Musikfilm

Ton- und Musikfilm

Voraussetzung für die Entstehung des Musikfilms war der Tonfilm (seit Ende der 1920er Jahre). Beim Tonfilm wird eine eigene Tonspur auf dem Filmstreifen fixiert, so dass Musik (samt Worten und Geräuschen, also der „Soundtrack“) mit dem Bildverlauf synchron verläuft. Mit dem Tonfilm wurde eine filmspezifische, jeweils auf den einzelnen Film bezogene Komposition möglich. Statt der Daueruntermalung mit Musik wie beim Stummfilm, wurde Musik nun sparsamer und gezielter eingesetzt, oft dramaturgisch höchst raffiniert. Dies insbesonders in frühen Filmen, als der Tonfilm noch neu war und zu Experimenten herausforderte.

Von Anfang an gab es aber auch die Tendenz, die Bilder mit einem mehr oder minder ständigen Musikteppich zu unterlegen. Der Musikfilm zog daraus die Konsequenz. Die Sinfonisierung der Filmmusik im Hollywood der 1930er Jahre mit großen Orchesterapparaten und einer oft fast kontinuierlichen Musikbegleitung näherte den Film sogar einer medialen, technifizierten Oper an.

Beim Einsatz von Filmmusik unterscheidet man zwei Haupttypen. Das Underscoring („Musikunterlegung“) setzt die Bilderfolge untermalend und illustrierend ins Akustische um (so z.B. MAX STEINER zu „Gone with the Wind“, 1939). Ein Extremfall dieses Typs ist das Mickey mousing, die, oft bewusst komische, überexakte klangliche und zeitliche Synchronisation von Bild und Ton; entwickelt seit den frühen 1930ern in den Zeichentrickfilmen der Firma Walt Disney. Die Mood technique („Stimmungs-Technik“) dagegen deutet die Handlungs- und Bildabläufe psychologisch aus. In der Zuspitzung wird Musik dabei zum eigenständigen Kontrapunkt des Bildes.

Der Musikfilm als spezielle Filmgattung fächert sich wie folgt auf:

  • als Verfilmung von Musiktheater-Werken aller Art,
  • als Promotion und Werbung für Filmschlager,
  • als Verfilmung von Musiker- bzw. Star-Biografien, (Rock/Pop- Konzertfilm).

Musiktheater, Musicalfilm und Musiker-Filmbiografie

In den ersten Jahrzehnten des Filmes bedeutete Musiktheater hauptsächlich die Verfilmung von Operetten und Revuen oder Musicals. In den 1930er-Jahren entwickelte sich besonders in Österreich und Deutschland der Operettenfilm zu einer weitverbreiteten Filmgattung. Hier wurde mit populärer Musik eine „gute alte Zeit“ und eine „Traumwelt“ als Gegenwelt zur Gegenwart beschworen. Auf der anderen Seite wurden in den USA bzw. Hollywood seit Ende der 1930er Jahre Musicals verfilmt.

Der Musicalfilm perfektionierte nochmals die schon perfekten Inszenierungen des Broadway-Musicals. Rasante Tanzsequenzen waren eines der herausstechenden Merkmale – früh schon in Farbe. Da die Musicalproduktion und -realisierung am New Yorker Broadway konzentriert war, und kaum ein lokales Theaterwesen existierte, machte der Film das Musical erst wirklich populär. So trat die Oper „Porgy and Bess“ von GEORGE GERSHWIN (1898–1937) den internationalen Siegeszug erst seit den 1950er Jahren mit ihrer Verfilmung an. Manche Musicals wurden bereits von vorneherein auf die Existenzform als Filmmusical zugeschnitten.

Ein anderer spezifischer Musikfilm-Typ ist die Verfilmung von Biografien mehr oder minder berühmter Komponisten, Sänger und Sängerinnen sowie anderer Interpreten. Das betrifft sowohl den Bereich der Kunstmusik als auch den der populären Musik.

Neue Einflüsse und Entwicklungen

Mit dem Aufkommen des Fernsehen seit den 1950er Jahren gewann schließlich die Verfilmung von Opern an Bedeutung. Wie beim Kino-Film, so gab es auch hier ein eigenes Genre: die Fernsehoper. Diese wurde speziell auf die Bedingungen des kleinen, kammerspielartigen Bildes zugeschnitten.

Quantitativ bedeutend ist auch die Verfilmung von konzertanten Aufführungen aller Art. Das Grundproblem dabei ist die Dominanz des Optischen, die besonders dann stört, wenn sich die visuellen Assoziationen gegenüber der Musik verselbstständigen. Diese Filmkonzerte erhalten manchmal durch geschickte Verwendung optischer Mittel Dimensionen, die über das bloße „Abfotografieren“ des Musizierens hinausgehen.

Von diesem Bereich, zusammen mit Einflüssen aus dem Biografie-Musikfilm (in dem ja immer wieder Aufführungen vorkommen) strahlt die Konzertverfilmung auf die Rockmusik aus und führt dort zu neuen, eigenständigen Lösungen der optischen Musikdarstellung.

Einen neuen Typ bildet, zumal für den Bereich der Rockmusik, seit 1965 der Konzertfilm, die filmisch-dokumentarische Aufbereitung von Veranstaltungen („Rockumentary“, von „Documentary“ = dokumentarisch), u.a. „T.A.M.I. Show“ (Regie: S. BINDER, 1965). Höhepunkte waren „Monterey Pop“ (Regie: D. A. PENNEBAKER, 1958) und „Woodstock“ (Regie: M. WADLEIGH, 1970) sowie „The Last Waltz“ (Regie: MARTIN SCORSESE, 1976). Im Videoclip setzen sich die hier angelegten Tendenzen und Verfahren in neuer, spezieller Form fort.

Filmschlager und Schlagerfilm

Die Verfilmung von bekannten Operetten und Musicals oder von eigens dafür geschriebenen Stücken führte von Anfang an zur Herausbildung des Filmschlagers. Bis etwa 1950 wurde der Film zum wichtigsten Popularisierungsmittel des Schlagers – ob deutscher Schlager, französisches Chanson oder Musical- bzw. Popsong.

Mit dem Rock'n'Roll begann die zielgerichtete Nutzung des Films als Promotion für den Schallplattenverkauf. Nun wurde um schon produzierte Songs herum eine zumeist recht dürftige Fabel gebaut, statt wie vorher, in eine Handlung mehr oder weniger gut motivierte Musiknummern einzubauen. Die Story präsentierte den Sänger in einer Hauptrolle und lieferte einen dramaturgischen Vorwand zum Absingen der als Hits programmierten Titel. Es handelt sich hier um den Typ einer innerdramaturgisch, szenisch motivierten Musik: Musik, die unmittelbar aus der Szene heraus „entsteht“, etwa wenn der Held oder die Heldin ein Lied anstimmen, Tanz- oder Marschmusik ertönt usw. Dieser Typ kommt sowohl im Musiktheater als auch im Film oft vor.

Besonders viele Filme dieses Typs gibt es mit ELVIS PRESLEY (1935–1977) und BILL HALEY (1927–1981), darunter „The Blackboard Jungle“ (1955) und der Nachfolgefilm „Rock Around the Clock“ (1956), denen BILL HALEYS Song „Rock Around the Clock“ (1955) seine Popularität verdankte. Oder „Jailhouse Rock“ (1957), einer der über dreißig Filme mit PRESLEY. Auch die BEATLES folgten dieser Schablone mit „A Hard Day's Night“ (1964) und „Help“ (Regie: RICHARD LESTER, 1965).

Aber es gibt auch den umgekehrten Fall, dass genuine Filmmusik nach dem Modell des Typs Filmschlager nachträglich auf Schallplatte/Tonträger erscheint und Film wie Musik zum doppelten Erfolg werden, so

  • bei „Saturday Night Fever“ (Regie: J. BADHAM, 1977) und „Grease“ (Regie: R. KLEISTER, 1977), sehr bedeutsam für den weltweiten Siegeszug der Disco Music;
  • bei dem Punk-Film „The Great Rock'n'Roll Swindle“ (Regie: J. TEMPLE, 1979);
  • bei dem Hip-Hop-Film „Beat Street“ (Regie: ST. LATHAN, 1984);
  • bei „Absolute Beginners“ (Regie: J. TEMPLE, 1985), der dem New Jazz zum internationalen Durchbruch verhalf.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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