Ursachen für den Zusammenbruch Preußens

Das Ende der Neutralitätspolitik

In mehreren Feldzügen und Kriegen hatte NAPOLEON halb Europa unterworfen. Preußen war bis 1806 der einzige große Staat in Mitteleuropa, der von NAPOLEON bisher noch nicht in den Krieg verwickelt worden war. Seit dem Frieden von Basel 1795, in dem Preußen aus der Koalition der Gegner NAPOLEONs vorerst ausgeschieden war, hatte Preußen seine Neutralität gewahrt. In der Zusammenarbeit mit Frankreich hatte das Land sogar Nutzen aus dieser Neutralitätspolitik gezogen.
Jedoch zeigte sich auch immer mehr, dass die preußische Regierung sehr schwankend und schwach war. Die beiden verbliebenen kontinentalen Großmächte Frankreich und Russland setzten Preußen unter Druck. Jede für sich machte deutlich, dass sie sich über seine Neutralität hinwegsetzen würde, wenn es sich ihr auf Verlangen nicht anschließen würde.
1806 gelang es NAPOLEON, die preußische Regierung in eine politische Falle zu locken. Er gestattete Preußen die Annexion Hannovers. Das war aber in Personalunion mit seinem Erzfeind England verbunden. Für die Erlaubnis zur Annexion Hannovers musste Preußen die Häfen Norddeutschlands schließen und sich somit an der Kontinentalsperre gegen England beteiligen.
Diese unkluge Außenpolitik Preußens hatte Folgen. Sie führte dazu, dass ein Bündnis mit England nicht mehr zustande kam. Und in diesem ungünstigsten aller Momente trat das Land noch dazu in den Krieg gegen Frankreich ein.

Veraltetes Militärwesen und zu spät begonnene Reformen

Hinzu kam ein schlecht beratener, zaudernder und seiner Aufgabe nicht gewachsener preußischer König FRIEDRICH WILHELM III.
Die militärische Führung war total überaltert und nicht mehr ihren Aufgaben gewachsen, folglich völlig unbrauchbar. Das hatte sich schon in den frühen Revolutionskriegen gezeigt, z. B. 1792 im Verlauf der Kanonade von Valmy. Die preußische Armee operierte noch wie zu Zeiten FRIEDRICHS DES GROSSEN. Dies alles zusammengenommen, waren schon mehr als genug Gründe für das Versagen gegenüber NAPOLEON.
Weitere Ursachen für den Zusammenbruch Preußens lagen aber auch in der inneren Erstarrung des Staates. Während der Phase der Neutralität wurde es versäumt, Lehren aus der Französischen Revolution zu ziehen. Dabei gab es durchaus ansprechende Reformansätze und auch fähige Minister und Verwaltungsbeamte. So hatte die preußische Regierung für etwa 50 000 Bauern die Erbuntertänigkeit, die Bindung an die Scholle, den Gesindezwangsdienst und die Fronarbeit abgeschafft. Die Bauern konnten nun erbliches Besitzrecht an den von ihnen bewirtschafteten Höfen erwerben.
Auch die beiden Männer, die für die Geschichte Preußens nach dem Zusammenbruch maßgeblich werden sollten, STEIN und HARDENBERG, begannen bereits in dieser Zeit ihre Reformideen zu verwirklichen:

KARL REICHSFREIHERR VOM UND ZUM STEIN bereitete schon 1804 die Herstellung eines einheitlichen preußischen Wirtschaftsgebietes ohne Binnenzölle vor. Schon vorher hatte er in der Bergwerksverwaltung in den rheinisch-westfälischen Gebieten Preußens zukunftsfähige Reformvorstellungen entwickelt.

KARL AUGUST GRAF VON HARDENBERG war in Ansbach-Bayreuth für die Eingliederung des Landes in die preußische Verwaltung verantwortlich und hatte dort eine zwar rücksichtslose, aber doch weitschauende Modernisierung der Verwaltung nach den Prinzipien der Aufklärung durchgeführt.

Das gesamte starre Gesellschaftsgefüge des preußischen Staates konnte jedoch vor dem Zusammenbruch im Jahre 1806 nicht aufgebrochen werden. Die Reformansätze erfassten nicht das ganze Land, sondern blieben lokal begrenzt. Es bedurfte erst der Katastrophe von 1806 und des totalen Versagens des preußischen Staates, um die vorhandenen Reformvorstellungen umsetzen zu können.

Der Zusammenbruch

Die in den bisherigen Koalitionskriegen erfolgreiche Taktik NAPOLEONS waren Blitzkriege und Entscheidungsschlachten. So hatte er im 3. Koalitionskrieg in der sogenannten Dreikaiserschlacht bei Austerlitz am 2. Dezember 1805 die Österreicher und die Russen entscheidend geschlagen.

Das gleiche Schicksal erlitt Preußen ein Jahr später in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806. Wenige Tage später zog NAPOLEON kampflos in Berlin ein, das der König fluchtartig Richtung Ostpreußen verlassen hatte. In Berlin diktierte der „Kaiser der Franzosen“ Preußen, dem die Neutralitätspolitik im 3. Koalitionskrieg nicht geholfen hatte, seine Friedensbedingungen.
Im Frühjahrsfeldzug des folgenden Jahres 1807 wandte sich NAPOLEON erneut den Russen zu. In Ostpreußen konnte er die russische Armee, geführt von Zar ALEXANDER I., stellen und in zwei Schlachten, bei Preußisch-Eylau und bei Friedberg, besiegen.

Im Sommer 1807 unterzeichneten dann der russische Zar und der Franzosenkaiser in Tilsit (Ostpreußen) den Friedensvertrag. Der Frieden von Tilsit ordnete mit dem Entstehen neuer Staaten, z. B. des Großherzogtums Warschau unter der Ägide des Königs von Sachsen, die politische Landkarte Europas völlig neu. Seine bitterste Stunde erlebte aber Preußen: Sein Territorium wurde auf ein Viertel reduziert. Das Heer wurde auf 42 000 Mann beschränkt, und das Land verblieb unter französischer Besatzung, bis die hohen Kriegsentschädigungen an Frankreich bezahlt waren.

NAPOLEON und LUISE VON PREUSSEN in Tilsit zum Vier-Augen-Gespräch (1807).

NAPOLEON und LUISE VON PREUSSEN in Tilsit zum Vier-Augen-Gespräch (1807).

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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