Bürgerkönig Louis Philippe

Die Julirevolution von 1830

Nach der Abdankung NAPOLEONS war der im Exil lebende Bourbonenkönig LUDWIG XVIII. nach Frankreich zurückgekehrt. Er war aber wegen seines Verhaltens während der Französischen Revolution beim Volk wenig beliebt. Deshalb besaß er kaum Anhänger und hatte keine soziale und politische Verwurzelung in der französischen Gesellschaft.

Sein Bruder und ab 1814 sein Nachfolger auf dem französischen Thron, KARL X., war noch weniger als sein Vorgänger in der Lage, die französische Nation zu versöhnen. Die Opposition gegen die Bourbonen wuchs an. Wirtschaftskrisen ab 1825 führten zu Hungerrevolten unter der Bevölkerung. Immer unversöhnlicher standen sich gemäßigte Liberale und äußerst konservative Ultraroyalisten gegenüber. Und immer häufiger diktierten allerdings die Ultras die von der königlichen Regierung erlassenen Gesetze. Dadurch wuchs die Zahl der Unzufriedenen in nahezu allen Bevölkerungsteilen Frankreichs noch an.
Nach den Neuwahlen, die 1828 stattfanden, war die Zweite Kammer des französischen Parlaments mehrheitlich von der liberalen Opposition als Interessenvertreter der Unzufriedenen besetzt. Als KARL X. jedoch einen antirevolutionären Fürsten zum Ministerpräsidenten berief, was sich als klare Fehlbesetzung erwies, sprach die Kammer im März 1830 eine Art Misstrauensvotum gegen den König und den Ministerpräsidenten aus.
KARL X. löste daraufhin die Kammer auf, und es kam zu Neuwahlen. Aus denen ging aber die Opposition sogar noch weiter gestärkt hervor. Der König ließ sich nun zu einem Staatsstreich verleiten:
Mit vier einseitig von ihm erlassenen Gesetzen löste er die Zweite Kammer auf. Darüber hinaus hob er die Pressefreiheit auf und änderte das Wahlgesetz.
Die Folge war, dass in Paris die Julirevolution von 1830ausbrach. Träger dieses Aufstandes waren Studenten, Journalisten, Arbeiter und politische Emigranten, die alle Anhänger der Republik waren. In harten Straßenkämpfen, die vom 27. bis 29. Juli 1830 andauerten, wurde die Regierung und das Königtum der Bourbonen hinweggefegt. Die fast ausschließlich aus Bürgerlichen zusammengesetzte Zweite Kammer des Parlaments behielt das Heft des Handelns in der Hand.

Nach dem Sturz des letzten Bourbonenkönigs durch die Julirevolution forderte die Kammer nun den Prinzen LOUIS PHILIPPE von Orléans auf, den Thron als „Roi des Française“, als Bürgerkönig, zu besteigen. Verbunden damit war die Annahme der Trikolore, des Symbols der Französischen Revolution. LOUIS PHILIPPE nahm die Krone aus den Händen der Zweiten Kammer des Parlaments mit seiner bürgerlich-liberalen Mehrheit an.

Politische Entwicklung bis 1847 in der Julimonarchie

Unter dem Bürgerkönig, in der Zeit der sogenannten Julimonarchie, vollzogen sich in Frankreich eine Reihe politischer Veränderungen und Reformen. Sie waren von breiten Teilen der Bevölkerung lange erwartet worden, führten aber zugleich auch zu neuen Problemen und Konflikten in der Gesellschaft und damit an die Schwelle der nächsten Revolution:

  • Am 14. August 1830 trat eine neue Verfassung in Kraft, die eigentlich nur eine geänderte Form der Verfassung von 1814 darstellte. Sie war durch das Zusammenwirken von König und Zweiter Kammer zustande gekommen. Auch das Wahlrecht wurde geändert, begünstigte aber dennoch nach wie vor das besitzende Bürgertum, das den König ja auf den Thron gehoben hatte. Statt der 100 000 aktiven Wahlberechtigten unter KARL X. gab es aber jetzt schon etwas mehr als 200 000 zur Wahl berechtigte Bürger. Da die Gesamtbevölkerung in Frankreich zu dieser Zeit ungefähr 33 Millionen Menschen umfasste, war mit diesem immer noch sehr begrenzten Wahlzensus bereits ein Grundstein für weitere politische Auseinandersetzungen gelegt.
  • Laut neuer Verfassung hatten der König und die Kammer weiterhin das gleiche Recht zur Gesetzgebung. Nur das bislang praktizierte Recht des Königs, Notverordnungen zu erlassen, fiel weg. Dass der König allerdings, ohne die Kammer zu befragen, Minister ernennen konnte, war weiterer politischer Sprengstoff.
  • Im Verhältnis von Kirche und Staat wurden endlich alle christlichen Religionen, vor allem die evangelische und die katholische, einander gleichgestellt. Die Besoldung der Pfarrer aller Konfessionen erfolgte nun durch den Staat.
  • Eine Bürgerwehr, die sich aus dem mittleren und kleinen Bürgertum rekrutierte, wurde gebildet, die Garde Nationale. Mitglied in der Garde Nationale konnte nur werden, wer Steuern zahlte. Die Ausrüstung musste selbst bezahlt werden. Die Garde Nationale war für die Regierung des Bürgerkönigs ein wichtiges Instrument zur Verhinderung von Unruhen. So war sie entscheidend an der Niederschlagung von Arbeiteraufständen in den frühen 30er Jahren beteiligt.
  • Mit der Gemeindeverfassung von 1831 wurden Gemeinderäte und die Räte der Arrondissements (Kreise) nicht mehr von der Zentralgewalt ernannt. Sie wurden jetzt von der örtlichen Bevölkerung gewählt. Dies bedeutete eine Demokratisierung zumindest auf der unteren Ebene.
  • Auch neue Schulgesetze wurden erlassen, die das politische System durch Erziehung und Bildung sichern helfen sollten. So sah das Gesetz über die Primarschulausbildung von 1833 vor, dass in jeder Gemeinde mit über 500 Einwohnern eine Volksschule sein sollte. Die Primarschulen wurden später für die republikanische Entwicklung sehr wichtig, deren Basis auch die Volksschullehrer bildeten.

Nach einem misslungenen Attentat auf LOUIS PHILIPPE im Jahre 1835 setzten sich in der Regierung des Bürgerkönigs jene Kräfte durch, die strikt gegen die Weiterentwicklung der Verfassung und politische Reformen waren.
Sie sahen in der offensiven Abwehr möglicher Volksunruhen, notfalls durch den Einsatz militärischer Kräfte, das richtige Instrument zur Stabilisierung der bürgerlichen Monarchie. Unmittelbare Folgen dieser neuen Politik waren die Verhärtung und das Erstarren des Regimes in den Jahren seit 1840, die sich u. a. in einer umfangreichen Pressezensur sowie in strikten Versammlungsverboten äußerten.
Das außenpolitische Krisenjahr 1840 wurde zu einer ersten ernsthaften Herausforderung für die Julimonarchie. Ausgangspunkt war die von Frankreich ausgelöste Orientkrise. Getragen von einer nationalistischen Welle in Parlament und Presse hatte sich der Ministerpräsident THIERS für die Herauslösung Ägyptens aus dem Osmanischen Reich ausgesprochen. Dies führte zu einer Ächtung Frankreichs durch die übrigen europäischen Großmächte. Aus Furcht vor einer außenpolitischen Isolierung und auf Druck der nationalistischen Presse in Frankreich lenkte THIERS die Orientkrise in eine Diskussion um die Rheingrenze um. Dies rief natürlich sofort Preußen auf den Plan. THIERS ließ deshalb zum Krieg gegen den Deutschen Bund rüsten. Damit wollte er auch von den sich verstärkenden innenpolitischen Problemen ablenken.
Die Spannungen verschärften sich immer mehr. Um die emotional aufgeladene Stimmung zu entschärfen, entließ LOUIS PHILIPPE den glücklosen THIERS. Sein Nachfolger setzte die bereits vor der Julirevolution begonnene Kolonialisierung Algeriens fort, die 1847 mit der vollständigen Eroberung des Landes endete.

Alle diese Aktionen konnten jedoch die angespannte innenpolitische Situation nicht entschärfen. Da das Regime auch weiterhin jegliches Begehren der Opposition nach politischer Mitsprache ablehnte, wurden die Forderungen nach Abschaffung des Wahlzensus immer lauter. Weiterhin wurde das Ansehen der Regierung und der Oberschicht durch Korruptionsskandale schwer erschüttert.
Die schweren Hungers- und Teuerungskrisen 1845–1847 taten das Übrige und trieben die Not breiter sozialer Schichten auf den Höhepunkt.
Eine Situation war erreicht, in der es nur eines Funken bedurfte, um den Aufstand auszulösen.
Dieser Funke sprang am 22. Februar 1848 über und löste den Pariser Barrikadensturm aus.

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