Historisches und fantastisches Sujet

Neoromantik wird auch in der Popmusik immer augenfälliger. Bands, wie „Within Temptation“ und „Nightwish“ gelang es, vordere Plätze in den Charts zu erobern. in Musikvideos wird der Kult des Dunklen, Geheimnisvollen ästhetisiert.

Mit dem Erscheinen von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ (engl. 1997, dt. 1998) von JOANNE K. ROWLING entstand auch im deutschsprachigen Raum eine neue Fantasy-Literatur. Zwar legte MICHAEL ENDE mit dem Bestseller „Die unendliche Geschichte“ bereits 1979 einen weltweit beachteten Fantasy-Roman vor, aber erst der immer noch andauernde „Harry-Potter-Boom“ ließ nach alternativen Lesemöglichkeiten suchen. Dies löste eine erneute Beschäftigung mit JOHN RONALD REUEL TOLKIENs (1892–1973) Trilogie „Der Herr der Ringe“ (1954/1955) aus. TOLKIEN legt in seinen Werken eine eigene komplexe, fantastische Parallelwelt vor, in der der Mensch nur eine bedingte Rolle spielt. Das Geschehen bestimmen Elben, Zwerge, Hobbits, Ainur, Ents, Orks, Drachen und andere Wesen.

„Die Chroniken von Narnia“ (1950–1954) des TOLKIEN-Freundes CLIVE STAPLES LEWIS (1898–1963) wurden zu Beginn des 21. Jh. in Deutschland einer größeren Leserschaft bekannt. Zur Popularität TOLKIENs und LEWIS’ tragen insbesondere die Verfilmungen ihrer Werke durch Hollywood-Studios bei. LEWIS bemüht in „Die Chroniken von Narnia“ einen Kleiderschrank, der die Tür zum Land Narnia birgt. In diesem Fantasy-Reich leben Zentauren, Faune, Nymphen, Zwerge, Riesen sowie sprechende Tiere. Diese Parallelwelt ist jedoch nicht so komplex wie die des „Herrn der Ringe“.

Am ehesten ist der im fiktiven Buch „Necronomicon“ beschriebene Cthulhu-Mythos des US.Amerikaners H. P. LOVECRAFT (1890–1937) in seiner Komplexität mit TOKLKIENs Fantasy-Welt vergleichbar.

Ein weiteres Vorbild für deutsche Fantasy-Romane ist „Die Nebel von Avalon“ (1982) von MARION ZIMMER BRADLEY (1930–1999, Avalon, dt.= Apfelinsel, ist ein in Nebel gehüllter Ort der Kraft, aber auch der Aufenthaltsort der Helden nach dem Tode. König ARTUS soll sich der keltischen Sage nach dort aufgehalten haben, nachdem er verwundet worden war.) Aus der Sicht von Morgaine, der Halbschwester König Artus’, wird der Untergang Avalons erzählt.

WOLFGANG HOHLBEIN (geb. 1953) schrieb seit den 1980er-Jahren über einhundertfünfzig zumeist fantastische Romane, u. a. die „Drachenthal“- und die „Chronik der Unsterblichen“-Reihe. In einem Gemisch aus Action und Fantasy greift HOHLBEIN mit „Das Avalon-Projekt“ auf den Stoff zurück.

MARKUS HEITZ’ (geb. 1971) auf sechs Bände angelegtes Werk „Ulldart – Die Dunkle Zeit“ (2002–2005) spielt im Land Tarpol, dem – ähnlich wie in „Herr der Ringe“ – Verwüstung, Finsternis und Elend drohen. Allerdings sind HEITZ’ Romane bei weitem nicht so komplex angelegt, wie ihre britischen Vorbilder.

Das gilt auch für die Werke von CORNELIA FUNKE (geb. 1958). Der Autorin gelang mit ihrem 2000 erschienenen Buch „Herr der Diebe“ ein Achtungserfolg in den USA. Der erste Teil ihrer „Tintenwelt“-Trilogie erschien 2003 unter dem Titel „Tintenherz“ zeitgleich auf deutsch und englisch. Der Plot erinnert sehr an ENDEs „Unendliche Geschichte“, denn auch hier spielt ein Buch eine zentrale Rolle. Allerdings entsteigen diesem die Wesen, um die Wirklichkeit zu verändern.

Eine zweite Tendenz ist der neuartige Rückgriff auf das Sujet des Historischen. ROBERT SCHNEIDERs (geb.1961) postmoderner Roman „Schlafes Bruder“ erzählt die „Geschichte des Musikers Johannes Elias Alder, der zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er beschlossen hatte, nicht mehr zu schlafen“. Es ist die Geschichte eines großen Talentes, das zu absolutem Gehör gelangt und so in der Lage ist, nicht nur die Geräusche des Universums zu hören, sondern sich selbst autodidaktisch das Orgelspielen beizubringen.

Postmoderne: Überwindung der Moderne durch extremen Stilpluralismus und spielerischen Umgang mit Vorhandenem.

Genregrenzen werden dabei oft aufgelöst.

In PETER HANDKEs „Don Juan (erzählt von ihm selbst)“ (2004) taucht der Titelheld unvermittelt in der Herberge des Erzählers auf und breitet diesem in mehreren Nächten sein Leben mit seinen sieben Frauen aus, die ihn nach den sieben Erzähltagen vor der Herberge zurück erwarten. Zwar begleitet der Erzähler den modernen „Don Giovanni“ (MOZART) durch die Welt, aber die Figur des Frauenverführers bleibt seltsam – und gewollt! – fleischarm: „Wer ich bin, du wirst es nicht erfahren“. Den Mythos „Don Juan“ hebt HANDKE bewusst aus seiner gewohnten Gegend heraus und stellt ihn in eine neue, mythisch-gegenwärtige. Diese wird verortet im Kloster Port-Royal-des-Champs bei Paris, das seit dem 17. Jh. berühmt ist für seine asketischen Tugenden. Damit steht der Handlungsort in völligem Gegensatz zum Mythos. Und man wundert sich nicht, wenn auch die Erlebnisse Don Juans eben nicht frivol sind.

Diese Tendenz der Befreiung der Mythen aus ihren Geschichten begegnet uns auch bei der Literaturnobelpreisträgerin von 2004, ELFRIEDE JELINEK, in ihrem Dramentext „Das Lebewohl“ (2000), den die Autorin mit Zitaten aus der „Orestie“ des AISCHYLOS und einem Interview mit JÖRG HAIDER füllt: „Wir taten Unrecht, doch jetzt bekommen wir Recht. Wir sind ausgewählt. Wir schwören, wir warns nicht, und schon waren wirs wirklich nicht. ... Die Welt ..wird genauso wie immer sein, nur eben: offener, freier. Dafür für andre geschlossen total. ..Tod will Tod. Alter Mord. Neuer Mord. Gar kein Mord. Egal. Das Schandrecht des Mörders jetzt Ehre! ... Niemals ein Ende.“

JELINEK entwirft so das Psychogramm eines Verführers und entlarvt den politischen Demagogen.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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