Wilhelm von Humboldt zur Sprache

FRIEDRICH WILHELM CHRISTIAN CARL FERDINAND FREIHERR VON HUMBOLDT (1767–1835) war wohl schon als Kind sprachbegabt. Der Theologe und Pädagoge JOHANN HEINRICH CAMPE (1746–1818) war von 1769 bis 1773 der Hauslehrer (Hofmeister) bei den HUMBOLDTs. Mit ihm bereist er 1789 Paris, das Rheinland und die Schweiz.
HUMBOLDT studierte Jura in Frankfurt/Oder und Göttingen. Er besuchte während seines Studiums die Vorlesungen von CHRISTIAN GOTTLOB HEYNE (1729–1812), einem damals sehr bekannten Philologen.

HUMBOLDT begann sich unter dem Einfluss seiner Lehrer schon sehr früh für die Struktur von Sprachen zu interessieren, u. a. angeregt durch das Studium der klassischen Philologie und Naturwissenschaften in Göttingen. 1790 schrieb er an seine spätere Frau CAROLINE VON DACHERÖDEN:

„Ich lerne jetzt Hebräisch bei Spaldings jüngstem Sohn ... Die Sprache interessiert mich bloß um ihrer selbst willen. Sie weicht so erstaunlich von allen andern ab, und sie trägt noch so viele Spuren von der ersten rohen Ideenentwickelung. Das ist mir überhaupt beim Sprachstudium fast allein wichtig, daß man die vielfältigen Arten kennen lernt, in welcher die Ideen ausgedrückt werden können. Der eigne Ausdruck in der Sprache, in der man nun selbst schreibt oder spricht, erhält nicht bloß dadurch mehr Geschmeidigkeit und eine mannigfaltigere Bildung, sondern die Klarheit der Ideen selbst gewinnt, je mehrere und verschiedenere Formen man davon lernt.“
(Wilhelm von Humboldt im Verkehr mit seinen Freunden, Eine Auslese seiner Briefe. Hrsg.: Theodor Kappstein. Bremen: Europäischer Literaturverlag, 2011, Eintrag vom 8. November 1790)


Bereits hier äußerte HUMBOLDT eine seiner grundlegenden Thesen, dass nämlich erst durch die Entwicklung der Sprache die Klarheit der Ideen wächst.
U. a. sprach HUMBOLDT

  • Französisch,
  • Englisch,
  • Italienisch,
  • Latein,
  • Griechisch und
  • Spanisch.

HUMBOLDT begann nach seinem Studium eine diplomatische Laufbahn, wurde nach 1809 mit der Leitung der Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts betraut und entwarf hier die Grundzüge humanistischer Bildungsstandards, die an humanistischen Gynmnasien bis heute gültig sind.

Sprachforschungen

Einige Forscher gehen davon aus, dass sich HUMBOLDT erst seit seiner Reise ins Baskenland im Frühjahr 1801 intensiver mit der Sprache auseinandergesetzt habe (erste Sprachforschungen sind niedergeschrieben in: „Prüfung der Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens vermittelst der vaskischen Sprache.“).

Nachdem er Ende 1819 aller Ämter enthoben worden war, zog sich HUMBOLDT auf sein Gut in Tegel zurück und widmete sich intensiv seinen Sprachforschungen.

„Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache. Sie bestimmt die Sehnsucht danach, und die Entfremdung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten und leichtesten, wenn auch am leisesten vor sich“.
(WILHELM VON HUMBOLDT)

Zweizentrale Begriffe kennzeichnen das Denkgerüst HUMBOLDTs:

  • Ergon (gr. érgon = Werk): Das Zeichensystem des Menschen, mittels dessen er sich verständigt (Sprache an sich)
  • Energeia (gr. enérgeia = Tätigkeit, wirkende Kraft): die geistig produktive Tätigkeit des Menschen (Geist an sich)

HUMBOLDT dachte diese beiden Begriffe stets gemeinsam:

„Man muß die Sprache nicht sowohl wie ein todtes Erzeugtes, sondern weit mehr wie eine Erzeugung ansehen, mehr von demjenigen abstrahieren, was sie als Bezeichnung der Gegenstände und Vermittlung des Verständnisses wirkt, und dagegen sorgfältiger auf ihren mit der inneren Geistesthätigkeit eng verwebten Ursprung und ihren gegenseitigen Einfluß zurückgehen".
(WILHELM VON HUMBOLDT)

Sprache ist demnach ein dynamischer Prozess, wobei HUMBOLDT den Fokus auf die Rede, das Sprechen legte:

„Die Sprache ist das bildende Organ des Gedanken“,

formulierte er in „Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“ (1836, siehe PDF "Wilhelm von Humboldt - Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues").

Sprechen und Verstehen bilden demnach bei HUMBOLDT eine Einheit:

„Verstehen und Sprechen sind nur verschiedenartige Wirkungen der nämlichen (= der gleichen, d.V.) Sprachkraft.“

In ihrer dialektischen Einheit widerspiegelt sich die Arbeit des Geistes.

Sprachen sind „verschiedene Methoden, diese Verrichtungen (das Sprechen, d.V.) immer ganz, aber verschieden zu vollbringen", so unterteilt er in 

  • Individualität und
  • Universalität.

Individualität ist dabei als besondere Sprache definiert, Universalität dagegen als die Fähigkeit aller Menschen, sich in einer Sprache auszudrücken (Sprache ist „Eigenthum des ganzen Menschengeschlechts“, sagt HUMBOLDT). Bezogen auf die Nationalsprachen bedeutet dies:

„Eine Nation hat freilich im Ganzen dieselbe Sprache, allein schon nicht alle Einzelnen in ihr... ganz dieselbe, und geht man noch weiter in das Feinste über, so besitzt wirklich jeder Mensch seine eigene“.
(WILHELM VON HUMBOLDT)

So ist die Sprache für HUMBOLDT die

„äußerliche Erscheinung des Geistes der Völker. ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache, man kann sich beide nie identisch genug denken.“ Ihre „Verschiedenheit ist nicht eine von Schällen und Zeichen, sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten selbst“

(HUMBOLDT, 1820).

Sprache dokumentiert demnach die Entwicklung des menschlichen Geistes. Um diese These zu belegen, stellte er Untersuchungen zur „Kawisprache auf der Insel Java“ (1836–39), dem Altjavanischen, an. Diese erschien ihm so sehr nichtverwandt mit europäischen Sprachen, dass seine Thesen beweisbar wären. Die Einleitung dieses Werkes trägt den Titel: „Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“ (Auszüge daraus in PDF "Wilhelm von Humboldt - Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues").

HUMBOLDT wird wegen seiner Forschungen auch als Vater der allgemeinen Sprachwissenschaft bezeichnet. Einen weiteren kleinen Überblick über sein sprachwissenschaftliches Schaffen vermittelt seine Schrift „Über die Natur der Sprache im allgemeinen“ (siehe PDF "Wilhelm von Humboldt - Über die Natur der Sprache im allgemeinen").

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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