Friedrich Gottlieb Klopstock: Von der heiligen Poesie

FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK  war ein Wegbereiter der Empfindsamkeit. Er setzte sich in verschiedenen Werken mit Sprache (Gedichte siehe PDF "Friedrich Gottlieb Klopstock - Die Sprache") und Poesie auseinander.

„Der Messias“

„Der Messias“ (hebräisch: maschiach = der Gesalbte, siehe PDF "Friedrich Gottlieb Klopstock - Der Messias") schildert in 20 Gesängen Passion und Auferstehung Christi. Die ersten drei Gesänge wurden unter dem Untertitel „Ein Heldengedicht“ veröffentlicht. Es beginnt so:

„Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung,
Die der Messias auf Erden in seiner Menschheit vollendet
Und durch die er Adams Geschlechte zu der Liebe der Gottheit
Mit dem Blute des heiligen Bundes von neuem geschenkt hat.
Also geschah des Ewigen Wille. Vergebens erhub sich
Satan wider den göttlichen Sohn; umsonst stand Judäa
Wider ihn auf; er thats, und vollbrachte die grosse Versöhnung.
Aber, o Werk, das nur Gott allgegenwärtig erkennet,
Darf sich die Dichtkunst auch wohl aus dunkler Ferne dir nähern?
Weihe sie, Geist Schöpfer, vor dem ich im stillen hier bete...“

(vgl. PDF "Friedrich Gottlieb Klopstock - Der Messias")

„Der Messias“ ist in Form antiker Epen verfasst, d. h. in sogenannten Hexametern. Der Vers beginnt auftaktlos und weist sechs Hebungen auf. Er endet mit nur einer Senkung. Idealerweise besteht der Hexameter aus Daktylen (Daktylus = Hebung, Senkung, Senkung), manchmal um Spondeen (Spondeus = Hebung, Hebung) erweitert.

poeta vates

KLOPSTOCK verwendete für seinen „Messias“ bewusst diese gehobene Sprache, die sich in ihrem Duktus an die Sprache HOMERs anlehnt. Er meinte, der Dichter müsse aus göttlicher Inspiration (poeta vates, lat. = der sehende Dichter) schöpfen, wolle er über Religiöses schreiben. Darauf spielt der Titel des Vorwortes an: „Von der heiligen Poesie“. Bereits im ersten Gesang beschäftigt ihn die Frage: 

„Aber, o Werk, das nur Gott allgegenwärtig erkennet,
Darf sich die Dichtkunst auch wohl aus dunkler Ferne dir nähern?“

Mit dem „poeta vates“, der aus göttlicher Inspiration schöpft, grenzt KLOPSTOCK sich vom „poeta doctus“ ab, dem Ideal des gebildeten Dichters.

Von der heiligen Poesie

Im Epos schien ihm offensichtlich die Frage nicht erschöpfend beantwortet, sodass KLOPSTOCK in diesem Vorwort „Von der heiligen Poesie“ (siehe PDF "Friedrich Gottlieb Klopstock - Von der heiligen Poesie") noch einmal darauf zurückkommt.

Er verfasst einen rhetorischen Text, formuliert Fragen und Antworten: KLOPSTOCK fragt sich,

„Ob es erlaubt sey, den Inhalt zu Gedichten aus der Religion zu nehmen?“,

die er sich eindeutig mit „Ja“ beantwortet. Seine Sicherheit nahm er schon aus seiner eigenen Ausbildung, hatte er doch Theologie in Jena und Leipzig studiert und kannte so seinen literarischen Gegenstand sehr genau. Seine zweite Frage geht dahin,

„Unter welchen Bedingungen man von Materien der Religion dichten dürfe?“.

Für ihn gilt die höchste Bedingung, nämlich, dass der Lyriker die „höhere Poesie“ schaffe, welche die Religion zum Gegenstand der Posie haben dürfe.

Seine dritte Frage lautet:

„Auf welche Art man von Materien der Religion dichten dürfe?

Hier benutzt er das Wort vom Originalgenie, das im Sturm und Drang eine entscheidende Rolle spielte:

„Die höhere Poesie ist ein Werk des Genie“

Nur das Genie ist also fähig, höhere Poesie zu schaffen, deren Zweck er angab:

„Der lezte Endzweck der höhern Poesie, und zugleich das wahre Kennzeichen ihres Werths, ist die moralische Schönheit.“

Aber der Dichter muss sich der Religion behutsam nähern, die Handlung muss sich dem Gegenstand würdig erweisen. D. h., Inhalt und Form dürfen nicht auseinanderbrechen. Das Dargestellte muss glaubhaft sein. Sein Essay weist KLOPSTOCK als Vertreter der Empfindsamkeit aus, wenn er fordert, höhere Poesie solle

„diejenigen Empfindungen treffen, die es erweitern, die es groß und edel seyn lehren.“

Wegbereiter des Sturm und Drang

KLOPSTOCK bereitete nicht nur den Weg für die Empfindsamkeit, sondern gab auch dem Sturm und Drang entscheidende Impulse. Mit seiner schwer lesbaren Lyrik bekam KLOPSTOCK von seinen Zeitgenossen eine zum Teil schlechte Presse.

FRIEDRICH NICOLAI berichtet, der Autor habe in seinem „Messias“

„kein Wort von den Urtheilen (gesagt), welche sein Gedicht hat erfahren müssen, und von der Art, womit dasselbe sehr oft schlecht genug ist angegriffen und vielleicht schlecht genug vertheidiget worden.“
(vgl. PDF "Friedrich Nicolai - Der Messias (Rezension)")

Das Epos in 22 000 Versen – wie KLOPSTOCKs Lyrik – hob ihn jedoch ab von den übrigen schreibenden Zeitgenossen, sodass LESSING zu dem Schluss kam:

Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? Nein.
Wir wollen weniger erhoben
Und fleissiger gelesen seyn.

(LESSING, 1752)

Die Jugend aber nahm das Epos (siehe PDF "Friedrich Gottlieb Klopstock - Der Messias") zum Teil euphorisch auf, lernte es sogar passagenweise oder in Gänze auswendig, wie der junge CHRISTIAN FRIEDRICH DANIEL SCHUBART. Auch GOETHE und SCHILLER wurden geprägt durch KLOPSTOCKs Werk.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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