Johnson, Samuel

Samuel Johnson

Mit großer Energie hat sich SAMUEL JOHNSON aus bescheidenen Verhältnissen in die kulturellen Elite seiner Zeit emporgearbeitet. Geboren in Staffordshire, beschäftigte er sich seit seiner Kindheit mit der klassisch antiken und englischen Literatur, die er als Junge mit Hingabe im Buchladen seines Vaters las.
Nach seinem aus Geldnot abgebrochenen Studium in Oxford übersiedelte JOHNSON 1737 nach London. Dort bestritt er seinen Lebensunterhalt als Lohnschreiber, der für verschiedene Zeitschriften über Parlamentsdebatten berichtete. Bekannt wurde JOHNSON durch seine scharfen kulturkritischen Satiren London (1738) und The Vanity of Human Wishes (1749). Als Vorbild dienten ihm die Satiren des lateinischen Dichters JUVENAL. Seit 1746 plante er ein Wörterbuch der englischen Sprache, das von einer Gruppe Londoner Buchhändler in Auftrag gegeben worden war. An diesem Vorhaben arbeitete er neun Jahre lang in seiner Wohnung am 17 Gough Square, London.
Um die Bedeutung dieses Vorhabens einzuschätzen, muss man sich den zeitgenössischen Diskussionstand vor Augen führen: Zahlreiche Sprachen haben in unterschiedlichen Phasen der Sprachgeschichte auf das Englische eingewirkt. Den stärksten Einfluss übten das Lateinische, Französische, Skandinavische und die griechische Sprache aus. Die enorme Bereicherung gerade durch lateinische Wörter und Konstruktionen hatte unter den Gelehrten der Frühen Neuzeit zur inkhorn debate geführt (das inkhorn – Tintenfass – wurde als Symbol gewählt, da sich die Diskussion auf die Literatursprache konzentrierte). Hintergrund dieser Debatte war die Gestalt des englischen Wortschatzes und der Grammatik, die es zu formen und festzulegen galt.

Der gescheiterte Plan einer englischen Sprachakademie


Das Bestreben, die Landessprachen gegenüber dem Lateinischen zu emanzipieren, lässt sich in der Frühen Neuzeit in ganz Europa beobachten. Schon 1582 wurde in Italien die Accademia della Crusca gegründet, die sich mit der Kultivierung und Standardisierung des Italienischen befasste und mit dem Vocabolario degli Accademici della Crusca (1612) ein erstes italienisches Sprachlexikon erstellte. In Frankreich eröffnete Kardinal RICHELIEU im Jahre 1635 die Académie Française, die 1694 mit dem Dictionnaire de l'Académie Française ein Lexikon der französischen Sprache veröffentlichte.

Neidvoll blickte man in England auf die sprachlichen Errungenschaften des Kontinents: So setzten im 17. Jahrhundert Bemühungen um eine englische Sprachakademie ein. Viele namhafte Schriftsteller äußerten sich zu der Notwendigkeit einer solchen Institution, um die Einheitlichkeit der englischen Sprache zu gewährleisten und ihren korrekten Gebrauch festzulegen. Mit JONATHAN SWIFT und seiner Proposal for Correcting, Improving and Ascertaining the English Tongue (1712) erreichten die Akademiebestrebungen ihren Höhepunkt.

Aus verschiedenen Gründen scheiterte jedoch der Aufbau einer englischen Sprachakademie: Gegen SWIFTS Forderungen wurde Kritik laut, die eher auf persönlich-politische als auf inhaltliche Motive zurückzuführen ist, aber ihre Wirkung nicht verfehlte. Ein genereller Vorbehalt lautete, dass eine Sprache nicht endgültig fixiert werden könne. Außerdem widerstrebte den Kritikern der Gedanke, sich die Regeln des Sprachgebrauchs von einer Institution vorschreiben zu lassen. So wurde darauf verwiesen, dass sich die englische Sprache auch ohne eine Akademie regulieren werde. Zudem verstarb im Jahre 1714 mit Königin ANNE die wichtigste Förderin des Akademie-Vorhabens. In der landesweiten Trauer über ihr Ableben geriet das Projekt in den Hintergrund.

Nach dem Scheitern der Akademie fehlten auch in der Mitte des 18. Jahrhunderts Normwerke, die über die korrekte Schreibung und Grammatik der englischen Sprache Auskunft geben konnten. JOHNSON reagierte auf diesen Bedarf, indem er sich die Fixierung und Erklärung der englischen Sprache zur Aufgabe machte. Zu Beginn seiner neunjährigen Tätigkeit beabsichtigte JOHNSON, den Wortbestand kritisch zu überprüfen und „barbarische“ Wörter zu entfernen. Im Laufe seiner Arbeit änderte er seine Absicht dahingehend, dass er die gegenwärtige Sprache weniger aktiv formen als vielmehr aufzeichnen wollte.

JOHNSONS Dictionary


JOHNSONS Lexikon umfasst die größte bis dato zusammengestellte Sammlung englischer Wörter und bot eine standardmäßige Schreibweise an. Allerdings setzte es sich nicht in allen Fällen durch: So haben sich die Schreibweisen logic statt logick sowie error statt errour etabliert. JOHNSON erläuterte die Verwendung der jeweiligen Einträge anhand zahlreicher Zitate aus der englischen Literatur. Die Zitate sind der Chronologie nach angeordnet, wobei mehr als ein Drittel von WILLIAM SHAKESPEARE, JOHN MILTON und JOHN DRYDEN stammt.

An zwei Begriffen aus der Architektur soll die Anlage des Dictionary verdeutlicht werden:

CASTLE: A strong house, fortified against assaults.

 The castle of Macduff I will surprise. (Shakespeare, Macbeth)
To forfeit all your goods, lands, tenements
And castles (Shakespeare, Henry VIII)

EDIFICE: A fabrick; a building; a structure.

 

My love was like a fair house built on another man's ground; so that I have lost my edifice by
mistaking the place where I erected it. (Shakespeare, The Merry Wives of Windsor)

The Maker's high magnificence, who built
So spacious, and his Line stretch'd out so far;
That Man may know he dwells not in his own;
An edifice too large for him to fill (Milton, Paradise Lost)

The edifice, where all were met to see him,
Upon their heads and on his own he pull'd. (Milton, Samson Agonistes)

“As Tuscan pillars owe their original to this country, the architects always give them a place in
edifices raised in Tuscany.” (Addison, Remarks on Italy)

“He must be a idiot that cannot discern more strokes of workmanship in the structure of an animal
than in the most elegant edifice.” (Bentley, Sermons)

In der Bevorzugung klassischer englischer Autoren offenbart sich JOHNSONS persönlicher Geschmack. Sein Stil galt lange Zeit als vorbildlich und wurde später als Johnsonese bezeichnet. Bei der Erklärung von Begriffen und auch in seinen eigenen Werken eine starke Neigung zur Verwendung von Latinismen hatte. So ist die Umschreibung to repress the instantaneous motions of merriment eine umständliche Formulierung für die Aufforderung, mit dem Lachen aufzuhören. Diese schwerfällige Ausdrucksweise hat JOHNSON Kritik eingebracht, so dass in der Bezeichnung Johnsonese auch ein abwertender Unterton mitklingt.

Wie sehr das Dictionary tatsächlich auf die Sprache gewirkt hat, ist schwer nachzuweisen. Aufgrund seiner weiten Verbreitung mag es durchaus dazu beigetragen haben, unerwünschte Sprachentwicklungen zu minimieren und unvermeidliche Veränderungen zu verzögern – wie dies JOHNSON selbst bemerkte: “It remains that we retard what we cannot repel, and that we palliate what we cannot cure.” Da auch gekürzte Ausgaben auf dem Markt waren, hat das Dictionary noch im 19. Jahrhundert zur Verbreitung der korrekten Rechtschreibung unter den weniger Gebildeten beigetragen.

Angesichts des Scheiterns einer englischen Akademie ist SAMUEL JOHNSON als eine Ein-Mann-Akademie anzusehen. Er erbrachte mit seinem Dictionary im Endeffekt dieselbe Leistung wie die berühmten Institutionen in Italien und Frankreich. Die Gesamtanlage des Werks, die Festlegung der Wortliste: Dies alles lag allein in JOHNSONS Hand. Bei der Recherche der von ihm ausgewählten Zitate wurde er allerdings von einem Dutzend Helfer unterstützt. Die Würdigung von JOHNSONS Verdienste um die englische Sprache geht deutlich aus den folgenden zwei Gedichtzeilen seines Freundes, des Schauspielers DAVID GARRICK, hervor: “And Johnson, well arm'd like a hero of yore (of yore – aus alter Zeit) / Has beat forty French, and will beat forty more.” JOHNSON selbst beurteilte die Bedeutung seines Regelwerkes mit den Worten: “It is more important for a law to be known, than for it to be right.”

Das Dictionary of the English Language war für mehr als ein Jahrhundert gleichsam die Bibel der englischen Rechtschreibung. Seine Vorbildhaftigkeit behielt das Referenzwerk bis zum Erscheinen des Oxford English Dictionary (1884).
Nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass JOHNSON sein Werk unabhängig von adligen Geldgebern realisierte, da sich sein Finanzier in der Planungsphase zurückgezogen hatte. Damit symbolisierte es auch die neue Unabhängigkeit des Literaten.

Für seine herausragende Leistung erhielt JOHNSON seit 1762 von der Krone eine jährliche Pension. 1765 wurde ihm die Ehrendoktorwürde des Dubliner Trinity College verliehen. Im selben Jahr veröffentlichte er eine kommentierte Shakespeare-Ausgabe und leistete damit einen wichtigen Beitrag zum historischen Verständnis des wohl bedeutendsten englischen Schriftstellers aller Zeiten. Als krönenden Abschluss seines Schaffens verfasste JOHNSON eine Biografiensammlung englischer Dichter, The Lives of the English Poets (1779–81), die vielen gebildeten Lesern erst den tatsächlichen Umfang der englischen Literatur bewusst machte. Diese beiden großen Werke lassen JOHNSONS umfangreiche Literaturkenntnisse deutlich zu Tage treten.

JOHNSON aus Sicht eines Freundes


Bereits 1763 traf JOHNSON mit JAMES BOSWELL zusammen, mit dem er eine gemeinsame Reise zu den Hebriden unternahm. Die Erlebnisse dieser Unternehmung fanden ihren literarischen Niederschlag in dem „Tagebuch einer Reise nach den Hebriden mit Dr. Samuel Johnson“ (The Journal of a Tour to the Hebrides, with Samuel Johnson, LL.D.,[Containing Some Poetical Pieces by Dr. Johnson, Relative to the Tour and Never Before Published; a Series of His Conversations, Literary Anecdotes, and Opinions of Men and Books]). Die Aufzeichnungen dieser Reise, mit der für BOSWELL der lang gehegte Wunsch in Erfüllung ging, dem Freund seine schottische Heimat zu zeigen, erschien 1785 – ein Jahr nach JOHNSONS Tod.
Dasselbe gilt für BOSWELLS Biografie The Life of Samuel Johnson, LL.D.[Comprehending an Account of His Studies amd Numerous Works, in Chronological Order; a Series of His Epistolary Correspondence and Conversations With Many Eminent Persons; and Various Original Pieces of His Composition, Never before Published], die 1791 als die bereits sechste Lebensgeschichte nach JOHNSONS Ableben veröffentlicht wurde. In dieser Lebensbeschreibung zeichnete BOSWELL auch die berühmt gewordenen Gespräche mit weiteren Freunden (EDMUND BURKE, OLIVER GOLDSMITH, DAVID GARRICK) auf. BOSWELLS mit Spannung erwartetes Werk, das ein besonders präzises Charakter- und Geistesporträt von JOHNSONS letzten 21 Lebensjahren darstellt, gehört zu den berühmtesten Biographien der Literaturgeschichte.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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