Kinderliteratur, Jugendliteratur

Wann beginnt Kinder- und Jugendliteratur?

Die Anfänge der Kinder- und Jugendliteratur zu bestimmen ist schwierig. Geschichten, Legenden und Märchen gibt es schon lange, überliefert wurden diese aber traditionell mündlich, sind also nicht ursprünglich literarisch. Oral Tradition wird das Weitererzählen von Generation zu Generation wissenschaftlich genannt.
Heute werden Märchen Kindern erzählt. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass früher viele dieser Geschichten, manche Forscher sind der Meinung alle, sich genauso an die Erwachsenen wandten. Die Märchen hatten eine Art Erziehungsauftrag. Sie vermittelten Werte und Tugenden, warnten vor Gefahren und zeigten auf, was passiert, wenn der Mensch sich nicht an seine Grenzen hält. In ihren Lehren waren die Märchen für alle Generationen gültig, weshalb man sie nicht als reine Kinder- und Jugendgattung darstellen kann.

Ähnlich wie mit den Märchen verhält es sich später auch mit einigen Romanen, die heute der klassischen Jugendliteratur zugeordnet werden. JONATHAN SWIFTs Gulliver's Travels (1699), um ein frühes Beispiel zu nennen, war ursprünglich für Erwachsene geschrieben und wurde erst durch die lang anhaltende Beliebtheit beim jungen Publikum zum Kinderbuch. Ähnlich erging es MARK TWAINs Tom Sawyer. Und auch die Comics, die gemeinhin als Jugendunterhaltung erachtet werden, wurden zunächst zur Erheiterung Zeitung lesender Erwachsener abgedruckt, bevor sie ihr Image der jugendlichen Erzählform bekamen.

Die Klassiker

Die frühsten speziell für Heranwachsende geschriebenen Bücher sind Erziehungs- und Anstandsbücher. Bücher, die eigens zur Unterhaltung von Kindern und Jugendlichen geschrieben wurden, kamen Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Alice in Wonderland, 1865 erschienen, gilt als eines der ersten und führt auch gleich ein lange Zeit der Jugendliteratur zugewiesenes Element ein: fantastische, also nicht-realistische Figuren und Ereignisse. Autor von Alice's Adventures in Wonderland (1865) war der Engländer CHARLES LUTWIDGE DODGSON. Von Beruf eigentlich Mathematiker schrieb er unter dem Pseudonym LEWIS CARROLL. Die Geschichte von der kleinen Alice, die einem weißen Hasen folgend allerlei unerhörte Abenteuer erlebt, ist bis heute ein Klassiker und fasziniert Jung wie Alt ungebrochen. Lang ist die Liste der Interpretationen, die Literaturwissenschaftler, Künstler oder Philosophen für die Geschichte gefunden haben, zu Volksgut geworden sind viele der kleinen Sprüche und Reimdichtungen darin.

Eines der frühsten Jugendbücher aus dem zu dieser Zeit noch jungen Amerika war Little Women (1868) von LOUISA MAY ALCOTT. Als Domestic Drama (Familienepos) für Jugendliche gedacht, schildert der Roman das Familienleben wie es in den Neuenglandstaaten idealerweise sein sollte. Heldinnen sind die vier Schwestern Meg, Jo, Beth und Amy, die sich mit den Widrigkeiten des Lebens in der neuen Welt herumschlagen müssen und dank der frommen und patriotischen Gesinnung ihrer Schöpferin tapfer, reif und allzeit in Einklang mit den Werten des religiös-aufgeklärten jungen Amerikas handeln.

Um die Jahrhundertwende erreichte die Jugendliteratur in den USA und Großbritannien, aber auch in anderen englisch sprechenden Ländern ihre erste Blüte. 1900 erschien in Amerika LYMAN FRANK BAUMs The Wonderful Wizard Of Oz. Erzählt wird die Geschichte von dem Mädchen Dorothy und seinem Hund Toto, die jenseits des Regenbogens im Land Oz Abenteuer mit Hexen, Vogelscheuchen, einem Mann aus Blech und einem Löwen ohne Mut erleben. Das Buch war so erfolgreich, dass es in mehreren Folgeromanen als Serie fortgesetzt wurde.

Der britische Autor RUDYARD KIPLING, weltweit vor allem für sein The Jungle Book (1894) berühmt, veröffentlichte 1902 seine äußerst erfolgreichen Just So Stories For Little Children, in Kanada landete 1908 LUCY MAUD MONTGOMERY mit Anne Of Green Gables, der Geschichte um ein temperamentvolles Waisenmädchen, das bei einem Geschwisterpaar ein neues Zuhause findet, einen zeitlosen Erfolg. Besonders bei Leserinnen kam Anne, von der insgesamt sechs Bücher handeln, groß an und ist eine bis heute bekannte und geliebte Heldin.
1911 erschien, aus Schottland kommend, JAMES MATTHEW BARRIES Peter And Wendy, besser bekannt als Peter Pan. Die Geschichte des kleinen Peter, der nicht erwachsen werden will, im zauberhaften Neverneverland die verlorenen Buben findet und sich mit Hilfe der Fee Tinkerbell gegen den bösen Piraten Captain Hook behaupten muss, lieferte nicht nur die Vorlage für zahlreiche Verfilmungen und Bühnenadaptionen, sondern inspirierte auch neue Geschichten und Filme.

Ebenfalls im Jahr 1911 feierte die nach Amerika ausgewanderte Engländerin FRANCES HODGSON BURNETT mit ihrem ähnlich fantastischen The Secret Garden einen großen Erfolg. BURNETT war bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit Little Lord Fauntleroy (Der kleine Lord) zu Ruhm und Ehre gelangt. Ihre Geschichte von dem kleinen Wildfang und dem griesgrämigen Adligen hatte einen regelrechten Kleiner-Lord-Modehype ausgelöst.

1934 machte die Australierin PAMELA TRAVERS auf sich aufmerksam. Ihr am Regenschirm durch London fliegendes Wunderkindermädchen Mary Poppins eroberte die Leserherzen im Sturm.
1937 erschien JOHN RONALD REUEL TOLKIENs The Hobbit. TOLKIEN, der Professor für englische Sprache und Literatur war, schrieb das Buch eigens für Heranwachsende, während seine später verfasste Fortsetzungsserie The Lord Of The Rings als Erwachsenenliteratur gedacht war.

ENID BLYTON gilt als eine der ganz großen britischen Jugendbuchautoren. In der ganzen Welt berühmt geworden ist ihr detektivisch veranlagtes Quintett Famous Five. Ihr erstes gemeinsames Abenteuer erleben die fünf Freunde Julian, Dick, Anne, George und der Hund Timmy 1942 in Five On Treasure Island.
1950 gelang dem Iren CLIVE STAPLES LEWIS mit The Lion The Witch And The Wardrobe ein zauberhaftes Märchen, während der Amerikaner ELWYN BROOKS WHITE 1952 mit einer Spinne als Heldin in Charlotte's Web eine herzergreifende Freundschaftsgeschichte schrieb.
Äußerst schrill und nicht unbedingt liebenswürdig ist The Cat In The Hat, das 1957 erschien. Der Autor und Zeichner THEODOR SEUSS GEISEL, besser bekannt als DR. SEUSS ist inzwischen selbst zu einer Art Kultfigur geworden.
Ebenso legendär, aber noch weitaus schillernder, weniger lieb, als vielmehr gruselig sind die Geschichten des Briten ROALD DAHL. 1964 erschien sein Charlie And The Chocolate Factory, als Klassiker gehandelt werden auch The BFG (1982) und Matilda (1988).

Die Entdeckung der Young Adults

Mitte bis Ende der 1960er-Jahre wurde in Amerika ein neuer Zugang zur Kinder- und Jugendliteratur gefunden. Man entdeckte die Young Adults als eigenes Publikum mit eigenen Bedürfnissen. Eine neue Art von Realismus prägte eine neue Art von Jugendbuch. Für die Young Adults zwischen 12 und 18 mit ihren Problemen, Sorgen und Nöten schrieben als erste Autoren wie JUDY BLUME oder SUSAN ELOISE HINTON. Ihre Jugendromanen wie Are You There God? It's Me, Margaret (1970) handelten von der ersten Liebe, Sexualität und Religion, dem Alltag und wie er sein kann, thematisierten das echte Leben und rückten so den Lesern in ihrer Realität entgegen, anstatt in eine andere Welt zu entführen.

Die Young Adults wurden und werden als Publikum ernst genommen. Büchereien und Buchhandlungen richteten für sie eigene Abteilungen ein; der Buchmarkt begann, sich eingehend mit der lesenden Jugend zu beschäftigen. Der Maßstab für Jugendliteratur war nun nicht mehr so sehr an Erzählstil und Form gebunden, sondern orientierte sich an jugendgerechten Themen. Biografien, Sachbücher und Erwachsenenromane, die für Jugendliche interessante Themen hatten, wurden den Young Adults nun als Lektüre zugestanden. Der ganze Bereich Kinder- und Jugendliteratur strukturierte sich zu der Form, die wir heute kennen. Verschiedene Genres innerhalb der Gattung wurden erkannt und benannt, Fantasy, Historical Fiction, Mystery, Horse Stories oder Problem Novels seien hier als Beispiele genannt.
Die Kinder- und Jugendliteratur hatte sich als eigene Gattung etabliert. Mehr noch, sie wurde ernst genommen, anerkannt und gewürdigt, wie die eigens für diese Kategorie erschaffenen Buchpreise, die Carnegie Medal oder der Guardian Award in Großbritannien, der Margaret A. Edwards und der Michael L. Printz Award in den USA beweisen.

Helden in Serie

Jugendbuchserien sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts traditionell erfolgreich und verkaufsträchtig. Genre übergreifend und auf variierendem Niveau, begeistern sie junge Leser und binden sie an sich. Zu unterscheiden ist zwischen den in Serie gehenden Geschichten einzelner Autoren und den von vornherein auf Fortsetzung angelegten Serien sogenannter Syndikate. Für Erstgenanntes wären als frühes Beispiel die Narnia-Geschichten von C.S. LEWIS zu nennen, die zwischen 1939 und 1956 erschienen. LEWIS, der bereits mit The Lion The Witch And The Wardrobe sein Publikum begeistert hatte, schickte es in sieben Romanen auf Leseabenteuer in eine magische, zauberhafte Welt mit wundersamen Wesen und geheimnisvollen Geschichten.

JOANNE KATHLEEN ROWLINGs Harry Potter Romane über den liebenswerten Zauberlehrling auf seinem immer verschlungener werdenden Lebensweg können als aktuelles Beispiel für eine Ein-Autoren-Serie genannt werden, ebenso DANIEL HANDLERs in Amerika äußerst erfolgreiche Lemony Snicket's-Serie über die drei vom Unglück verfolgten Waisen Violet, Klaus und Sunny Baudelaire. Der Leser begleitet diese Helden durch mehrere Bücher hinweg und durchläuft gemeinsam mit ihnen eine Entwicklung, die zu Identifikation und Mitgefühl führt.
Anders verhält es sich mit vor allem in den USA verbreiteten Serien wie den Hardy-Boys oder Nancy Drew, die stets in sich abgeschlossene Abenteuer anbieten und nicht in chronologischer Reihenfolge gelesen werden müssen, um in den vollen Lesegenuss der verstehenden Zuschauers zu kommen. Sowohl die Hardy-Boys, zwei Brüder im Teenager-Alter, die als Privatdetektive knifflige Abenteuer erleben, als auch ihr weibliches Pendant, die hübsche Anwaltstochter Nancy Drew wurden in den 1930ern von EDWARD STRATEMEYER erfunden und von sich ablösenden, anonym arbeitenden Ghostwritern geschrieben. Während also auf dem Buchumschlag der bis in die 1990er-Jahre laufenden Serien immer derselbe erfundene Name, FRANKLIN L. DIXON bei den Hardy-Boys, CAROLYN KEENE bei Nancy Drew steht, haben sich die Schreiber über Generationen hinweg immer wieder abgelöst. Da die Geschichten allesamt in sich spannende, abgeschlossene Einheiten sind, eigneten und eignen sie sich auch hervorragend fürs Fernsehen. In den 1970er-Jahren waren die Hardy-Boys denn auch auf dem Bildschirm zu bewundern.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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