Frauenbewegung

Entwicklung der Frauenbewegung

Die deutsche Frauenbewegung umfasst zwei Phasen. Die erste Frauenbewegung beginnt in den 1840er-Jahren und endet 1933. In diesem Zeitraum gibt es zwei Hauptströmungen: die bürgerliche und die proletarische Frauenbewegung, die mit den Namen LOUISE OTTO-PETERS (1819–1895) und CLARA ZETKIN (1857–1933) assoziiert werden. Im späten 19. Jahrhundert hatten Frauen weder das Recht, einer Erwerbsarbeit nachzugehen noch ein Recht auf gleiche Bildung. Daher forderte die Frauenbewegung mehr formale Rechte im bildungspolitischen und sozialen Bereich. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 löste sich die Frauenbewegung auf, um der politischen Gleichschaltung zu entgehen.

Die zweite Epoche beginnt 1945: Neue Frauengruppen werden gegründet, andere aus der Zeit vor 1933 leben wieder auf und schließen sich unter dem Dachverband „Deutscher Frauenrat“ zusammen.
Im Rahmen der Studentenproteste entsteht Ende der 1960er-Jahre die „neue“ Frauenbewegung. Diese unterscheidet sich von der etablierten Frauenbewegung durch eine lose Organisationsform und einen gesellschaftskritischen Ansatz.

Entstehung der Frauenbewegung in Deutschland

LOUISE OTTO-PETERS gilt als Begründerin der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland. 1849 erschien ihre „Frauen-Zeitung“ unter dem Motto „Dem Reich der Freiheit schenk ich Bürgerinnen“. OTTO-PETERS setzte sich außerdem für die Gründung von Bildungs-, Fach- und Arbeiterinnenvereinen ein und regte erstmals eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Frauenfrage an.
Weitere Hauptpersonen der Frauenbewegung sind HENRIETTE GOLDSCHMIDT (1825–1920) und ALICE SCHMIDT (1833–1903), die sich ebenfalls dem Gedanken anschlossen, dass Mündigkeit und Selbständigkeit der Frau nur über das formale Recht auf Bildung und Erwerbsarbeit zu erreichen ist.

Die proletarische und bürgerliche Frauenbewegung

Der 1865 gegründete Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) konkretisierte die Forderungen von OTTO-PETERS. Mit der Vereinsgründung des ADF beginnt die organisierte Frauenbewegung, die für bessere Aus- und Allgemeinbildung und das Recht auf Erwerbsarbeit kämpft. Organisatorisch folgten der ADF, und auch die in Folge gegründeten Vereine, dem Prinzip der Selbsthilfe und Selbstorganisation. Der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) war die erste Dachorganisation; 1894 wurde der Verein in Berlin gegründet.
Die Tatsache, dass bei der Gründung des BDF die proletarische Frauenbewegung nicht berücksichtigt wurde, führte zu Konflikten zwischen der proletarischen und bürgerlichen Frauenbewegung. Diese Spaltung drückte sich auch programmatisch aus. Die proletarische und bürgerliche Frauenbewegung unterschieden sich grundsätzlich in der Frage, auf welchem Weg politische und soziale Rechte durchgesetzt werden können.

Die proletarische Frauenbewegung, ihre Anführerin war CLARA ZETKIN, orientierte sich programmatisch an AUGUST BEBEL (1840–1913) und FRIEDRICH ENGELS (1820–1895). Ideologisch war die Bewegung in die sozialistische Arbeiterbewegung eingebettet; daher ordnete die proletarische Frauenbewegung die Frauenfrage auch dem ideologischen Ziel des Klassenkampfes unter. Sie forderte insbesondere politische Gleichberechtigung und das Recht auf Erwerbsarbeit. 1908 wurde die proletarische Frauenbewegung in die SPD eingegliedert.
Die bürgerliche Frauenbewegung engagierte sich insbesondere für bildungspolitische Rechte und weniger für politische Rechte wie das allgemeine Wahlrecht. Die bürgerliche Frauenbewegung bewegte sich mit ihren Reformforderungen innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung, während die proletarische Bewegung eine Revolution forderte, um die bestehende Gesellschaftsordnung aufzuheben.
Die Weimarer Reichsverfassung verankerte 1918 erstmals das Wahlrecht für Frauen. Damit war eine zentrale Forderung der Frauenbewegung erfüllt. In den 20er-Jahren der Weimarer Republik ließ das Engagement der Mitglieder der Frauenbewegung stark nach. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 löste sich der BDF auf, der zu diesem Zeitpunkt immerhin eine Million Mitglieder zählte, um der politischen Gleichschaltung zu entgehen.

Frauenbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Entwicklungen der Frauenbewegungen in Ost und West unterschiedliche Wege. 1949 wurde die Gleichberechtigung von Frauen im Grundgesetz der Bundesrepublik und in der Verfassung der DDR verankert. In diesem Jahr wurde der Deutsche Frauenrat als erster organisatorischer Zusammenschluss verschiedenster Frauenvereine gegründet. Der 1947 gegründete Demokratische Frauenbund lebte nur in der DDR weiter.

Entstehung der „neuen“ Frauenbewegung

Die „neue“ Frauenbewegung entwickelte sich rasch zu einer großen Protestbewegung, die viele Mitglieder hatte und oft laut und provozierend ihre Forderungen nach sozialem Wandel stellte.
Durch eine lose und nicht-hierarchische Organisation wollte sich die „neue“ Frauenbewegung auch strukturell von der etablierten Frauenbewegung unterscheiden.

Ausgehend von der Studentenbewegung an den Universitäten bildeten sich Ende der 1960er-Jahre die so genannten „Weiberräte“, die gegen Diskriminierung von Frauen im öffentlichen und privaten Bereich protestierten. Die „neue“ Frauenbewegung führte diesen Protest inhaltlich fort. Die Frauen erkannten, dass die bloße Erkämpfung von politischen und beruflichen Rechten zu keinem sozialen Wandel führt. Die Ursache für fehlende Gleichberechtigung erkannten die „neuen“ Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung. Diese Ordnung wurde von der Bewegung grundsätzlich in Frage gestellt und kann nur durch veränderte Sozialisationsbedingungen, z. B. in Schule und Familie, beeinflusst werden. Die Forderungen der Bewegung lauteten konkret:

  • eine Quotierung von Arbeitsplätzen in allen Berufs- und Einkommenslagen,
  • Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch,
  • mehr Kindergärten und Ganztagsschulen zur besseren Vereinbarung von Beruf und Familie für Frauen.
  • Außerdem fordert die Bewegung, sexuelle Gewalt in der Ehe strafbar zu machen.

Anfang der 1970er-Jahre stieg die Zahl von Frauengruppen rasch an. Die Projekte und Initiativen waren zahlreich und vielfältig: die zu Beginn der „neuen“ Frauenbewegung beliebten Selbsterfahrungsgruppen wurden in den 1970er-Jahren noch fortgeführt.

Andere Initiativen führten zur

  • Entstehung von Frauen-Gesundheitszentren (alternative Verhütungsmittel, sanfte Geburt),
  • Frauenhäusern und
  • zur Einrichtung von Notrufnummern.

Im kulturellen Bereich entstanden Frauenverlage und Frauenmagazine. Im Januar 1977 gab ALICE SCHWARZER, die eine der bekanntesten Vertreterinnen der „neuen“ deutschen Frauenbewegung ist, erstmals die Zeitschrift „Emma“ heraus.
Viele heute alltägliche Dinge, Gleichberechtigung als selbstverständliches Gedankengut, Frauenhäuser etc., sind Erbe der „neuen“ Frauenbewegung. Sie verweisen auf den Erfolg der „neuen“ Frauenbewegung und ihre zunehmende Institutionalisierung.

Frauenbewegungen in der DDR

In der DDR kam eine „neue“ Frauenbewegung später auf. In den 1980er-Jahren entstand eine Frauenbewegung, die eng mit der oppositionellen Friedensbewegung zusammenarbeitete und schließlich zur Gründung der „Initiative Frauen für den Frieden Berlin“ führte. Der 1989 gegründete „Unabhängige Frauenverband“, eine Dachorganisation der verschiedenen Frauengruppen in der DDR, vertrat während der Auflösung des SED-Regimes die Interessen der Frauen am „Runden Tisch“.

Auch nach der Wiedervereinigung der deutschen Teilstaaten ist bisher keine gemeinsame Frauenbewegung entstanden. Zwar gibt es vereinzelt gemeinsame Projekte, doch ist eine starke bundesweite Frauenbewegung nicht zu erkennen.

Frauenforschung

Frauenforschung ist ein Teilbereich der Geschlechterforschung, der Frauen und ihre Lebenssituation zum Thema hat. Frauenforschung umfasst viele Disziplinen, z. B. Geschichte, Medizin und Soziologie.
Eine Diskussion über eine systematische und wissenschaftliche Frauenforschung kam Ende der 1970er-Jahre auf, zunächst unter dem Protest vieler Anhänger der „neuen“ Frauenbewegung. Sie fürchteten die zu starke Institutionalisierung einer Frauenforschung, die sich in den Organisationsformen von Universität und außeruniversitären Forschungszentren bewegt.
Gegenwärtig ist ein Prozess im Gange, bei dem an Universitäten der Begriff Frauenforschung durch Gender Studies ersetzt wird. Gender Studies unterscheidet sich von der klassischen Frauenforschung dadurch, dass beide Geschlechterrollen erforscht werden. Politisches Ziel von Gender Studies ist Gender Mainstreaming; das meint Geschlechtergerechtigkeit.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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