- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 2 Demokratie in Deutschland
- 2.4 Parlament und Regierung
- 2.4.6 Verwaltung
- Verwaltung als Regierungsvoraussetzung
Das auffallendste Kennzeichen des modernen Staates ist die große und noch ansteigende Zahl seiner Aufgaben. Sie wahrzunehmen, erfordert eine umfängliche und hoch entwickelte Verwaltung. Für die Wirksamkeit demokratischer Politik ist die öffentliche Verwaltung von entscheidender Bedeutung. Sie steht den Bürgern mit verschiedenen Eigenschaften zur Verfügung, als:
Die wichtigste Aufgabe der Verwaltung besteht darin, Gesetze auszuführen (Gesetze als Handlungsauftrag).
Ohne Verwaltung bliebe ein Regierungsbeschluss folgenlos. Indem die Verwaltung praktisch vollzieht, was politisch-parlamentarisch entschieden wird, greift sie in die gesellschaftliche Realität ein.
Die Verwaltung hat eine hierarchische Behördenstruktur, geführt von fachlich unterschiedenen Bundes- und Landesministerien. In der Ministerialverwaltung verbinden sich politische und administrative Führung und Aufsicht der Verwaltung. Jedem Mitarbeiter ist durch Aufgabenteilung ein Kompetenzbereich (Referat) fest zugewiesen. Im unmittelbaren Öffentlichen Dienst arbeiten rund 4 Mio. Beschäftigte, davon:
In jüngerer Zeit stieg die Zahl der Beschäftigten vor allem in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Soziales und nach Gebietsreformen auch in der Kommunalverwaltung. Die meisten Beamten, Arbeiter und Angestellten arbeiten nicht in bürokratischen Behörden, sondern in Krankenhäusern, Schwimmbädern, Schulen oder Altersheimen.
Aus fachlichen und föderalen Gründen kann man nicht von einer Einheit der Verwaltung sprechen. Bei der Ausführung von Gesetzen sind drei Konstellationen zu unterscheiden:
Auch wenn die Behördenstruktur vielfältig ist, so gelten für den Gesetzesvollzug einheitliche Regeln des Grundgesetzes und des EU-Rechts, dann verwaltungsinterne Verordnungen und Satzungen. Ohne gesetzliche Ermächtigung und rechtlichen Rahmen kann die Verwaltung Gerechtigkeit als Ziel und Maßstab ihres Handelns nicht erzielen.
In der Praxis ist zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung zu unterscheiden. Eingriffsverwaltung liegt dann vor, wenn die Verwaltung in die Freiheits- und Eigentumssphäre des Bürgers eingreift, z. B. durch Ordnungs- oder Steuerbescheide. Hierzu rechnen auch die Polizei und die Ordnungsverwaltung, (z. B. Gewerbeordnung), die sich um die gute Ordnung im Gemeinwesen kümmern sollen.
Die Leistungsverwaltung verteilt Finanzen des Staatshaushaltes vor allem für Sozialleistungen und für Subventionen. Sie fördert direkt entweder einzelne Gruppen oder alle Einwohner. Ihre Leistungen reichen von der unmittelbaren Daseinsvorsorge (z. B. Gas, Wasser, Strom) über die soziale Sicherung (z. B. Jugend- und Sozialhilfe, Arbeitsförderung) bis zur Förderung gesellschaftlicher und kultureller Ziele (Kindergärten, Museen).
Häufig können Gesetze nicht jeden praktischen Fall erfassen und regeln dann mit unbestimmten Rechtsbegriffen (z. B. „öffentliche Sicherheit“, „Ordnung“) und mit Kann-Vorschriften. Dies eröffnet der Verwaltung Handlungs- und Ermessensspielraum bei der Gesetzesanwendung, beispielsweise bei der konkreten Verteilung nur generell zugewiesener Baufinanzmittel. Insbesondere hier gilt die Erkenntnis des Bürokratietheoretikers MAX WEBER (1864–1920), Verwaltung sei zugleich Dienstleistung und Herrschaft im Alltag.
MAX WEBER hat den Politiker und den Bürokraten noch als zwei klar getrennte Berufstypen bestimmt. In der modernen Verwaltung und insbesondere der Ministerialverwaltung gibt es jedoch vielfältige Übergänge zur Politik, sodass auch von der Politisierung der Verwaltung und umgekehrt von der Bürokratisierung der Politik gesprochen wird. Der entscheidende Grund für das teilweise enge Wirkungsverhältnis von Verwaltung und Politik liegt in der doppelten Aufgabenstellung der Verwaltung: Vollzug aber auch Vorbereitung der Gesetze.
Schon im Gesetzesvollzug kann die Verwaltung mit eigenen Ausführungsverordnungen und Ermessensentscheiden eigene Macht demonstrieren, umso mehr bei der Planung und Vorbereitung von Gesetzesprogrammen.
Programmentwicklung umfasst komplexe Gesetzesprojekte, Novellierungen, Verordnungen und auch Förder- und Investitionsprogramme, etwa zur Bildungs-, Forschungs- oder Energiepolitik. Die Ministerialverwaltung ist deshalb eine erste Anlaufadresse für Interessenverbände (Lobby), die in einer Art permanenter Anhörung zu Wort kommen.
Ist die Verwaltung im Gesetzesvollzug direkt mit den Bürgern verknüpft, so ist sie dies bei der Programmentwicklung mit Politik und Interessenvertretern. Sie stellt der politischen Führung die Informationen bereit, ohne die politische Führung kaum wirksam werden kann, weder zur mehrheits- und begründungsfähigen Entscheidungen gelangt, noch maßgeblichen Einfluss auf die politische Meinungs- und Willensbildung des Landes nehmen kann. Die Verwaltung hat nicht nur Informationen zu speichern und weiterzuleiten. In der Gesetzesvorbereitung ist sie daran beteiligt, gesellschaftliche und politische Konflikte zu regeln und Übereinstimmung und Zustimmung (Kompromiss und Konsens) zu organisieren.
Da die Sachkompetenzen der Verwaltung arbeitsteilig und tief gestaffelt sind, ist auch ihre Programmarbeit in der Regel dezentral und kleinteilig organisiert. Damit werden Vorhaben einzelner und „kleiner Schritte“ befördert, nicht jedoch komplexe Vorhaben, die fächerübergreifend strukturiert sind, z. B. der ökologische Umbau oder die aktuelle soziale Staatsreform. Derart komplexe Vorhaben erfordern eine „positive“ Kooperation von Verwaltungsstellen über die Grenzen der Referate und Abteilungen hinaus. Verbreitet ist jedoch die „negative“ Kooperation in Form gegenseitiger Abschottung.
Versuche einer dauerhaften Verwaltungsreform mit dem Ziel einer verbesserten, also komplexen und zügig koordinierten Programmentwicklung, scheiterten bisher. Politische Führung greift zu dem Ausweg, den komplexen Sachverstand in vorgelagerten Kommissionen zu versammeln. Hierzu wird kritisch angemerkt, die politische Meinungs- und Willensbildung neige zur „Beiräte-Republik“.
1949 | Fortsetzung der Tradition des Berufsbeamtentums (Art. 33 GG) |
1968 | Ab 1968 Gründung verschiedener Kommissionen zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung und zur Bürgernähe der Verwaltung durch Bundesländer und Bund |
1968 | 1968–1978 Kommunale Gebiets- und Funktionalreformen in den alten Bundesländern |
1969 | 1969–1974 „Konzertierte Aktion“ beim Bundeswirtschaftsministerium |
1969 | Verstärkte Übernahme von Planungs- und Koordinationsaufgaben durch das Bundeskanzleramt |
1992 | Ab 1992 kommunale Gebiets- und Funktionalreformen in den neuen Bundesländern |
1996 | Versorgungsbericht der Bundesregierung informiert über hohe Zahlungsverpflichtungen für Pensionen |
1998 | „Bündnis für Arbeit“ der Regierung und der Spitzenverbände der Wirtschaft |
1998 | Schritte zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung (Leitbild „aktivierender Staat“) |
2003 | Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung eingesetzt (Föderalismusreform) |
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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