Allegorie

Eine Allegorie (von griech. αλληγορέω = etwas anders ausdrücken) ist ein Stilmittel der Rhetorik. Hier ist sie unter die Tropen (Sg.: Tropus, von griech. τροπή „Wendung“) einzuordnen.

Eine Nationalallegorie (nationale Personifikation) in Form einer Frau ist z.B. die Germania. Für die deutschen Landschaften und Städte sind weitere Allegorien bekannt:

  • Bavaria für Bayern,
  • Saxonia für Sachsen,
  • Borussia für Preußen,
  • Brunonia für Braunschweig,
  • Berolina für Berlin.

Auch andere Nationen haben Nationalallegorien in Form von Frauenfiguren:

  • Frankreich: Marianne,
  • Österreich: Austria,
  • Schweiz: Helvetia,
  • Finnland: Suomi-neito.

Eine aus der griechischen Mythologie entlehnte Figur ist die Europa für den Kontinent Europa.

Des weiteren können Tiere eine Nation symbolisieren:

  • der russische Bär,
  • der britische Löwe,
  • der gallische Hahn.

Auch karikierende Figuren stehen mitunter für die Nation, wie der Deutsche Michel. In dieses Feld gehört auch Uncle Sam für die USA.

Allegorien können Moralvorstellungen oder Tugenden personifizieren (Mut, Stärke, Tapferkeit, Fleiß, Geduld, Weisheit, Eintracht...) oder aber ihr Gegenteil (Feigheit, Dummheit, Ungeduld, Faulheit, Schwäche, Zwietracht...).

Christliche Tugenden sind oft mit einem Attribut versehen:

  • Glaube (fides): brennendes Herz, Kelch, Krone, Kreuz ...
  • Liebe (caritas): brennendes Herz, Lamm (steht für Lamm Gottes), Kinder, Schale (Gral?), Pelikan ...
  • Hoffnung (spes): Pilgerstab, Anker, Fahne mit christlichem Kreuz ...

Allegorien von Adler, Lamm und Pfau

Der Adler steht für die Auferstehung, symbolisiert die Kardinaltugend der Besonnenheit, ist Sinnbild des Sieges, der Allwissenheit. Des weiteren ist der Adler Attribut für Propheten und Heilige.
Der Pfau steht neben anderem für eine der sieben Todsünden, den Hochmut (superbia), wie im übrigen auch der Adler für den Hochmut stehen kann. Der Pfau steht neben dem Phönix jedoch auch für die Auferstehung.
Das Lamm steht für

  • Liebe (caritas),
  • Geduld (patientia) oder
  • Sanftmut (mansuetudo): aber auch
  • für das Lamm Gottes: Jesus Chrustus,

ein Lamm im Feuer soll zu Mäßigkeit, Besonnenheit (temperantia) mahnen.

Hugo von Hofmannsthal
Lebenslied

Den Erben lass verschwenden
An Adler, Lamm und Pfau
Das Salböl aus den Händen
Der todten alten Frau!
Die Todten, die entgleiten,
Die Wipfel in dem Weiten,
Ihm sind sie wie das Schreiten
Der Tänzerinnen werth!

Er geht, wie den kein Walten
Vom Rücken her bedroht.
Er lächelt, wenn die Falten
Des Lebens flüstern: Tod!
Ihm bietet jede Stelle
Geheimnissvoll die Schwelle,
Es gibt sich jeder Welle
Der Heimatlose hin!

Der Schwarm von wilden Bienen
Nimmt seine Seele mit,
Das Singen von Delphinen
Beflügelt seinen Schritt:
Ihn tragen alle Erden
Mit mächtigen Geberden,
Der Flüsse Dunkelwerden
Begrenzt den Hirtentag!

Das Salböl aus den Händen
Der todten alten Frau
Lass lächelnd ihn verschwenden
An Adler, Lamm und Pfau:
Er lächelt der Gefährten, -
Die schwebend unbeschwerten
Abgründe und die Gärten
Des Lebens tragen ihn!

(Hofmannsthal, Hugo von: Gesammelte Werke. Erste Reihe in drei Bänden, Band 1, Berlin: S. Fischer, 1924, S. 7-8.)

In der Reihung Adler, Lamm und Pfau stehen diese Allegorien im Gedicht HUGO VON HOFMANNSTHALs alle für die Auferstehung. Dafür sprechen auch weitere Allegorien: ein Schwarm von wilden Bienen symbolisiert die Hoffnung (spes), der Delfin ist ein Symbol Christi.

Das bekannteste Attribut einer Kardinaltugend ist die Waage für die Gerechtigkeit (iustitia).

KURT TUCHOLSKY
Zu einigen dieser Prozesse

Auf Universitäten forsch gesoffen,
in Kaiser-Fackelzügen mitgeloffen,
so wuchs das auf zum Referendar.
Hinaus aufs Land, wo brave Bauern wohnen.
Und auf den ersten Amtsgerichtsstationen
krümmt sich, was nie ein Recke war.
Sie können alle Paragraphen nennen
und lernen Menschen nur aus Akten kennen.
Examenspaukerei. Das Stammtisch-Schnitzel.
Der Staatsanwalt erzieht zum Herrschaftskitzel.
„Was heult die Frau? Ich brauch ein Protokoll!
Ich schreibe fleißig meine Akten voll:
Im Namen des Königs –!“

Auf seinem Armesünderstühlchen droben
sitzt das in seidenen, faltenreichen Roben –
darunter grauer Spießerrock.
Die Herzen schlagen rechts. In den Prozessen,
in denen sich ein Freiheitsmann vergessen,
zuckt durch den Saal der Büttelstock.
Der Staatsanwalt amtiert im selben Hause;
man spricht mit ihm, so in der Frühstückspause.
Der Rechtsanwalt scheint eine Art Komplice.
Der Staatsanwalt monokelt voll Malice.
Die Richter kennen ihn, und er kennt sie:
Und was er nicht besorgt, besorgen die.
Im Namen des Volkes –!

So hat die Urteilsformel sich gewandelt.
Doch wird im alten Ungeist fortverhandelt,
ganz wie in jener Kaiserzeit.
Und Vorvernehmung und Geschworenensiebung
und Fragestellung und die Strafverschiebung –
Wo steckt da die Parteilichkeit?
Wo, deutsche Richter? Tief in euern Herzen!
Wir kennen euch und eurer Opfer Schmerzen!
Wir glauben euch nicht mehr und eurer Waage –
Das Ding hängt schief! Das sehn wir alle Tage.
Die Binde der Justitia – welch ein Bruch!
Steht auf!
Und dies sei euer Urteilsspruch:
Sehn wir euch an, packt uns ein tiefes Graun –
Wir haben zu euch Richtern kein Vertraun!
Im Namen des Volkes –!

(Theobald Tiger: in: Die Weltbühne, 26.10.1922, Nr. 43, S. 439.)

PABLO PICASSO malte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges für die Darstellung des Friedens (pax) die tradierte Allegorie einer weißen Taube. Diese steht bis heute weltweit für die Friedensbewegung.

Im Barock wurde besonders die Allegorie der Vergänglichkeit benutzt. Das Losungswort lautete Vanitas, denn Eitelkeit galt als verwerflich:

Andreas Gryphius: Es ist alles eitel

Dv sihst/ wohin du sihst nur eitelkeit auff erden.
Was dieser heute bawt/ reist jener morgen ein:
Wo itzund städte stehn/ wird eine wiesen sein
Auff der ein schäffers kind wird spilen mitt den heerden.
Was itzund prächtig blüht sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vndt trotzt ist morgen asch vnd bein.
Nichts ist das ewig sey/ kein ertz kein marmorstein.
Jtz lacht das gluck vns an/ bald donnern die beschwerden.
Der hohen thaten ruhm mus wie ein traum vergehn.
Soll den das spiell der zeitt/ der leichte mensch bestehn.
Ach! was ist alles dis was wir für köstlich achten/
Als schlechte nichtikeitt/ als schaten staub vnd windt.
Als eine wiesen blum/ die man nicht wiederfindt.
Noch wil was ewig ist kein einig mensch betrachten.

(Gryphius, Andreas: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen: Niemeyer, 1963, S. 33f.)

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