- Lexikon
- Musik
- 4 Musikgeschichte
- 4.3 Musik im Zeitalter des Absolutismus und Barock (1580-1760)
- 4.3.1 Barock, Generalbass, konzertierender Stil
- Concerto grosso zwischen Suite und Ritornellform
Im Barock kann man zwischen drei Arten des Instrumentalkonzerts unterscheiden, die verschiedene Besetzungsmöglichkeiten aufzeigen.
Die Wurzeln des Concerto-grosso-Typus liegen in der Triosonate mit der charakteristischen Besetzung: zwei höhere Melodieinstrumente (Violine, Flöte, Oboe u.a.) und Generalbass (Cembalo und Bassmelodieinstrument). Diese dreistimmige Anlage entspricht dem Concertino-Part im Concerto grosso. Die Triosonate tritt sowohl in Gestalt
Dabei handelt es sich um die zwei Hauptformen der Sonate, die seit der Mitte des 17. Jh. voneinander abzugrenzen sind.
Charakteristisch für die Kirchensonate ist ihre Viersätzigkeit (ausnahmsweise 3 oder 5 Sätze) und die kontrastierende Satzfolge: langsam – schnell – langsam – schnell (daneben: schnell – langsam – schnell – schnell). Einem langsamen geradtaktigen Einleitungssatz folgt meist ein schneller fugierter 2. Satz. Es schließt sich wiederum ein langsamer Satz an, diesmal aber in ungerader Taktart nach dem Vorbild einer Sarabande. Der schnelle Schlusssatz ist meist fugiert und oft in tanzartigem Rhythmus nach Art einer Gigue, eines Menuetts oder einer Gavotte gestaltet. Alle Sätze beruhen auf einem einheitlichen motivischen und melodischen Material sowie auf einem festen Modultationsgerüst.
Die Kammersonate besteht zumeist aus drei verschiedenen Tanzsätzen in gleicher Tonart. In der Regel handelt es sich um die Folge: Allemande – Corrente oder Sarabande – Giga oder Gavotte, denen oft noch ein Präludium vorangestellt ist.
Beide Sonaten-Formen näherten sich Ende des 17. Jh. einander an. Es wurden Sätze mit Tanzcharakter in die Sonata da chiesa überführt bzw. Sätze, die nach Art der Kirchensonate gebildet waren, in die Kammersonate eingefügt. In diesem Zusammenhang entsteht die Form des Concerto grosso, das die Satzfolge und die Formtypen beider Sonaten-Modelle in sich aufnimmt. Im Zuge der Angleichung von Kirchen- und Kammersonate entwickelt sich schließlich die „neutrale“ Triosonate. ARCANGELO CORELLI (1653–1713) verwendete in seinen Concerti grossi (um 1680) überwiegend den viersätzigen Typus, der zum Vorbild wurde. Erst durch ANTONIO LUCIO VIVALDI (1678–1741) setzte sich das dreisätzige venezianische Muster: schnell – langsam – schnell durch.
Das italienische Wort „Ritornell“ lässt sich mit „Wiederkehr“ übersetzen. Im barocken Instrumentalkonzert des ausgehenden 17. und 18. Jh. beschreibt der Begriff die mehrfache Wiederkehr des Orchesterparts zwischen den einzelnen Solo-Partien. Die Tutti-Abschnitte des Concerto grosso können also als Ritornelle bezeichnet werden.
Die barocke Ritornellkonzertform tritt in der Regel in den beiden Außensätzen des dreisätzigen Konzerts auf. Ein Eingangsritornell und ein Abschlussritornell, beide in der Grundtonart, umrahmen diese Sätze. Im Satzinneren treten die Solisten des Concertino in Soloabschnitten aus dem Tutti des Concerto grosso heraus. Es kommt daher zum festen Wechsel zwischen Ritornell und Solo. Die solistischen Abschnitte werden üblicherweise Couplets genannt. In ihnen erklingt neues musikalisches Material, mit dem der Komponist erzählt und mit dem er ein neues harmonisches Ziel erreicht. Tatsächlich sind es die Episoden, in denen moduliert wird, während man in den Ritornellen die harmonischen Ziele des Satzes verfolgen kann. Damit ist die Ritornellkonzertform durch drei verschiedene Aspekte geprägt.
Die Entwicklung der Ritornellkonzertform verbindet sich in besonderem Maße mit den Concerti ANTONIO LUCIO VIVALDIs (1678–1741). Mit ihnen beginnt zwar nicht die Geschichte dieser Form, aber sie zeigen in bis dahin nicht gekannter Weise die kunstreichen Möglichkeiten der Variation von Ritornellen auf.
Dieser Abwechslungsreichtum VIVALDIs wird durch die Unterteilung des Eingangsritornells in die drei Abschnitte: „Vordersatz“, „Fortspinnung“ und „Kadenz“ ermöglicht. Oftmals wird diese Anzahl der Formteile durch eine „Überleitung“ vor der „Kadenz“ erweitert. Diese vier Teile a – b – c – d bilden den Ausgangspunkt für die Auswahl bzw. die Abspaltung der späteren Tutti-Abschnitte, in denen das Material „wiederkehren“ kann. Deshalb weisen die einzelnen Tutti-Abschnitte unterschiedliche Längen auf.
In VIVALDIs 12 Violinkonzerten „L`estro armonico“ op. 3 für 1–4 Soloviolinen und Orchester (1712) gibt es sowohl Concerti grossi als auch „moderne“ Solokonzerte, die die charakteristische Ritornellform aufweisen. Dieser Konzerttyp des italienischen Meisters ist noch Jahrzehnte später in ganz Europa maßgebend. Erst in den 1730er-Jahren verbreitete sich ein anderer Typus nach PIETRO LOCATELLI (1695–1764) und GUISEPPE TARTINI (1692–1770).
Die Suite (franz. = Folge) ist eine mehrsätzige Komposition, in der verschiedene Tänze oder tanzartige Sätze aufeinanderfolgen. In Italien entwickelten sich ihre Formen aus der Kammersonate (Sonata da camera). Die hier vorhandenen Tanzsätze reihen sich in der Folge: Allemande – Corrente oder Sarabande – Giga oder Gavotte, denen oft noch ein Präludium vorangestellt ist. Ähnliche Ursprünge in der Kammersonate finden sich ebenfalls im Concerto grosso.
ARCANGELO CORELLI (1653–1713) übernimmt in seinen Concerti grossi Nr. 9–12 eine solche Suitenordnung. Dieser Corelli-Typus des Concerto grosso blieb lange Zeit der alles überragende Maßstab.
Der bedeutendste Komponist in dieser Tradition war GEORG FRIEDRICH HÄNDEL (1685–1759). Durch die Aufnahme einzelner Suitensätze zeigen seine Concerti grossi in besonderem Maße eine abwechslungsreiche und farbige Satzfolge.
Auch JOHANN SEBASTIAN BACH (1685–1750) fügt in seinem 1. Brandenburgischen Konzert F-Dur (BWV 1046) in den letzten Satz eine Polonaise ein. In gleicher Weise wie hier der Suitencharakter deutlich wird, hört man in den ersten drei Sätzen die Einflüsse des Concerto grosso.
Insgesamt orientieren sich die Brandenburgischen Konzerte an VIVALDIs dreisätzigem Concerto-grosso-Typus. Interessant wird die Weiterentwicklung dieses Typs insbesondere im Hinblick auf die Besetzung. Es kommt zu einer Erweiterung der Solistengruppe, so dass mit mehreren Instrumenten konzertiert wird. Einzige Ausnahme dazu bildet das Brandenburgische Konzert Nr. 5, in dem das Cembalo aus dem Concertino heraustritt und rein solistisch eingesetzt wird.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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