„Jahrtausend der Städte“

Wie der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, KOFI ANNAN, formulierte, hat mit dem 21. Jahrhundert das „Jahrtausend der Städte“ begonnen.
Das Wachstum der Städte in den Entwicklungsländern hat eine solche Dynamik, dass historische Vorbilder fehlen. Während London 130 Jahre brauchte, um eine 8-Millionen-Stadt zu werden, wuchs Mexiko City innerhalb von 30 Jahren von einer auf acht Mio. Menschen an.

Megastädte

Die Mehrzahl der städtischen Bevölkerung lebt in kleinen und mittleren Städten. Weniger als ein Zwanzigstel der Weltbevölkerung wohnte im Jahr 2000 in so genannten Megastädten mit jeweils mehr als zehn Mio. Einwohnern.

Die Anzahl der Megastädte wird sich jedoch von 19 im Jahr 2000 auf 23 im Jahr 2015 und 27 im Jahr 2025 erhöhen, davon der größte Teil in Entwicklungsländern. Erwartet wird, dass Bombay mit 18 Mio. (2000) auf 28,5 Mio. Einwohner im Jahr 2020 anwachsen und damit Tokio mit seinen 26,4 Mio. Einwohnern (2000) vom ersten Platz verdrängen wird. Lagos wird den dritten Platz einnehmen. Schätzungen zufolge werden sich im Jahr 2020 neun Megastädte in Entwicklungsländern befinden, davon allein drei in Indien.

Regionale Unterschiede

Die wachsende Urbanisierung (Verstädterung), d. h. die Zunahme der Anzahl der Städte, ihrer Ausdehnung und Bevölkerungszahl, weist große regionale Unterschiede auf. Es zeigen sich folgende Tendenzen der Verstädterung:

  • Die Stadtbevölkerung wächst in Ländern mit relativ geringer Verstädterung am schnellsten. So wird die Zahl der Stadtbewohner in den Entwicklungsländern in den nächsten 20 Jahren von zwei auf vier Mrd. steigen und sich damit verdoppeln.
  • In den entwickelteren Ländern leben bereits zwei Drittel der Bevölkerung in Städten. UN-Schätzungen gehen davon aus, dass dieser Anteil bei relativ stabiler Gesamtbevölkerung nur langsam steigen wird.
  • Der Grad der Urbanisierung in Lateinamerika und der Karibik entspricht etwa dem der entwickelten Industrienationen, differiert aber innerhalb der Region zwischen 40 und 80 %.
  • 60 % der Weltbevölkerung und jeder zweite Stadtbewohner leben in Asien. Allerdings ist der Urbanisierungsgrad in den einzelnen asiatischen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während Singapur beispielsweise mit über 90 % Stadtbevölkerung mit an der Weltspitze liegt, leben in Nepal etwa 85 % der Bevölkerung auf dem Lande. Der durchschnittliche Grad der Verstädterung des asiatischen Kontinents liegt bei 37 %. Einen relativ geringen Urbanisierungsgrad weisen beispielsweise einige der bevölkerungsreichsten Länder auf, wie China, Indien, Bangladesch und Pakistan. Prognosen zufolge wird die Stadtbevölkerung Asiens in den nächsten Jahrzehnten jährlich um über 3 % wachsen.
  • Afrika weist im Durchschnitt den gleichen Verstädterungsgrad auf wie Asien. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von über 4 % erhöht sich die Verstädterung auf dem afrikanischen Kontinent am schnellsten auf der Welt. Das Wachstum konzentriert sich jedoch auf kleinere und mittlere Städte. Von den wenigen schnell wachsenden Megastädten des Kontinents hebt sich besonders Lagos heraus. Die nigerianische Hauptstadt ist von weniger als 300 000 Einwohnern vor 50 Jahren auf gegenwärtig schätzungsweise 12 Mio. Menschen angewachsen. Man geht von einer Verdopplungszeit der Stadtbevölkerung von 15 Jahren aus. Die Besonderheit der Bevölkerungsentwicklung Afrikas besteht darin, dass das weltweit höchste Wachstum der Stadtbevölkerung mit einer starken Zunahme der Landbevölkerung einhergeht.

Ursachen und Folgen der Verstädterung

Das Wachstum der Städte ist zu allererst auf „natürliches“ Eigenwachstum der Stadtbevölkerung zurückzuführen, vor allem bedingt durch Geburtenüberschuss. Hinzu kommt die Zuwanderung aus den ländlichen Gebieten. Die Motive für die Wanderung in die Städte ergeben sich aus dem Zusammenspiel von „Push“- und „Pull“-Faktoren.

„Push“-Faktoren
Abstoßen des ländlichen Raumes

  • Armut, Besitz- und Arbeitslosigkeit
  • geringere Verfügbarkeit von Land-, Brennstoff- und Wasserressourcen
  • mangelnde Bildungsmöglichkeiten

„Pull“-Faktoren
Anziehungskraft der Stadt

  • Hoffnung auf Arbeit und Einkommen
  • bessere Ausbildungsmöglichkeiten
  • medizinische Betreuung
  • Kultur- und Freizeitmöglichkeiten

Der Verstädterungsprozess enthält große Potenziale für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt – positive Folgen der Verstädterung:

  • Dichtere Besiedlung kann dazu beitragen, den Verbrauch von Land zu verringern, soziale und medizinische Betreuung zu erleichtern, traditionelle, entwicklungshemmende und Frauen diskriminierende Traditionen zu durchbrechen und soziale Entwicklung zu fördern. In städtischen Räumen sind in der Regel die Bildungsunterschiede zwischen Männern und Frauen geringer und die gesundheitliche Versorgung besser entwickelt. In vielen asiatischen Ländern hat städtisches Wachstum dazu beigetragen, wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. So werden ungefähr 60 % des Bruttosozialprodukts und 80 % des wirtschaftlichen Wachstums der Entwicklungsländer in Städten erzeugt.
  • Die Internationalisierung von Produktionsprozessen und eine flexiblere Standortwahl von Unternehmen bieten den Städten neue Entwicklungschancen. Fortschritte in der Telekommunikation ermöglichen beispielsweise, auch Dienstleistungsfunktionen dorthin zu verlegen, wo geringe Kosten entstehen. Wie die Entwicklung in Indien zeigt, sind einige Länder erfolgreiche Anbieter hoch spezialisierter Dienstleistungen geworden, z. B. von elektronischer Dateneingabe und -verarbeitung, Software-Entwicklung, Programmierung und Ingenieurdienstleistungen. Bangalore in Indien gehört zu den weltweit führenden Standorten für Informationstechnologien.

Zum anderen vergrößern sich mit dem Wachstum der Städte in den Entwicklungsländern aber auch die ohnehin bestehenden Schwierigkeiten und Fehlentwicklungen – negative Folgen der Verstädterung:

  • Entstehung und Ausbreitung von Elendsvierteln am Stadtrand und Slums im Stadtgebiet mit mangelndem Anschluss an Wasserversorgung und Kanalisation, fehlender Müllentsorgung, schneller Ausbreitung von Infektionskrankheiten;
  • Zusammenbruch großfamiliärer u. a. traditioneller Solidarsysteme;
  • steigende Kriminalität, zunehmende Gewalt und wachsende Anfälligkeit für politischen Extremismus;
  • hohe Arbeitslosigkeit und wachsende Konkurrenz um Einkommensmöglichkeiten;
  • Zunahme von Prostitution, Drogenkonsum und -handel;
  • Überforderung der städtischen Infrastruktur in Transport, Wasser- und Stromversorgung, Gesundheitsdienstleistungen und Bildung;
  • zunehmende Umweltprobleme durch starkes Müllaufkommen, Wasser- und Luftverschmutzung mit Gesundheit gefährdenden Folgen;
  • Gefährdung der Ernährungssicherheit und veränderte Konsumgewohnheiten;
  • Abschottung der mittleren und oberen Gesellschaftsschichten und weitere Vertiefung der sozialen Spaltung.

Viele Stadtverwaltungen in den Entwicklungsländern stehen vor komplizierten Herausforderungen und Problemen. Zum einen geht es darum, im Sinne nachhaltiger Entwicklung die sozialen und ökologischen Probleme zu bewältigen. Zum anderen gilt es, die Attraktivität der Städte als Wirtschaftsstandorte in einer globalisierten Welt zu fördern.

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