Rhythmische Mittel

Den Unterschied zwischen Jambus und Trochäus kann man sich mittels einer Faustregel leicht merken:

Das Wort Jámbus beginnt mit einer betonten Silbe, das Versmaß des Jambus beginnt deshalb mit einer unbetonten Silbe. Das Wort Trochäus beginnt mit einer unbetonten Silbe, der Trochäus beginnt deshalb mit einer betonten Silbe.

Außer diesen beiden Versmaßen tritt in der deutschen Lyrik der Daktylus auf, wie der Anapäst ein dreigeteiltes Versmaß. Der Daktylus besteht aus Hebung, Senkung, Senkung, der Anapäst beginnt mit einer Senkung, der sich zwei Hebungen anschließen.

In den sogenannten freien Rhythmen werden die Verse lediglich durch einen stark ausgeprägten Rhythmus geformt, ohne die Regelmäßigkeit eines Metrums (Abfolge von betonten und unbetonten Silben in einem Vers) und ohne Reim.

Der Rhythmus des Verses ist zwar vorgegeben (Metrum), der Vortragende hat aber verschiedene Möglichkeiten, den Vers zu akzentuieren:

 

Bild

 

Durch Gegenbetonung (gegen den Text lesen) kann u. a. Komik, aber auch besondere Ausdrucksstärke und Umdeutung der Textvorlage erreicht werden (dieses Verfahren wird oft im Theater verwendet), durch individuelles Setzen von Pausen wird ein fließender Rhythmus bewusst gestört, der Vortragende hat die Möglichkeit, gegen das Tempo eines Gedichtes zu lesen etc.

Generell gilt:

  • Wer alles betont, betont nichts.
  • Der Sinn des Textes entscheidet, wo die Hauptbetonung gesetzt werden muss.
  • Pausen und deren Längen sind möglichst nach Sinneinheiten zu setzen.
  • Das Tempo ist abhängig von der Gesamtgestimmtheit eines Gedichtes zu wählen.

GOETHEs Gedicht „Willkommen und Abschied“ (siehe AUDIO 1) kann demnach folgendermaßen rhythmisch gestaltet werden:

1 Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
2 Es war getan fast eh gedacht.
3 Der Abend wiegte schon die Erde,
4 Und an den Bergen hing die Nacht;
5 Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
6 Ein aufgetürmter Riese, da,
7 Wo Finsternis aus dem Gesträuche
8 Mit hundert schwarzen Augen sah.


(GOETHE: Willkommen und Abschied)

Das Gedicht beginnt
in Zeile 1 und 2 heiter-dynamisch (geschwind-Pferd=Ritt),
in Zeile 3 und 4 klingt die Dynamik ab (Abend=Ruhe),
Zeilen 5 bis 8 klingen bedrohlich (Nebelkleid- Riese- Finsternis hundert schwarze Augen), hier bietet sich ein dramatisch-dynamischer Rhythmus an.
Pausen zwischen Zeile 2 und 3 sowie zwischen Zeile 4 und 5 erhöhen die Spannung.

Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zu Erden,
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!

audio
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