Avantgarde heute

Avantgarde als Brückenschlag zwischen Tradition und Zukunft ist für jede Generation von Komponisten eine Herausforderung geblieben. So suchte jede Generation nach eigenen Wegen, dem damit verbundenen Anspruch gerecht zu werden, was die Musikentwicklung der letzten dreißig Jahre entscheidend geprägt hat und auch für die Hörer zu einer Herausforderung geworden ist.

Wichtige Vertreter der Avantgarde heute

CORIÚN AHARONIÁN
* 04.08.1940 Montevideo (Uruguay)

  • studierte Musik und Architektur in Uruguay und setzte das Studium in Argentinien, Chile, Frankreich, Deutschland und Italien fort. Er komponiert elektroakustische und instrumentale Musik, seine Musik zeigt seine tiefe Verwurzelung in Kultur und Tradition Lateinamerikas und ein ausgeprägtes politisches Engagement. AHARONIÁN ist auch als Dirigent tätig.

HEINER GOEBBELS
* 17.08.1952 Neustadt an der Weinstraße

  • lebt in Frankfurt/Main. Er studierte Soziologie und Musik und arbeitete als Musiker in diversen Formationen:
    SOGENANNTES LINKSRADIKALES BLASORCHESTER (1976–1981),
    GOEBBELS/HARTH-DUO (1976–1988),
    – Avantgarde Rock Trio CASSIBER (1982–1992).
     GOEBBELS schrieb Theatermusik (u.a. für HANS NEUENFELS, * 1941; CLAUS PEYMANN, * 1937; MATTHIAS LANGHOFF, * 1941; RUTH BERGHAUS, * 1927), Filmmusik (u.a. für HELKE SANDER, * 1937, DONATELLO DUBINI, * 1955) und Ballettmusik (Ballett Frankfurt). Mitte der 1980er-Jahre entstanden Hörspiel- und Radioproduktionen. GOEBBELS ist seit April 1999 Professor an der Justus Liebig Universität in Giessen. 2002 entstand seine erste Oper „Landschaft mit entfernten Verwandten“. Mit seinen Werken nimmt er Bezug auf gesellschaftliche Verhältnisse, bedient sich musikalischer Mittel sowohl aus dem Bereich der sogenannten E-Musik wie der sogenannten U-Musik.
HEINER GOEBBELS (* 1952)

HEINER GOEBBELS (* 1952)

Avantgarde heute - Foto von Heiner Goebbels

FRIEDRICH GOLDMANN
* 27.04.1941 Siegmar-Schönau, bei Chemnitz

  • war 1951–1959 Mitglied des Dresdner Kreuzchores. 1959–1962 absolvierte er ein Studium an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden; 1962–1964 war er Meisterschüler bei RUDOLF WAGNER-RÉGENY (1903–1969) an der Deutschen Akademie der Künste in Berlin. Er arbeitete als musikalischer Mitarbeiter am „Berliner Ensemble“; studierte 1964–1968 Musikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität und übernahm in dieser Zeit erste Kompositions-Aufträge. Seit 1968 ist er freischaffender Komponist in Berlin. 1991 wurde er Präsident der Gesellschaft für Neue Musik, Sektion Bundesrepublik Deutschland. GOLDMANN ist Professor für Komposition an der Hochschule der Künste Berlin. Sein kompositorisches Schaffen orientiert sich an architektonisch geschlossener, komplex durchstrukturierter Musik, er verwendet klassische Formmodelle und verbindet serielle Techniken mit Aleatorik (Orchester- und Kammermusikwerke, Klavier-, Orgel- und Liedkompositionen sowie Musiktheater, Film- und Fernsehmusik).

ALAN HILARIO
* 1967 Manila (Philippinen)

  • lebt als freischaffender Komponist in Ulm. Seine Kompositionen verbinden philippinische mit westeuropäischer Tradition; er komponierte Kammermusik für diverse Besetzungen, Chorwerke und arbeitet mit verschiedenen Medien und Live-Elektronik.

KLAUS HUBER
* 30.11.1924 Bern (Schweiz)

  • nahm Kompositionsunterricht bei WILLY BURKHARD (1900–1955) in Zürich und bei BORIS BLACHER (1903–1975) in Berlin. 1959 folgte der internationale Durchbruch mit der Kammerkantate „Des Engels Anredung an die Seele“. HUBER entwickelte die serielle Technik in seinen Kompositionen weiter, verwendet Collage- und Montageverfahren und beschäftigt sich mit einer ästhetisch subtilen Differenzierung des Klangmaterials, wobei er seine politischen und religiösen Vorstellungen sowie die Auseinandersetzung mit Tradition und Zukunft einbezieht (vor allem Kompositionen für Kammerensemble, Orchester, Tonband).

NICOLAUS A. HUBER
* 15.12.1939 Passau

  • absolvierte 1958–1962 ein Studium der Schulmusik an der Münchner Musikhochschule. 1964–1967 studierte er Komposition bei GÜNTHER BIALAS (1907–1995). HUBER versucht mit seinen Kompositionen, die von seinem politischen Denken beeinflusst sind, individuelle Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit ästhetisch zu vermitteln; er verwendet musikalische Elemente, Sprache und Rhythmen (Kompositionen für Kammerensemble, Orchester, Tonband und Multimedia).

GEORG KATZER
* 10.01.1935 Habelschwerdt (Schlesien)

  • studierte Komposition in Berlin und Prag. Er war Meisterschüler von HANNS EISLER (1898–1962) an der Akademie der Künste der DDR. Seit 1963 arbeitet er als freischaffender Komponist in Berlin. KATZER ist Mitglied der Akademie der Künste von Berlin-Brandenburg, der Freien Akademie Leipzig und der Akademie für Elektroakustische Musik in Bourges/Frankreich. In seinen Kompositionen verwendet er Collage- und Montagetechniken und bezieht elektroakustische Mittel ein (u.a. Kammermusik, Musik für Orchester und Chöre, Oper, Lieder und elektroakustische Kompositionen).

HERMANN KELLER
* 1945 Zeitz

  • absolvierte 1963–1968 ein Studium in den Fächern Komposition und Klavier an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Seit 1980 arbeitet er freischaffend als Komponist und Pianist in Berlin. Seine Kompositionen zeichnen sich durch ihre Kompromisslosigkeit aus, die ihn klangliche Prozesse extrem zuspitzen lässt. Er arbeitet mit Elementen verschiedener Genres, z.B. Jazz, Neue Musik und Folklore (Werke für verschiedene Besetzungen).

HANSPETER KYBURZ
* Juli 1960 in Lagos (Nigeria)

  • studierte Komposition in Graz. Er zog 1982 nach Berlin, wo er seine Kompositionsstudien fortsetzte und Philosophie, Kunstgeschichte sowie Musikwissenschaft studierte. Seit 1997 ist er Professor für Komposition an der Hochschule für Musik Berlin. KYBURZ knüpft mit seinen Kompositionen bewusst an traditionelle Formen der Musik an, wobei er diese verfremdet und differenziert und damit musikalisch scheinbar Vertrautes in Widersprüchliches verwandelt. Mathematische Prozesse, Algorithmen bestimmen oft die Feinstruktur seiner Werke (Kompositionen für Kammerensemble, Orchester und verschiedene Besetzungen).

CLAUS-STEFFEN MAHNKOPF
* 22.10.1962 Mannheim

  • absolvierte 1984 ein Studium der Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie an den Universitäten Heidelberg, Freiburg und Frankfurt. MAHNKOPF schreibt vor allem Kammermusik, ist aber durch sein Musiktheaterschaffen bekannt geworden, das sich zwischen Musik, Theater, Spektakel und Event bewegt und oft Bestandteil umfassenderer Werkkomplexe ist, bei denen die Texte die jeweilige kompositorische Vorgehensweise bestimmen und konventionelle Konzertsituationen aufgelöst werden (Werke für verschiedene Besetzungen, Einsatz von Elektroakustik und Live-Elektronik).

ISABEL MUNDRY
* 20.04.1963 Schlüchtern

  • absolvierte ein Kompositionsstudium in Berlin und Frankfurt am Main und ist seit 1996 Professorin an der Frankfurter Musikhochschule. Sie setzt sich in ihren Kompositionen mit Zeit und Raum auseinander, mit deren prozesshafter Wahrnehmung und strukturellen Konstellationen, wobei differenzierte Klangbewegungen, Klangfarbenwechsel, changierende Klangdichte und Dynamik ihre Werke auszeichnen. Zunächst komponierte sie vor allem für Ensemble; 1995 entstanden ihre ersten Orchesterwerke.

OLGA NEUWIRTH
* 04.08.1968 Graz (Österreich)

  • absolvierte 1987–1993 ein Kompositionsstudium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Wien. Sie arbeitet in verschiedenen Ländern als freiberufliche Komponistin. 2003 fand die Uraufführung des Musiktheaters „Lost Highway“ nach dem gleichnamigen Film von DAVID LYNCH (* 1946) statt (Libretto: ELFRIEDE JELINEK, * 1946, und OLGA NEUWIRTH). Ihre Kompositionen werden oft als labyrinthisch und rätselhaft beschrieben, sie entwirft expressionistische, skurrile Klangspiele mit erweitertem Instrumentarium, das klangliche Eigenart aber auch symbolische Bezüge mit sich bringt, z.B. bayrische Zithern, Ambosse, Sirenen und Alltagsgegenstände (Kammermusik, Werke für Orchester und für diverse Besetzungen).

HELMUT OEHRING
* 16.07.1961 Berlin

  • war als Sohn gehörloser Eltern nach seiner Ausbildung zum Baufacharbeiter zunächst in verschiedenen Berufen tätig. Seit 1984/1985 beschäftigt er sich mit komponierter Musik der europäischen Moderne. Er ist Gitarrist und Komponist, Autodidakt. Zu seinen Arbeiten gehören Solowerke, Kammermusik, Streichquartette, Bläserquintette, Orchesterwerke, Opern, Elektronik, Theatermusik, Liederzyklen, Filmmusik, Hörspiele, Musikvideos und ein LeseHörBuch. Kennzeichnend für seine Kompositionen ist das konzentrierte, dichte Verweben von verschiedenen Klangfarben und Rhythmen, mit denen er eine ganz besondere musikalische Gestik entwickelt, die gleichzeitig eine scharfe, präzise und freie Sprache assoziiert.

YOUNGHI PAGH-PAAN
* 30.11.1945 Cheongju (Südkorea)

  • wurde international bekannt durch die Aufführung ihres Orchesterwerkes „SORI“ bei den Donaueschinger Musiktagen 1980. Ihre Werke versuchen das Wesen koreanischer Musikkultur mittels westlicher Kompositionstechniken zu erneuern. PAGH-PAAN lebt in Bremen und Panicale (Italien).

GRACIELA PARASKEVAIDIS
* 1940 Buenos Aires (Argentinien)

  • ist Komponistin, Musikwissenschaftlerin und Pädagogin. Sie gehörte zum Organisationskomitee der Cursos Latinoamericanos de Música Contemporánea. Sie lebt in Montevideo, Uruguay, und schreibt u.a. für Kammerensemble sowie Vokalwerke und Klaviermusik, in denen sie versucht, ihre eigene Tradition mit der westlichen Avantgarde zu verbinden.

ARIBERT REIMANN
* 04.03.1936 Berlin

  • begann 1955 mit der Arbeit als Korrepetitor an der Städtischen Oper in Berlin und einem Studium an der Berliner Musikhochschule, u.a. bei BORIS BLACHER (1903–1975). 1959 wurde in Essen an den Städtischen Bühnen sein Ballett „Stoffreste“ nach einem Libretto von GÜNTER GRASS (* 1927) uraufgeführt. Mit „Ein Traumspiel“ (1965) nach AUGUST STRINDBERG (1849–1912) begann REIMANNs erfolgreiche Arbeit als Opernkomponist. Musiktheater und Lied sind die Schwerpunkte seines künstlerischen Schaffens; er ist einer der führenden deutschen Opernkomponisten.

FREDERIC RZEWSKI
* 1938 Westfield (Massachusetts)

  • absolvierte ein Studium der Musik an der Harvard und der Princeton Universität. 1960 folgte ein Studium in Italien bei LUIGI DALLAPICCOLA (1904–1975). Dort traf RZEWSKI SEVERINO GAZZELLONI (1919–1992), mit dem er viele Konzerte aufführte. Er begann eine Karriere als Pianist neuer Musik und ist seit 1977 Professor für Komposition am Conservatoire Royal de Musique in Liege, Belgien, lehrte aber auch an der Hochschule für Musik Karlsruhe und an der Hochschule der Künste Berlin. Für RZEWSKI, der sich als ein politischer Komponist versteht, ist Musik in erster Linie eine spontane kollektive Aktion, die sich in einem Klangprozess manifestiert. Er schrieb für Klavier, diverse Kammermusikbesetzung, aber auch ein 1987/1988Oratorium nach dem Text von PETER WEISS’ (1916–1982) „Ermittlung“.

SALVATORE SCIARRINO
* 04.04.1947 Palermo (Italien)

  • begann als Autodidakt mit zwölf Jahren zu komponieren. Er lebt in Cittá di Castello auf Sizilien. Seine Kompositionen zeichnen sich durch die spezifische Wahl des Klangmaterials aus sowie durch die besondere und transparente musikalische Artikulation; sie werden weltweit aufgeführt.

FRIEDRICH SCHENKER
* 23.12.1942 Zeulenroda, Thüringen

  • absolvierte 1961–1964 ein Studium der Komposition und Posaune an der Hochschule für Musik in Berlin und setzte seine Studien an der Leipziger Musikhochschule fort. 1964–1982 wirkte er als Solo-Posaunist im Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig. 1970 war er Mitbegründer der Gruppe neue Musik „Hanns Eisler“ Leipzig. Die Jahre 1973–1975 verbrachte er als Meisterschüler an der Ostberliner Akademie der Künste bei PAUL DESSAU (1894–1979). Ab 1982 arbeitete als freiberuflicher Musiker und Komponist. SCHENKER lebt seit 1990 in Berlin. Er ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg und seit 1996 Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste Dresden sowie Mitglied der Freien Akademie der Künste Leipzig. Er ist bekannt für Improvisationen und experimentelle Kompositionen, oft am Jazz orientiert, in denen er die Interpreten als Mitschöpfer einbezieht (Kompositionen für verschiedene Besetzungen, Musiktheater, Funkoper u.a.).

MATHIAS SPAHLINGER
* 15.10.1944 Frankfurt am Main

  • ist Professor für Komposition an der Musikhochschule in Karlsruhe, seit 1990 an der Hochschule für Musik Freiburg; dort leitet er das Institut für Neue Musik. Seine Werke sind gekennzeichnet durch ein „Neu-Aushören“ des Klanges, durch den Einsatz neuer Spieltechniken und durch die Verwendung eines erweiterten Instrumentariums (Instrumente des Alltags, z.B. Kochtöpfe, Flaschen, Kleiderbürsten; vor allem Kompositionen für Kammerensemble und Orchester).

GERHARD STÄBLER
* 1949 in Wilhelmsdorf bei Ravensburg

  • studierte Komposition (u.a. bei NICOLAUS A. HUBER, * 1939, s.o.) in Detmold und Essen. Er war nicht nur als Komponist aktiv, sondern auch politisch und auf organisatorischem Gebiet engagiert. STÄBLER konzipierte die „Aktive Musik“. Seit den 1990er-Jahren entstehen Werk-„Gruppen“, die einen Themenkomplex von verschiedenen Seiten musikalisch ausleuchten (z.B. die Kompositionen um das Bühnenwerk „CASSANDRACOMPLEX“). Ausgehend von der seriellen Technik beziehen sich seine Kompositionen auf verschiedene musikalische und inhaltliche Elemente, denen er eine universelle Bedeutung zuweist, wobei er gesellschaftlich-politischen Intentionen folgt und außermusikalische Gegebenheiten in den musikalischen Ablauf einbezieht (u.a. Kompositionen für Kammerensemble, Orchester, auch für das Publikum und diverses Instrumentarium des Alltags, u.a. Arbeit mit Tierstimmen, Musiktheater, Multimedia).

JAKOB ULLMANN
* 1958 Freiberg, Sachsen

  • absolvierte ein Orgelstudium; er studierte in der Meisterklasse von FRIEDRICH GOLDMANN (* 1941, s.o.) an der Akademie der Künste in Berlin. Ausgehend von einer kritischen, undogmatischen Nutzung des Serialismus entwickelte er eine musikalische Sprache, für die eine fein differenzierte Auslotung von Klang, Geräusch und Stille typisch ist.
    Seine Musik – instrumentale Kammer- und Orchestermusik, Vokal- und Orgelwerke – ist immer undramatisch und leise. Wichtiger Impuls seines Komponierens ist sozialkritisches Denken in dem Sinne, dass er durch Musik keine Botschaften und neue Ausdruckswerte verkündet, sondern das Hören als besondere, sinnliche Form des Nachdenkens sensibilisieren möchte.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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