- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 2 Demokratie in Deutschland
- 2.3 Politische Meinungs- und Willensbildung
- 2.3.6 Interessenorganisationen
- Neue Soziale Bewegungen in Ost und West
Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte ist den Einzelbewegungen wie der Anti-Atomkraft-, Friedens-, Frauen-, Ökologie und Dritte-Welt-Bewegung eine basisdemokratische, egalitäre und ökologische Zielsetzung gemeinsam.
NSB entstanden in den 1960er-Jahren im Zuge der Studentenbewegung und der außerparlamentarischen Opposition. Die NSB griffen neue, unkonventionelle Themen auf, die von den etablierten Parteien wie der FDP, SPD und CDU zwar angesprochen, aber nicht genügend vertreten wurden. An Themen wie
entzündeten sich z. T. heftige Diskussionen, die vielfach zur Gründung von Einzelbewegungen führte.
Durch
achten NSB die Öffentlichkeit auf sich und damit auf die vertretenen Problemlagen aufmerksam. Ihnen geht es darum, auf diese Weise politisches Handeln zu beeinflussen.
Mit dem Attribut „neu“ grenzt sich der Begriff zeitlich und qualitativ von der Arbeiterbewegung als der „alten“ sozialen Bewegung ab. Die NSB sind nicht wie die Arbeiterbewegung eine ökonomische Bewegung, die Eigentumsverhältnisse kritisiert. Sie sind eine sozio-kulturelle Bewegung. Ihr Ziel ist ein Wandel der Lebensweise.
Die Mitglieder von NSB sind eher jung und haben meist ein hohes Bildungsniveau. Organisatorische Besonderheit der Neuen Sozialen Bewegungen ist die informelle und dezentrale Netzwerkstruktur.
Anfangs standen die NSB in Frontstellung zu den etablierten Parteien und Interessengruppen. Seit den 1980er-Jahren setzt eine zunehmende Institutionalisierung der NSB ein. Die Bewegungen arbeiten und organisieren sich professioneller und setzen sich auch vermehrt mit etablierten Parteien und Interessenverbänden auseinander. Pragmatische Zusammenarbeit und Entgegenkommen, z. B. in Form staatlich finanzierter Projekte, lösen immer mehr die ursprünglich radikalen Forderungen nach sozialem Wandel ab.
Ein bekanntes Beispiel für die zunehmende Institutionalisierung von NSB ist die Etablierung der Grünen, deren Gründungsgeneration sich teilweise aus Mitgliedern von NSB rekrutiert. 1983 zog die ökologische Partei Die Grünen erstmals in den Deutschen Bundestag ein und nahm mit ihren basisdemokratischen Forderungen verändernd auf etablierte Positionen des Parlamentarismus Einfluss.
Mittlerweile sind die Grünen in allen Länderparlamenten Deutschlands vertreten und stellen seit 2011 den Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg.
Der Begriff NSB lässt sich nur eingeschränkt auf die Bürgerbewegungen in der DDR anwenden; diese waren vor allem Demokratiebewegungen.
Bürgerbewegungen spielten in der Niedergangsphase der DDR eine herausragende Rolle: Sie
Wichtige Bürgerbewegungen waren
Außerdem zählten zu den Bürgerbewegungen jene Gruppen, die sich seit Juli 1989 für die Gründung einer sozialdemokratischen Partei einsetzten.
Trotz der unterschiedlichen Schwerpunkte und Herkünfte stimmten die Ziele der DDR-Bürgerbewegungen weitestgehend überein:
Dabei zielten die Bürgerbewegungen nicht auf eine pauschale Abschaffung der DDR. Vielmehr sollte der Staatssozialismus durch einen demokratischen Sozialismus abgelöst werden.
Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten war mit der Übernahme der demokratischen Strukturen der Bundesrepublik verbunden. Die Abschaffung des SED-Regimes wurde von Teilen der Bürgerbewegungen als Niederlage wahrgenommen, ihr Ziel war nicht eine Auflösung, sondern eine Demokratisierung der DDR.
Das rasche Wachstum der NSB führte seit den 1970er-Jahren zu einer umfangreichen Bewegungsforschung, die sich z. B. mit der Frage beschäftigt, ob und inwiefern NSB den politischen Entscheidungsprozess im Repräsentivsystem demokratischer gestalten. Im Aufbau ist die international vergleichbare Protestforschung.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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