Oxymoron

Das Oxymoron (griech. oξύμωρος aus griech. oxys = scharfsinnig, und moros = töricht; Pl: Oxymora) ist eine rhetorische Figur. Als Form der Gedankenzuspitzung (KOLMER/ROB-SANTER ) gehört es zur Gruppe der Sinnfiguren (figurae sententiae).

Sinnfiguren sind rhetorische Figuren,

„welche nicht bloß die herkömmliche Form des Ausdrucks, sondern auch den Sinn verändern.“ (Meyers Konversationslexikon)

 

Beispiele

  • bittere Süße
  • schlauste Dummheit
  • junger Greis
  • Holzeisenbahn
  • Traurigfroh“ (FRIEDRICH HÖLDERLIN: Heidelberg, siehe Text)
  • Heinrich beobachtete über diese Nacht ein sehr redendes Stillschweigen, und Firmian verriet sich umgekehrt durch ein stummes Jagen und Reden“ (JEAN PAUL: Siebenkäs
  • Welch redendes Schweigen zwischen uns“ (NELLY SACHS: Briefe aus der Nacht, 1950)
  • schwarze Milch der Frühe“ (PAUL CELAN: Todesfuge)
  • „Und das Jauchzen schönheittrunkner Griechen" (HUGO VON HOFMANNSTHAL: Gedankenspuk)
  • Mit jauchzender Schönheit von sonnigem Wehen
  • „Hellrollender Stürme auf schwarzgrünen Seen“ (HUGO VON HOFMANNSTHAL: Psyche)

 

FRIEDRICH HÖLDERLIN
Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
 
Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

(Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke. Kleine Stuttgarter Ausgabe, 6 Bände, Band 2, Herausgegeben von Friedrich Beissner, Stuttgart: Cotta, 1953, S. 121.)

 

FRIEDRICH HÖLDERLIN
Heidelberg

Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Waldes über die Gipfel fliegt,
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst
Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluten der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All' ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
Von den Wettern zerrissen;
Doch die ewige Sonne goss

Ihr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Efeu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
an den Hügel gelehnt oder dem Ufer hold,
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.

(Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke. Kleine Stuttgarter Ausgabe, 6 Bände, Band 2, Herausgegeben von Friedrich Beissner, Stuttgart: Cotta, 1953, S. 12–15.)


HUGO VON HOFMANNSTHAL
Psyche

Psyche, my soul
Edgar Poe

... und Psyche, meine Seele, sah mich an
Von unterdrücktem Weinen blaß und bebend
Und sagte leise: „Herr, ich möchte sterben,
Ich bin zum Sterben müde und mich friert.“

O Psyche, Psyche, meine kleine Seele,
Sei still, ich will dir einen Trank bereiten,
Der warmes Leben strömt durch alle Glieder.
Mit gutem warmem Wein will ich dich tränken,
Mit glühendem sprühendem Saft des lebendigen
Funkelnden, dunkelnden, rauschend unbändigen,
Quellenden, schwellenden, lachenden Lebens,
Mit Farben und Garben des trunkenen Bebens:
Mit sehnender Seele von weinenden Liedern,
Mit Ballspiel und Grazie von tanzenden Gliedern,
Mit jauchzender Schönheit von sonnigem Wehen
Hellrollender Stürme auf schwarzgrünen Seen,
Mit Gärten, wo Rosen und Efeu verwildern,
Mit blassen Frauen und leuchtenden Bildern,
Mit fremden Ländern, mit violetten
Gelbleuchtenden Wolken und Rosenbetten,
Mit heißen Rubinen, grüngoldenen Ringen
Und allen prunkenden duftenden Dingen.

Und Psyche, meine Seele, sah mich an
Und sagte traurig: „Alle diese Dinge
Sind schal und trüb und tot. Das Leben hat
Nicht Glanz und Duft. Ich bin es müde, Herr.“

Ich sagte: Noch weiß ich wohl eine Welt,
Wenn dir die lebendige nicht gefällt.
Mit wunderbar nie vernommenen Worten
Reiß ich dir auf der Träume Pforten:
Mit goldenglühenden, süßen lauen
Wie duftendes Tanzen von lachenden Frauen,
Mit monddurchsickerten nächtig webenden
Wie fiebernde Blumenkelche bebenden,
Mit grünen, rieselnden, kühlen, feuchten
Wie rieselndes grünes Meeresleuchten,
Mit trunken tanzenden, dunklen, schwülen
Wie dunkelglühender Geigen Wühlen,
Mit wilden, wehenden, irren und wirren
Wie großer nächtiger Vögel Schwirren,
Mit schnellen und gellenden, heißen und grellen
Wie metallener Flüsse grellblinkende Wellen ...
Mit vielerlei solchen verzauberten Worten
Werf ich dir auf der Träume Pforten:
Den goldenen Garten mit duftenden Auen
Im Abendrot schwimmend, mit lachenden Frauen,
Das rauschende violette Dunkel
Mit weißleuchtenden Bäumen und Sterngefunkel,
Den flüsternden, braunen, vergessenen Teich
Mit kreisenden Schwänen und Nebel bleich,
Die Gondeln im Dunklen mit seltsamen Lichtern,
Schwülduftenden Blumen und blassen Gesichtern,
Die Heimat der Winde, die nachts wild wehen,
Mit riesigen Schatten auf traurigen Seen,
Und das Land von Metall, das in schweigender Glut
Unter eisernem grauem Himmel ruht.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Da sah mich Psyche, meine Seele, an
Mit bösem Blick und hartem Mund und sprach:
„Dann muß ich sterben, wenn du so nichts weißt
Von allen Dingen, die das Leben will.“

(Hofmannsthal, Hugo von: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Band 2–5: Dramen, Herausgegeben von Bernd Schoeller in Beratung mit Rudolf Hirsch, Frankfurt a.M.: S. Fischer, 1979, S. 130-132.)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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