Schlager

Begriffsbestimmung

Der Begriff Schlager kommt eigentlich aus der Handelssprache, wo er ganz allgemein einen Verkaufserfolg, gleich welcher Art, bezeichnete. Auf Musik bezogen verwendete ihn 1881 der (anonyme) Rezensent der Uraufführung der Operette „Der lustige Krieg“ von JOHANN STRAUSS (Sohn, 1825–1899) in der „Wiener Nationalzeitung“ vermutlich zum ersten Mal, als er die „durchschlagende“ Reaktion auf den Walzer „Nur für Natur“ beschrieb. Seither fungiert der Begriff als kommerzieller Erfolgsbegriff, der auf alle möglichen Genres und Gattungen der populären Musik, insbesondere

  • auf die populären Tanzmelodien jener Zeit wie Walzer, Polka oder Galopp, aber auch
  • auf Einzelstücke aus Operetten, aus Possen und Schwänken sowie'
  • auf Couplets und Gassenhauer Anwendung fand.

Als die Komponisten dazu übergingen, ihre Kompositionen an den einmal zu Erfolg gekommenen Stücken zu orientieren, und die Verleger, ihre Produkte gleich von vornherein mit dem Erfolgskennzeichen „Schlager“ zu versehen (um damit als Kaufanreiz für die Notendrucke jene Popularität zu suggerieren, die die Lieder ja eigentlich erst einzulösen hätten), entstand aus diesen so unterschiedlichen Formen der populären Musik allmählich eine selbstständige musikalische Gattung, der Schlager.

Kennzeichen der Gattung

Das musikalische Grundmodell basiert auf den unterschiedlichen Traditionslinien des populären Liedes und setzt sich aus einer Kombination von konstanten und variablen Faktoren zusammen. Konstanten sind:

  • der formalen Aufbau nach dem Vers-Refrain-Schema,
  • der strenge achttaktige Periodenbau,
  • die einfache funktionale Kadenz-Harmonik,
  • die auf den Dreiklangsbildungen beruhende sequenzartige formelhafte Melodik,
  • die begrenzte Thematik mit hohem Allgemeinheitsgrad.

Zu den Variablen gehören:

  • die verschiedenen Typen des Begleitrhythmus (Modetänze),
  • das Arrangement,
  • der Sound.

Die Gattung Schlager funktioniert so nach dem Baukastenprinzip, wonach Elemente aus den unterschiedlichsten Bereichen der populären Musik – vom Jazz über die lateinamerikanische Musik bis bin zur Rockmusik – zu Schlagern werden können. Den damit zwangsläufig verbundenen Verlust an musikalischer Ausdruckskraft ersetzt die persönliche Ausstrahlung des Interpreten, der die schon bald in Arbeitsteilung von Komponist, Arrangeur und Texter hergestellten Einzelbestandteile zusammenzuhalten hat und aus dem Schlager eine hochgradig personalisierte Form von Musik werden ließ.

Entwicklung

Die ersten Schlager stammten aus dem Bereich des Wiener Liedes und waren mit dem Namen von ALEXANDER GIRARDI (1850–1918) – einem österreichischen Schauspieler, Sänger und Komiker – als Interpreten verbunden. Seine enorme Popularität verhalf dem Wiener Lied als Schlager auch im Ausland zu schnellem Durchbruch. Die Tradition des Wiener Liedes lebte im Schlager noch lange unmittelbar fort, ist mit Liedern wie „Im Prater blühn wieder die Bäume“ (1916) oder „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ (1930) von ROBERT STOLZ (1880–1975) bis heute lebendig geblieben.

Als Anfang des 20. Jh. das Wiener Lied auch Berlin erreichte, wurde die Praxis, populär gewordene Lieder selbstständig als Schlager zu verbreiten, sehr schnell aufgegriffen. Vor allem die

  • wie PAUL LINCKE (1866–1946),
  • JEAN GILBERT (1879–1942) oder
  • VICTOR HOLLAENDER (1866–1940)

begannen jetzt ihre Kompositionen für das musikalische Unterhaltungstheater so anzulegen, dass gleich von vornherein Einzelnummern als Schlager herauslösbar waren. Auf diese Weise entstanden inzwischen klassisch gewordene Beispiele der Gattung wie

  • „Das macht die Berliner Luft“ und „Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe“, die aus PAUL LINCKEs Operette „Frau Luna“ (1899) kamen, oder
  • „Puppchen, du bist mein Augenstern“ aus JEAN GILBERTs Operetten-Posse „Puppchen“ (1912).

Mit dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie im Ergebnis des Ersten Weltkrieges verlagerte sich der Schwerpunkt der Entwicklung des europäischen Schlagers dann endgültig auf Berlin. Hier hatten sich neben der Operette die Revue-Bühnen und Kabaretts inzwischen als populäre Formen der musikalischen Bühnenunterhaltung etabliert. Sie stimulierten die Herausbildung und Entwicklung des Schlagers als eigenständigen Liedtyp, fand er hier doch eine geradezu ideale Heimstatt. Mit der Operetten-Diva FRITZI MASSARY (1882–1969) fand der Schlager in den zwanziger Jahren hier auch seinen ersten großen Star.

Im Gegensatz zu den Revue-Schlagern, die ganz auf den Schauwert der Darbietung ausgerichtet waren und vor allem von den fülligen Orchester-Arrangements lebten, entstand in den intimeren Kabaretts ein eher chansonähnlicher, witzig-pointierter Liedtyp oft ausgesprochen frivolen Charakters. Er wurde nicht mehr „besetzt“ wie noch die großen Revuen, sondern unmittelbar für seine Interpreten und deren persönliche Eigenart geschrieben.

  • TRUDE HESTERBERG (1892–1967),
  • CLAIRE WALDOFF (1884–1957) oder
  • OTTO REUTTER (1870–1931)

profilierten sich hier noch in der Vorkriegszeit mit Couplets, deren kommerzielle Verwertung sie in das Umfeld des Schlagers brachte. Beispiele für diesen Schlagertyp sind auch die Lieder der COMEDIAN HARMONISTS ( z.B. „Ich hab für dich ’nen Blumentopf bestellt“, 1930).

Die Bedeutung von Kabarett und Revue liegt nicht nur in der Herausbildung des Schlagers als selbstständiger Liedtyp. Sowohl das Kabarett wie die Revue hatten vor allem die Funktion eines Katalysators für die nach dem Ersten Weltkrieg rapide zunehmenden musikalischen Einflüsse aus den USA.

Schon in den 1910-Jahren hatte IRVING BERLINs (1888–1989) „Alexander’s Ragtime Band“ (1911) als Schlager auch in Europa Furore gemacht. Die Jazz-Faszination und die aus dem Jazz Dance abgeleiteten Tanzmoden führten in den zwanziger Jahren zu einem wachsenden Interesse an der populären Musik Amerikas. Es kam zu Gastspielen amerikanischer Ensembles und Orchester mit immensem Erfolg, die Revue-Bühnen begannen, sich an den Broadway-Shows zu orientieren. Einen Höhepunkt fand diese Entwicklung mit den Ende der zwanziger Jahre aus den USA kommenden ersten kommerziellen Tonfilm-Produktionen. Nach ihrem Vorbild entstand jetzt eine Unzahl von Film-Musicals, Musikfilmen und Film-Revuen, die fortan zur Basis für die Entwicklung des Schlagers wurden.

Schlager heute

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die Entwicklung des Schlagers schnell unter den Einfluss der angloamerikanischen und vor allem lateinamerikanischen Musik (Rumba, Samba, Calypso, Mambo, Cha-Cha-Cha, Twist, Bossa Nova). In den 1960er-Jahren brachte dann die Rockmusik die Gattung deutlich ins Hintertreffen, als deren Gegenpol sie nun fungierte, verbunden mit einem drastischen Imageverfall. Durch

  • JULIANE WERDING (* 1956, u.a. „Am Tag als Conny Kramer starb“, 1972),
  • MARIANNE ROSENBERG (* 1955, u.a. „Fremder Mann“, 1972),
  • GUNTER GABRIEL (* 1942, u.a. „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“, 1975) oder
  • FRANK ZANDER (* 1942, u.a. „Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein“, 1975)

war mehr oder weniger erfolgreich eine Wiederbelebung des deutschen Schlagers versucht worden, bevor in den 1980er-Jahren dann mit

  • PETER MAFFAY (* 1949, u.a. „Eiszeit“, 1982),
  • KLAUS LAGE (* 1950, u.a. „Faust auf Faust“, 1985),
  • HERBERT GRÖNEMEYER (* 1956, u.a. „Bochum“, 1985) oder
  • HEINZ RUDOLF KUNZE (* 1956, u.a. „Dein ist mein ganzes Herz“, 1985)

eine deutlich von der Rockmusik beeinflusste Entwicklung einsetzte, die mit ihren häufig sozialkritisch angelegten Texten dem Schlager auch wieder ein jugendliches Publikum eroberte.

Seither lassen sich Grenzziehungen um die Gattung entlang eindeutig definierter musikalischer Kriterien kaum noch vornehmen. Das Spektrum aus dem sich der Schlager der Gegenwart speist, ist ungeheuer breit geworden, und reicht

  • von der volkstümlichen Musik (DE RANDFICHTEN) bis hin
  • zum Hip-Hop (SÖHNE MANNHEIMS).

Insbesondere gegenüber dem Popsong ist eine eindeutige Grenzziehung in musikalischer Hinsicht unmöglich geworden. Stattdessen ist es vor allem in den Medien Praxis geworden, den Begriff Schlager auf alle kommerziell produzierten Lieder mit deutschen Texten zu beziehen, egal wie sie musikalisch-stilistisch einzuordnen sind.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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