- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 2 Demokratie in Deutschland
- 2.2 Staatsaufbau
- 2.2.1 Gemeinden und Staat
- Kommunale Selbstverwaltung
Das grundgesetzlich verankerte Recht auf kommunale Selbstverwaltung ermöglicht den deutschen Städten, Kreisen und Gemeinden, die unter dem Begriff „Kommune“ zusammengefasst werden, ihre örtlichen Angelegenheiten selbstständig zu erledigen. Die wesentlichen Ziele dieses Prinzips sind,
Die Begriffe „kommunale Selbstverwaltung“ und „Kommunalpolitik“ bzw. „Lokalpolitik“ werden in der Regel synonym gebraucht.
Die kommunale Selbstverwaltung der Städte, Kreise und Gemeinden in Deutschland nimmt bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihren Anfang: Am 19. November 1808 wurde sie im Zuge der Reformen des Reichsfreiherrn KARL VOM UND ZUM STEIN (1757–1831) in der preußischen Städteordnung erstmals formuliert, um den Bürgern die Möglichkeit zur selbständigen Regelung der örtlichen Angelegenheiten zu geben.
An diese lange Tradition anknüpfend ist im Grundgesetz das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung verankert. Art. 28 Abs. 2 GG lautet:
„Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“
Die „institutionelle Garantie“ des Grundgesetzes
Jedoch bilden die Kommunen neben dem Bund und den Ländern formal keine eigenständige „dritte Ebene“ der bundesstaatlichen Ordnung, da die Städte, Kreise und Gemeinden sowohl
unterworfen sind. Den Kommunen fehlt überdies eine institutionalisierte Vertretung auf Bundesebene, wie sie die Länder mit dem Bundesrat besitzen. Allerdings haben die gut 14 000 Kommunen, dazu die 323 Landkreise und 117 kreisfreie Städte, mit ihren drei kommunalen Spitzenverbänden –
– wichtige Interessenvertreter. Nach § 41 und 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) sind sie frühzeitig bei der für ihre Belange relevanten politischen Willensbildung zu beteiligen.
Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen stellen eine Besonderheit dar. Sie sind zugleich Gemeinde und Bundesland.
Politisch kommt den Kommunen als öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften große Bedeutung im Staatsgefüge zu: Nach Artikel 28 Abs. 2 GG liegt bei den Kommunen eine weitgehende Zuständigkeitsvermutung zur Erledigung von Angelegenheiten ihres örtlichen Wirkungskreises, der die gesamte „kommunale Daseinsvorsorge“ umfasst. Hierbei kommt den Gemeinden die wichtige Aufgabe zu, im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die für ihre Bürger erforderlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen öffentlichen Einrichtungen bereitzustellen.
Formal lassen sich die kommunalen Angelegenheiten in
trennen, wobei bisweilen auch von einer Teilung zwischen
gesprochen wird. Im Falle der Selbstverwaltungsaufgaben, dem „eigenen Wirkungskreis“, nehmen die Gemeinden
Im Rahmen der Auftragsaufgaben, dem „übertragenen Wirkungskreis“, führen die Kommunen Landes- und Bundesgesetze (z. B. Bundessozialhilfe-, Jugendhilfe- oder Wohngeldgesetz; Bau-, Natur- und Lebensmittelrecht) aus. Die Gemeinden fungieren daher in einer Doppelrolle:
In der kommunalen Verwaltungspraxis sind die Verflechtungen beider Aufgabenbereiche sehr komplex. Die Kommunen führen rund 80 % aller Bundes- und Landesgesetze aus, sodass der Anteil der übertragenen Aufgaben überwiegt. Dieser Umstand ruft allerdings Kritik hervor:
„Da der Anteil der Selbstverwaltungsangelegenheiten nahezu ständig zurückgeht, besteht die Gefahr einer allmählichen Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung“ (JESSE 1997, S. 76f.).
Zunehmend fehle den Kommunen damit die Möglichkeit, eigene politische Akzente zu setzen, da sich ihr
„Aufgabenbereich der Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht mehr durch Sachgebiete, sondern nur durch ihre spezifische Ortsbezogenheit definiert“ (RUDZIO 2000, S. 412).
Problematisch erscheint zudem die Finanznot vieler Kommunen, die häufig noch höher verschuldet sind als der Bund oder die Länder.
Die eigenen Einnahmen aus
reichen den Gemeinden mitunter kaum aus, die vielfältigen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen. In der Konsequenz nimmt nicht nur die kommunale Leistungsfähigkeit ab, sondern auch ihre politischen Spielräume z. B. bei Investitionen verengen sich.
Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung soll eine bürgernahe Demokratie garantieren. Denn zwischen dem Bürger und seiner Gemeindeverwaltung ergibt sich eine besondere Beziehungsdimension, die idealerweise durch die
Nähe geprägt ist:
„Hier befindet der Bürger sich in einem überschaubaren Bereich: Verwaltung und örtliche ,Politik' betreffen ihn hier im Alltag unmittelbar und persönlich (…); nicht zuletzt kann der Einzelne sich hier mit seiner Meinung persönlich bemerkbar machen und in einer für ihn fühlbaren Weise am demokratischen Prozeß teilnehmen“ (MAUNZ/ ZIPPELIUS 1994, S. 119).
Recht häufig wird diese Auffassung jedoch als wirklichkeitsfremd und zu idealisiert kritisiert: Die
„propagierte Unmittelbarkeit und Bürgernähe der Entscheidungen entpuppt sich vielfach als idyllische Fiktion (…). Angesichts der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verzahnt sich die Kommunalpolitik immer mehr mit der überregionalen Ebene“ (JESSE 1997, S. 77).
Die angestrebte stärkere Partizipation der Bürger werde daher durch die zunehmend hohe Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verhindert. Es gebe trotz der Selbstverwaltung auch kein größeres Interesse des Bürgers an der örtlichen Politik, von „Schule der Demokratie“ könne somit keine Rede sein.
Traditionell gab es in Deutschland mit
vier Formen der Kommunalverfassung (Kreis- oder Gemeindeordnung), die insbesondere bei der Kompetenzabgrenzung, der Besetzung und dem Zusammenspiel zwischen Rat und Verwaltungsspitze sowie dem Wahlmodus differierten (Bild 2). Seit den 1990er-Jahren ist in den Bundesländern, die über die Kommunalverfassungen entscheiden, ein tiefgreifender Reformprozess im Gange, der viele der bisherigen Unterschiede zwischen den kommunalen Verfassungssystemen hinfällig werden ließ. Mit Abweichungen gilt jetzt die süddeutsche Ratsverfassung. Wesentliche Ergebnisse der Verfassungsreformen sind zum einen die flächendeckende Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters, der anschließend auch als hauptamtlicher Verwaltungsleiter wirkt, und zum anderen die Möglichkeit, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide durchzuführen. Damit soll die kommunale Demokratie weiter gestärkt werden.
Vor allem die kommunalen Spitzenverbände fordern,
Grundlage dieser Vorstellungen ist die stärkere Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips, wonach eine übergeordnete Einheit nur solche Aufgaben an sich ziehen soll, die eine nachgeordnete Einheit überfordern.
Zudem müssen die Kommunen angesichts der Finanznot entscheiden, in welchem Ausmaß bislang kommunale Angelegenheiten in Zukunft privatisiert oder auch Gemeindeaufträge öffentlich ausgeschrieben werden könnten. Hier sind die Kommunen „als Experimentierfeld für neue Lösungsansätze“ (ANDERSEN 1995, S. 186f.) gefragt. Diese Rolle haben sie in der Vergangenheit erfolgreich ausgefüllt. Eine weiterhin tatkräftige Beteiligung der Bürger ist dabei unerlässlich.
Grundtypen der Kommunalverfassung
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