Lateinischer und griechischer Einfluss

Die Geschichte der englischen Sprache lässt sich in drei Perioden einteilen: 450-1150 Altenglisch, 1150-1450 Mittelenglisch und 1450-1700 Frühneuenglisch.
Die Bewohner Britanniens sprachen ursprünglich Keltisch. Nach der Unterwerfung durch den römischen Kaiser CLAUDIUS im Jahre 43 n. Chr. wurde Britannien römische Provinz. Seitdem sprachen bestimmte Bewohner auch Latein, vor allem Angehörige der Oberschicht und Stadtbewohner. In dieser Zeit fanden einige lateinische Wörter aus den Bereichen Straßen- und Hausbau, Garten- und Weinbau sowie Handel und Verkehr Eingang in die englische Sprache, die bis heute verwendet werden: In Ortsnamen wie Doncaster, Chester, Manchester oder Gloucester ist Latenisch castra (Lager) unverkennbar.
Das englische Wort wine im geht auf das lateinische vinum zurück.
dish (Teller, Gericht) ist auf discus (Diskus, Servierplatte), street auf stratum bzw. strata viarum (gepflasterte Straße) zurückzuführen.
Portus und porta (Hafen, Tür) sind die Ursprungswörter für das englische port, lateinisch mons bzw. der Akkusativ montem (Berg) für mountain.

Altenglisch

Mit dem Untergang des Weströmischen Reiches zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. dürfte auch das vorläufige Ende der Benutzung des Lateinischen als gesprochene Sprache eingetreten sein.
Im Jahr 597 begannen irische Mönche mit der Bekehrung Englands zum christlichen Glauben - und handelten damit ganz im Sinne der katholischen Kirche in Rom. Durch die Ausbreitung des Christentums in England lebte die lateinische Sprache im 6. Jahrhundert wieder auf. In der Folgezeit wurden zahlreiche Kirchen, Klöster und Schulen gebaut, in denen ausschließlich lateinisch gebetet und gelehrt wurde.
Während der 500 Jahre, die zwischen der Einführung des Christentums und dem Ende der altenglischen Periode liegen, kamen viele Substantive aus dem Kirchenlatein ins Englische, die grundlegend für die neue Religion waren und bis heute zum englischen Wortschatz gehören. Zu diesen gehören abbot, altar, candle, martyr, mass, minster, nun, organ, pope, priest, relic, shrine, temple.
Latein wirkte auch auf den Wortschatz des häuslichen Lebens, z. B. auf den Bereich Nahrung (lobster, mussel, oyster, pear), Kleidung (cap, silk, sack, sock), Pflanzen, Kräuter, Bäume (Oberbegriff: plant, Unterbegriffe myrrh, lily, pine). Aber auch andere verbreitete Begriffe werden in dieser Zeit aus dem Lateinischen entlehnt wie anchor, circle, fever, sponge, talent.

In der altenglischen Periode beeinflusste Griechisch indirekt über das Kirchenlatein den englischen Wortschatz. Bei vielen Wörtern, die dem lateinischen Einfluss zugeschrieben werden, ist die griechische Herkunft unverkennbar. Folgender Weg hat sich bei der Entlehnung vollzogen:
gr. ángelos > lat. angelus > engl. angel - Gottesbote, Engel
gr. epistolé > lat. epistula > engl. epistle - Brief
gr. hýmnos > lat. hymnus > engl. hymn - Loblied, Hymne
gr. psalmós > lat. psalmus > engl. psalm - Psalm

Mittelenglisch

In der mittelenglischen Periode dominierte als Folge der Normannischen Eroberung im Jahre 1066 durch WILLIAM THE CONQUEROR der französische Einfluss, denn am königlichen Hof sprach man Französisch. Über diese romanische Sprache gelangten Wörter lateinischen Ursprungs indirekt ins Englische.
Aber auch auf direktem Wege wurden über die Schriftsprache weiterhin lateinische Wörter entlehnt, meistens aus Schriften des Rechts, der Medizin, der Theologie sowie der französischen Literatur, wie z. B. conspiracy, frustrate, genius, interrupt, legal, lunatic, mechanical, minor, necessary, picture, polite, quiet, rational, summary.
Im 14. Jahrhundert arbeitete JOHN WYCLIFFE an der ersten englischen Gesamtübersetzung der lateinischen Bibel (Vulgata, von lateinisch vulgatus = verbreitet, bekannt). Dafür wählte er zahlreiche lateinische Wörter, die es bisher im Englischen nicht gab, aber sich im Laufe der Jahrhunderte in der Alltagssprache etablieren konnten.
Zudem wird in dieser Zeit von Geistlichen und gebildeten Menschen Latein auch gesprochen, so dass einige lateinische Wörter durch den mündlichen Gebrauch in die englische Sprache gelangten.

Die meisten griechischen Wörter wirkten auch in dieser Periode indirekt durch das Lateinische oder Französische auf den englischen Wortschatz.
Neben kirchlichen Lehnwörtern wurden im 14. und 15. Jahrhundert auch weltliche Begriffe übernommen. Zu ihnen gehören comedy, dialogue, echo, thesis, deren griechische Grundlage komoidía, diálogos, echó, thésis sind.
An dieser kleinen Auswahl von Beispielen wird einerseits deutlich, dass Entlehnung auf ganz verschiedenen Gebieten stattgefunden hat und die damals fremden Wörter heute aus dem Englischen kaum wegzudenken sind.

Frühneuenglisch

Zahlreiche Neuerungen markieren das Ende des Mittelalters und den Beginn der Renaissance in Europa. Von großer Wichtigkeit ist die Erfindung des Buchdrucks um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Möglichkeit, Wissen in gedruckter Form schneller als je zuvor zu verbreiten, hob landesweit das Bildungsniveau, und immer mehr Menschen lernten Lesen und Schreiben.In der Renaissance besann man sich auf die Antike, daher erlebte die Kenntnis der alten Sprachen eine neue Blüte. Das gesammelte Wissen der Griechen und Römer stand erneut im Mittelpunkt des Interesses - Wissenschaft, Literatur, Geschichte, Philosophie, Staatstheorie. Viele Autoren der Frühen Neuzeit verfassten ihre Werke auf Lateinisch und bemühten sich wie der lateinische Redner und Staatsmann CICERO zu schreiben.

Der Einfluss des Kirchenlateins ließ in der Renaissance nach, dafür nahm die Bedeutung der lateinischen Sprache für Wissenschaft und Literatur stark zu. Der rasante Zuwachs an wissenschaftlicher Erkenntnis in der Frühen Neuzeit erforderte in den verschiedenen Bereichen einen angemessenen Spezialwortschatz. Waren keine Bezeichnungen für neue Phänomene vorhanden, mussten sie geschaffen werden. Dieser große Bedarf an neuen Termini führte in der Zeit von 1550-1650 zu einem Rekord an Entlehnungen aus dem Lateinischen in der englischen Sprachgeschichte.

Auch Griechisch wurde in der Renaissance eine Fundgrube für neue Wörter. Begriffe wie diagram, experiment, idea, method, problem, solution, system, theory, die wissenschaftliches Vorgehen bezeichnen, werden in dieser Zeit aus dem Griechischen übernommen.
Ein gutes Beispiel ist die Medizin, in deren Terminologie sich überwiegend griechische Lehnwörter etabliert haben. Das liegt an der im Griechischen sehr logischen Wortbildung: viele Affixe tragen oft eine bestimmte Bedeutung. Typische Suffixe zur Bezeichnung von Krankheiten sind -itis und -osis, wie sich an folgenden Beispielen belegen lässt:
Arthritis und Bronchitis weisen auf die Entzündung der entsprechenden Körperteile hin (árthron = Gelenk). Symbiosis, psychosis und tuberculosis sind bestimmte Zustände, in denen sich der Organismus befinden kann.
Durch die Erneuerung der griechischen Studien kam es während der Renaissance zum ersten Mal in der englischen Sprachgeschichte auch zur direkten Entlehnung aus dem Griechischen. Nachweislich sind auf diese Weise folgende Wörter in die englische Sprache gelangt: anonymous, catastrophe, criterion, lexicon, thermometer.
Die Einbürgerung neuer Wörter war jedoch nicht unumstritten. In der Zeit zwischen 1500 und 1650 wurden hitzige Diskussionen um das Für und Wider von Entlehnungen aus anderen Sprachen geführt, insbesondere hinsichtlich der schwer verständlichen griechischen und lateinischen Lehnwörter. Einerseits gab es das Lager der sprachlichen Puristen: Sie wollten Verständlichkeit des Englischen fördern und lehnten jeden fremden Einfluss ab.
Andererseits gab es starke Befürworter der sprachlichen Bereicherung, die eine Aufwertung des Englischen insbesondere durch die klassischen Sprachen anstrebten.

Von allen englischen Autoren in der Renaissance bewies WILLIAM SHAKESPEARE mehr Kreativität und Instinkt für Wortschöpfungen von langer Lebensdauer als alle anderen. Seine Dramen umfassen nicht nur einen erstaunlich großen Wortschatz im Vergleich zu anderen bedeutenden Schriftstellern.
Wörter wie to educate, fashionable, pious, restoration und Wendungen wie to cheer someone up, a foregone conclusion und foul play finden sich zum ersten Mal in der englischen Sprache bei SHAKESPEARE, ebenso die Phrase It's Greek to me als eine Bezeichnung für eine unverständliche Ausdrucksweise.

Emanzipation der englischen Sprache

Das Verlangen nach Literatur in der Landessprache Englisch wurde immer größer. Gegen Ende der frühneuenglischen Periode hat sich Englisch schließlich durchsetzen können. Diese Selbstbehauptung gegenüber dem etablierten Latein war ein mühsamer Prozess, denn Latein dominierte alle Felder der Wissenschaft und die Literatur. Außerdem war es die einzige Sprache, die von allen Gelehrten in ganz Europa verstanden wurde.
Daher blieb die Beherrschung des Lateinischen noch lange unverzichtbar - sei es als internationales Kommunikationsmittel, sei es als angesehenes Bildungs- und Erziehungsideal oder als Voraussetzung, um klassische Literatur lesen und würdigen zu können.

Nach 1800

Die meisten griechischen Entlehnungen oder Wortbildungsmuster im Englischen stammen aus der Zeit nach 1800. Insbesondere griechische Präfixe wurden gern verwendet, um neue Begriffe zu bilden. Zu den häufigsten gehören die folgenden:

anti = gegen: antibiotic, antibody
syn = zusammen: synapse, synthesis
dia = auseinander: dialysis
hyper = oberhalb, über = hinaus: hyperactive
hypo = unter: hypodermic
mono = allein, einzig: monologue, monopoly
eu = gut: euphemism

Auch das Gegensatzpaar Philie - Phobie ist griechischen Ursprungs (philía = Freundschaft, phóbos = Furcht, Flucht) und findet sich in verschiedenen wissenschaftlichen Zusammenhängen:
In der Chemie werden die Eigenschaften von Stoffen mit den Suffixen -phil und -phob beschrieben (hydrophil, hydrophob)

Wörter griechischen und lateinischen Ursprungs sind auch fester Bestandteil anderer europäischer Sprachen, so dass ein einmal erschlossenes Lehnwort trotz leicht veränderter Erscheinung auch in einer anderen Sprache schnell zu erkennen und zu verstehen ist. Hier wird die Universalität des Griechischen deutlich, die ebenso für die Bedeutung des Lateinischen in Europa gilt.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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