnisse machte sich der italienische Staat im Ersten Weltkrieg zu nutze: VOLTERRA arbeitete für die Armee, indem er u.a. bei der Entwicklung von Luftschiffen mitwirkte. So vergrößerte seine Idee, unbrennbares Helium statt Wasserstoff als Trägergas zu verwenden, die Sicherheit in der Luftschifffahrt.

Doch VOLTERRA wollte nicht länger Soldat sein. Ab dem Jahr 1922 ging er in die Opposition, engagierte sich gegen die Faschisten. Als er dann auch noch im Jahr 1931 den Treue-Eid auf das faschistische Regime von BENITO MUSSOLINI verweigerte, musste er die Universität verlassen. Er verließ Italien, lebte vor allem in Spanien und Frankreich. Die ihm im Jahr 1938 angebotene Honorarstelle der Universität St. Andrews durfte er aus gesundheitlichen Gründen nicht annehmen: Sein Arzt verbot ihm die Reise nach Schottland. VOLTERRA kehrte erst kurz vor seinem Tod nach Italien zurück, wo er am 11. Oktober 1940 in Rom starb.

Wissenschaftliche Leistungen

VOLTERRAs größter Erfolg für die Verhaltensökologie sind die drei VOLTERRA-Regeln (1926). Mit ihrer Hilfe können Populationsdynamiken in Räuber-Beute-Beziehungen quantitativ beschrieben werden. Seine Regeln sind anwendbar bei periodischen Schwankungen innerhalb der Population, bei konstanten Mittelwerten einer Population wie auch bei unterschiedlichem Wachstum der Beutepopulation.

Allerdings gilt die Einschränkung, dass die Regeln nur dann angewendet werden können, wenn es sich um die Beziehung von lediglich zwei Arten handelt. Darüber hinaus können sie zur groben Abschätzung bei komplexeren Nahrungsabhängigkeiten herangezogen werden.

Erste VOLTERRA-Regel

Die Zahlen der einzelnen Individuen (Räuber als auch Beute) schwanken periodisch und zeitlich versetzt, wenn konstante Bedingungen vorherrschen. VOLTERRA fand heraus, dass die einzelnen Populationskurven Wellen mit zeitlich versetzten Maximalwerten bilden. D. h., erst erreicht die Beutepopulation ihr Maximum, dann die Räuberpopulation. Grund: Gibt es viele Beutetiere oder -pflanzen, verfügen die Räuber über mehr Nahrung und damit haben sie größere Chancen sich zu vermehren. Und weil der Nachwuchs der Räuber einige Zeit benötigt um heranzuwachsen, erreichen die Räuber erst deutlich später ihr Populationsmaximum. Allerdings verringert sich bei stetig wachsender Räuberanzahl stetig die Beute. Das wiederum bedeutet aber auch, dass die Anzahl der Beutepopulation so lange sinkt, bis die Räuber immer weniger Erfolg haben. Also verringert sich aufgrund des Nahrungsmangels die Räuberpopulation. Das wiederum ermöglicht der Beutepopulation sich zu erholen und zu wachsen.

Als Beispiel gelten die Fangaufzeichnungen der HUDSON BAY COMPANY, die über 90 Jahre lang geführt wurden: Der Eingang der Felle von Luchsen (Räuber) und der von Schneehasen schwankten mit einer Periode von 6,9 Jahren.

Daraus ergeben sich folgende Differenzialgleichungen:

a) zeitliche Veränderungen der Räuberpopulation
Formel : dx dt = Zx • x • y - Ax • x
x : Zahl der Räuber
y : Zahl der Beutetiere
x • y : Kontakthäufigkeit der beiden Arten
Zx : Geburtenrate der Räuber
Zx • x • y : Zuwachs der Räuber
Ax : Sterberate der Räuber
Ax • x : Abnahme der Räuber
b) zeitliche Veränderungen der Beutepopulation
Formel : dy dt = Zy • y - Ay • x • y
Zy : Geburtenrate der Beute
Zy • y : Zuwachs der Beute
Ay : Sterberate der Beute
Ay • x • y : Abnahme der Beute

Ganz deutlich zu erkennen ist hier, dass sich beide gegenseitig beeinflussen (Parameter x und y). Der Zuwachs der Räuber hängt also sowohl von der generellen Geburtenrate ab, als auch von der Wahrscheinlichkeit, mit der Räuber ein Beutetier erwischen/fressen. Ebenso hängt die Abnahme der Beutepopulation nicht nur von der allgemeinen Sterberate ab, sondern von der Häufigkeit, mit der sie in Kontakt mit Räubern kommen (gefressen werden).

Zweite VOLTERRA-Regel

Sind die Umweltbedingungen (Wasserversorgung, Nahrung …) stabil, bleibt in der Räuber-Beute-Beziehung die durchschnittliche Größe der Räuber- wie auch der Beutepopulation über einen längeren Zeitraum konstant. Das ergibt sich mathematisch aus den grundlegenden Differenzialgleichungen (vgl. Erste VOLTERRA-Regel).
Theoretisch und grundsätzlich gilt die zweite VOLTERRA-Regel unabhängig von den Anfangsgrößen der Population. In der Natur müssen jedoch die Anfangsgrößen sowie das Gebiet so groß sein, dass genügend Beutetiere ausreichende Möglichkeiten haben, um sich zu verstecken. Und sie müssen die Möglichkeit haben, sich ausreichend zu vermehren, auch wenn vergleichsweise viele Räuber im Gebiet jagen.

Dritte VOLTERRA-Regel

Diese Regel sagt aus, dass sich die Beute zuerst erholt, wenn sowohl Räuber als auch Beute in ihrer Population gestört werden.
Denn erst, wenn genügend Beute als Nahrung für die Räuber vorhanden ist, können die Räuber optimalen Nachwuchs großziehen. Verstärkend kommt hinzu, dass die Generationszeit von Räubern meist länger ist als die der Beutetiere.

Die dritte Regel und ihre Grundlagen müssen besonders bei der Schädlingsbekämpfung berücksichtigt werden. Beispielsweise bewirken Insektizide, die nicht nur speziell gegen eine Art wirken, dass nicht nur die Schädlinge, sondern auch deren Räuber getötet werden. Das kann die Folge haben, dass der Schaden nach dem Einsatz von Insektiziden größer ist als der durch die Schädlinge.

Gifte wie DDT, die in Wirbeltieren akkumuliert werden, wirken sich daher besonders fatal aus.

Darüber hinaus sind auch die Insektizide problematisch, die nicht direkt giftig wirken, sondern z. B. die Häutung stören. So können die vielfach als ökologisch verträglicheren Mittel mit Juvenil- oder auch Ecdysteroid-Hormonen großen Schaden anrichten: Laufkäfer, Raubwanzen und andere Raubinsekten werden ebenso geschädigt wie Pflanzenfresser (Kühe, Schafe …). Und aufgrund der dritten VOLTERRA-Regel schädigen sie längerfristig das biologische Gleichgewicht und auch die natürliche Schädlingskontrolle durch natürliche (Fress-)Feinde.

VOLTERRA-Regeln: Diagramm zur 1., 2. und 3.Regel

VOLTERRA-Regeln: Diagramm zur 1., 2. und 3.Regel

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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