Neuseeland, Maori

Ursprünge

Die Vorfahren der heutigen Maori kamen Schätzungen zufolge zwischen den Jahren 950 und 1130 aus Polynesien nach Neuseeland. Das Wort Maori bedeutete soviel wie Volk von hier oder ursprüngliches Volk und stand als Synonym für die Pakeha, die weißen Siedler aus Europa.
Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff Maori dann als Bezeichnung für die Einwohner Neuseelands verwendet, auf die die Europäer bei ihrer Ankunft stießen.
Hinsichtlich der Herkunft dieses Volkes erzählt die Maori-Mythologie von einer Insel mit dem Namen Hawaiki, die als Ursprungsort der Maori gilt und zu dem die Seelen der verstorbenen Maori auch stets wieder zurückkehren. Hawaiki hat daher eine große spirituelle Bedeutung für jeden einzelnen Maori. Der Weg von Hawaiki nach Aotearoa, dem Maori-Namen für Neuseeland, der für Land der langen weißen Wolke steht, wurde den Erzählungen nach damals in sieben für die Maori typischen Kanus (waka) bestritten. Diese Theorie, die Teil der Maori-Tradition ist und nach der die ersten Siedler aus Polynesien in einer großen Kanu-Flotte an den Küsten Neuseelands strandeten, wird heute größtenteils angezweifelt. Sprach- und Kulturwissenschaftler gehen von eher zufälligen Ankünften der polynesischen Siedler aus.

Frühe Kultur

Obwohl die Kultur der Maori bis zur Ankunft der europäischen Siedler und deren Einführung des Metalls in einigen Aspekten eher Steinzeit alterliche Züge aufwies, war sie dennoch schon hoch entwickelt. Ausgrabungen und Überlieferungen bezeugen die frühe Verwendung spezieller Werkzeuge, u. a. für die Jagd, und, besonders im wärmeren Norden, für den Anbau schnell heranreifender Feldfrüchte wie der Kumara, einer Süßkartoffelart. Im Süden fand wegen der schlechteren Anbaubedingungen eher Fischfang statt.
Auch heute spielt diese Form der Nahrungsgewinnung eine sehr große Rolle. Die Nahrungsmittel wurden in speziellen, auf Pfählen gebauten Lagerhäuser aufbewahrt und symbolisierten, noch mehr als Kriegskanus, die Stärke des jeweiligen Stammes. Die Wohnhäuser wiesen außerdem schon reiche Holzschnitzereien auf und die Schmuckherstellung befand sich auf erstaunlich hohem künstlerischem Niveau. Gesang und Tanz waren, und sind es auch heute noch, elementare Bestandteile der Maori-Tradition.

Wohnsituation

Die ersten Maori lebten in küstennahen kleineren Siedlungen, einer sogenannten kainga. Die weitere Entwicklung sah bereits besser strukturierte und größere Siedlungen vor, die pa hießen und jeweils einem Stammesgott gewidmet waren. Darin waren im Gegensatz zu den kainga schon mehrere Kochstellen und strategisch günstiger gelegene Lagerhäuser vorhanden. Ein weiterer wichtiger Bestandteil waren die Abwehranlagen, denn Verteidigung wurde dann notwendig, wenn es zu Streitigkeiten um ressourcenreiche Gebiete kam. Selbst britische Truppen mussten während der Neuseeland-Kriege (1843-1872) feststellen, wie schwer ein pa einzunehmen war.

Mythologie

Die Mythen und Legenden über den Ursprung der Erde und die Entstehung ihrer Heimat spielen eine tragende Rolle im Leben der Maoris. So sind u. a. gewisse geografische Züge Neuseelands wichtige Bezugspunkte. Flüsse haben eine kulturelle und spirituelle Bedeutung, einige Berge auf der Nordinsel sind den Maori sogar heilig.
Die Nordinsel selbst entstand der Legende nach durch den Fang eines großen Fisches, weshalb sie auch die Form eines solchen aufweist. Der Hafen Wellingtons, der Hauptstadt Neuseelands, stellt das Auge des Fisches dar. Die Maori glauben daran, dass alle lebenden Dinge von den Göttern stammen und sich in bestimmten Bergen, Flüssen und Seen widerspiegeln.

Auch der Tod ist mit der Mythologie verwoben. Stirbt ein Maori, reist dessen Seele zum Pohutukawa-Baum (New Zealand Christmas Tree) an der äußersten Spitze der Nordinsel. Von dort wandert sie in das am Fuße des Baumes gelegene Meer, um sich dann auf den Weg nach Hawaiki zu machen, wo sich die Seele mit denen der Vorfahren vereinigt.
Eine wichtige Figur der alten Mythologie ist die Eidechse, die als Abgesandte des Gottes Whiro gilt, der das Unheilvolle auf der Erde repräsentiert. Das Erscheinen einer Eidechse wird daher als böses Zeichen der Götter interpretiert. Die Eidechse findet sich aber auch als Kunstmotiv wieder, wobei hier die negativen Kräfte des Tieres in eine Art Schutz umgewandelt werden.

Das Tattoo

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Tradition der Maori ist das Tattoo. Auch hier überliefert die Mythologie eine Geschichte: Das Tätowieren (Tatauierung, polynesisch: tautu = Zeichen) begann demnach mit einer Liebesgeschichte zwischen dem jungen Mann Mataora und der Prinzessin Niwareka aus der Unterwelt. Als Mataora eines Tages Niwareka schlug, verließ diese ihn und lief zurück zu ihrem Vater. Reuevoll folgte Mataora seiner Geliebten und überwand dabei zahlreiche gefährliche Situationen und Hindernisse. Als er endlich das Königreich erreichte, in das Niwareka geflohen war, war sein Gesicht durch die Reise verschmiert und schmutzig. In diesem Zustand bat er Niwareka um Verzeihung, welche sie schließlich annahm. Niwarekas Vater bot Mataora nun an, ihn in die Kunst des Tatowierens einzuweisen - der Kunst des ta moko. Mit diesem Wissen kehrten Mataora und Niwareka zurück in die menschliche Welt.

Die Kunstfertigkeit der Maori spiegelt sich daher auch im Tätowieren wider. Die Maori sind Meister der geometrischen Formen und traditionellen Muster des Tattoos. Wer kein Tattoo vorweisen konnte, galt besonders früher als Person ohne besonderen sozialen Status.
Das Tätowieren begann mit der Pubertät und wurde nur von sehr angesehenen Personen in einer speziellen Zeremonie, begleitet von Musik und Gesängen, durchgeführt. Während dieses Vorgangs und der anschließenden Wundheilung galten bestimmte Verbote. Bei einem Gesichtstattoo durfte z. B. keine feste Nahrung aufgenommen werden, um die geschwollene Haut nicht zu infizieren.
Tattoos spielten bei Kriegern eine wichtige Rolle, um den Frauen zu gefallen, galten aber auch allgemein als Meilenstein auf dem Weg zum Erwachsenwerden oder bei anderen einschneidenden Veränderungen.

Maori im 19. und 20. Jahrhundert

Ähnlich wie die Native Americans in Amerika oder die Aborigines in Australien wurden auch die Maori mit Beginn des Zuzugs weißer Siedler systematisch in ihrem eigenen Land zurückgedrängt und als Minderheit kategorisiert. Die Traditionen der Maori wurden mehr und mehr zurückgedrängt. Auch das Gesichtstattoo, das Status und Stammenszugehörigkeit erkennen ließ, verlor an Bedeutung.

Ein gravierendes Problem stellte schließlich die Landverteilung dar. Im Jahre 1840 wurde daher der Vertrag von Waitangi zwischen den Maori und der britischen Krone geschlossen, durch den 500 Maori-Führer die Souveränität über Neuseeland an die Krone abgaben und dafür gewisse Land- und Fischereirechte erhielten sowie den Schutz der Krone über ihre Besitzungen.
Leider konnten nur 72 der 500 Maori lesen und schreiben und das schwierige Vertragswerk verstehen. Die Übersetzung sei, so die heutige Kritik, für die meisten Maori gar nicht zu verstehen gewesen. Viele andere damalige Siedler sahen sich zudem an einen mit den Maori geschlossenen Vertrag erst gar nicht gebunden. Die Streitigkeiten, die aus diesem Vertrag resultierten, mündeten bis ins 20. Jahrhundert in zahlreichen Protesten über Grundbesitzansprüche, Mitbestimmungsforderungen und Prozessen über die kulturelle Identität der Maori.

Maori heute

Durch kontinuierliche Bemühungen sind die Maori heute im Parlament Neuseelands vertreten, es gibt einen Minister für Maori Angelegenheiten sowie das New Zealand Maori Council, die Maori Women's Welfare League oder die Maori Education Foundation. Die Helden der neuseeländischen Sportnation sind die Spieler der All Blacks-Rugby-Mannschaft, die vor jedem Spiel den traditionellen haka aufführen, ein Gesang, der von aggressiven Bewegungen und Gesichtsmimik begleitet wird.
Die kulturelle Integration wird zudem durch die größer werdende Maori-Bevölkerung, die Förderung der Maori-Sprache in Schulen und Medien, gemischte Ehen und durch den verstärkten Zuzug der Maori in die Städte gefestigt. Mit Blick auf die gemischten Ehen könnte man argumentieren, dass die Zahl der Maori mit reiner Abstammung zurückgeht, doch die heutigen Maori sind der Meinung, dass derjenige ein Maori ist, der sich als ein solcher fühlt. Dieses neue Selbstbewusstsein der Maori in Neuseeland heißt Maoritanga.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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