Dienstleistungsstandort Erfurt

In wirtschaftlicher Hinsicht ist in der Stadt eine gesunde Mischung von Industrie, Gewerbe, Handwerk und Dienstleistungen vorhanden. Gerade der Dienstleistungsbereich hat seit der Wiedervereinigung Deutschlands einen bedeutenden Aufschwung erfahren:
Im Jahre 1989 waren in der Dienstleistung bzw. im tertiären Sektor der Wirtschaft ebenso viele Menschen beschäftigt wie im produzierenden Gewerbe. Zehn Jahre später sind es schon 70 % aller Erwerbstätigen, die eine Dienstleistung im weitesten Sinne ausführen. Der Anteil des sekundären Sektors ist dagegen auf knapp ein Drittel geschrumpft.

Ursachen des Strukturwandels

Die Ursachen für die Veränderung der Proportionen zwischen den Wirtschaftssektoren bzw. die Veränderung ihrer Bedeutung sind sehr vielschichtig:

  • Die Übernahme der Funktion als Landeshauptstadt Thüringens mit dem Sitz der Landesregierung hat dazu beigetragen, dass sich Erfurt zu einem Behördenstandort ersten Ranges entwickeln konnte. Im Zusammenhang mit den Standortvorteilen der Landeshauptstadt ist auch der Umzug des Bundesarbeitsgerichts von Kassel sowie weiterer Bundesbehörden in die Mitte Deutschlands zu sehen. Erfurt hat sich mit diesen und anderen behördlichen Einrichtungen, Kammern und Ämtern zum politischen Zentrum Thüringens entwickelt.
     
  • Mit der Realisierung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit, insbesondere dem sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 4, dem Bau der Thüringer Waldautobahn A 71, dem Ausbau Erfurts zum ICE-Knoten der Strecken Frankfurt-Leipzig-Dresden sowie Nürnberg-Berlin, wird Erfurt zur logistischen Drehscheibe Thüringens. Dem trägt auch der Bau des Güterverkehrszentrums im Osten der Stadt Rechnung, das zu einem der modernsten in Deutschland entwickelt wird. Über ein dem neuesten technischen Entwicklungsstand entsprechendes Bahnterminal wird ein kombinierter Ladungsverkehr ermöglicht, der die Straßenlogistik an das innereuropäische Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn anbindet. Ebenso trägt der Ausbau des internationalen Flughafens dazu bei, dass Thüringens Landeshauptstadt verkehrsmäßig mit den wichtigsten Wirtschaftsräumen Deutschlands und Europas verbunden ist. Nicht zuletzt aufgrund der aufgezeigten Infrastrukturmaßnahmen hat sich Erfurt zu einem der interessantesten Wirtschaftsstandorte zumindest der neuen Bundesländer entwickelt.
  • Die alte Handels- und Messestadt Erfurt hat nach 1990 diese Funktionen beträchtlich erweitert. Dem trug u. a. der Bau eines neuen Messegeländes mit 21000 m² überdachter Hallenfläche im Westen der Stadt Rechnung. Zahlreiche Fachmessen mit steigenden Besucherzahlen werden jährlich durchgeführt. Die Funktionalität des Messegeländes gestattet aber auch größere Ausstellungen, Sport- und Kulturveranstaltungen sowie die Durchführung von Kongressen.
  • Ebenso hat im Einzelhandel nach der Wiedervereinigung Deutschlands eine erstaunliche Entwicklung eingesetzt. So betrug die gesamte Verkaufsfläche in Erfurt 1990 lediglich 63000 m², also etwa 0,3 m² je Einwohner. Bereits bis 1995 wuchs sie auf 250000 m² an. Das waren schon 1,2 m² Verkaufsfläche je Einwohner, was etwa dem damaligen westdeutschen Durchschnittswert entsprach. Heute entfallen bereits mehr als 2 m² Verkaufsfläche auf jeden Erfurter. Den Bürgern der Stadt und ihren Gästen stehen damit ca. 530000 m² Fläche in über 2160 Handelsobjekten zur Verfügung. Etwa die Hälfte dieser Fläche entfällt auf großflächige Einzelhandelseinrichtungen ab 2000 m². Diese liegen z. T. im innenstadtnahen Bereich, zum größeren Teil jedoch in den größeren in Plattenbauweise errichteten Wohngebieten der Außenbezirke. Daneben bekamen die kleinen Einzelhändler in der Stadt die Chance, nach jahrzehntelangen Restriktionen ihre Unternehmen marktwirtschaftlich zu führen.
  • In Erfurt ist es weitestgehend gelungen, die Innenstadt zu stärken und ihr historisch geprägtes Zentrum handelsseitig so zu gestalten, dass ein Nebeneinander der unterschiedlichen Einrichtungen langfristig möglich ist. Dafür sorgt ein breit gefächertes Angebot aller Branchen vom gehobenen bis zum preiswerten Sortiment durch Einzelhandelseinrichtungen der verschiedenen Betriebsformen und -größen in modernen Geschäften.

  • Eine hohe Beschäftigungsdichte wird auch bei Schulen und Hochschulen sowie im Gesundheits- und Veterinärwesen erreicht. Mit der Neugründung der Erfurter Universität 1994, deren Aufbau inzwischen abgeschlossen ist, sollen mittelfristig bis zu 4000 flächenbezogene Studienplätze geschaffen werden. Die Universität soll sich zu einem Ort des Nachdenkens und Vorausdenkens der modernen Gesellschaft über sich selbst profilieren und wird u. a. auch ein „Kompetenzzentrum für Handel und Dienstleistungen unter den Bedingungen der Globalisierung“ gründen. Überhaupt weist der Bildungsstandort Erfurt, zu dessen tragenden Säulen auch die Fachhochschule, weitere Fachschulen und staatliche berufsbildende Schulen gehören, ein breitgefächertes Bildungsangebot auf.
  • Einen bedeutenden Aufschwung hat ebenso der Tourismus erfahren. Er ist nicht nur für Erfurt, sondern allgemein für die neuen Bundesländer, die sehr auf die Tertiärisierung der Wirtschaft setzen, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Gerade Erfurt mit seinem in jüngster Zeit aufwendig sanierten mittelalterlichen Stadtkern, zahlreichen Kunst- und Kulturstätten sowie publikumswirksamen Kulturprojekten und nicht zuletzt mit der ega, der Erfurter Gartenbauausstellung als einem der größten „Blumenbeete“ Deutschlands, hat diesbezüglich viel zu bieten. Auf einem Teil des Areals der ega hat der Mitteldeutsche Rundfunk in den letzten Jahren einen Medienstandort errichtet. Hier wird u. a. der „Kinderkanal“ produziert.
  • Im Hinblick auf den Freizeit- und Erholungswert der Stadt ist eine Aufwertung in Verbindung mit der Neugründung zahlreicher Sport-, Fitness- und Wellnesscenter geschehen. Sie tragen den gestiegenen Freizeit- und Gesundheitsansprüchen der Bürger Rechnung und locken auch zahlreiche Touristen an. Spaßbäder und andere großflächige Freizeiteinrichtungen, die zumeist in Nähe der Stadtgrenze angesiedelt sind, ergänzen das Spektrum touristischer Einrichtungen. Jüngstes Beispiel ist die Einweihung der Erfurter Eissporthalle zum Jahresende 2001.

Den zahlreichen Gästen der Stadt stehen mehr als 5000 Betten aller Kategorien an Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. An ihrer Auslastung von durchschnittlich 40 % (im Jahr 2000) spiegelt sich ebenfalls die wirtschaftliche Lage des Dienstleistungsgewerbes wider.

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