Der Soziologe, Volkswirtschaftler und Wirtschaftshistoriker MAX WEBER war ein „Klassiker der Nationalökonomie“.
WEBER deutete ökonomische Vorgänge als gesellschaftliche Phänomene und betrachtete die Religion in diesem Zusammenhang mit dem Kapitalismus als Denkweise (siehe PDF "Max Weber - Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus"). Sozio-ökonomische Zusammenhänge deutete WEBER als formende Mächte der Eigenart der Kultur. Er sah im Besonderen
als diese die Kultur formenden Kräfte an und betrachtete den Kapitalismus und die „äußeren Güter dieser Welt“ im Speziellen als „schicksalsvollste Macht unseres modernen Lebens “. Der Arbeiter sollte sich, nach WEBER, dieser Zusammenhänge bewusst werden und sich „der Arbeit gegenüber verpflichtet“ fühlen.
„Der Mensch ist auf das Erwerben als Zweck seines Lebens, nicht mehr das Erwerben auf den Menschen als Mittel zum Zweck der Befriedigung seiner materiellen Lebensbedürfnisse bezogen.“
WEBERs ökonomisches System wird oft als ein Gegenentwurf zum „Historischen Materialismus“ von KARL MARX angesehen.
Als Soziologe entwickelte er die Kategorie der verstehenden Soziologie, d. h. nach seiner Auffassung sollte man soziales Handeln (siehe PDF "Max Weber - Wirtschaft und Gesellschaft (Auszug)") deutend verstehen und in seinem Ablauf und in seinen Wirkungen erklären. WEBER suchte nach Grundmustern, Regeln und Bestimmungsgründen des Handelns.
„Das für die verstehende Soziologie spezifisch wichtige Handeln nun ist im speziellen ein Verhalten,
welches
- dem subjektiv gemeinten Sinn des Handelnden nach auf das Verhalten anderer bezogen,
- durch diese seine sinnhafte Bezogenheit in seinem Verlauf mitbestimmt und also
- aus diesem (subjektiv) gemeinten Sinn heraus verständlich erklärbar ist.
Subjektiv sinnhaft auf die Außenwelt und speziell auf das Handeln anderer bezogen sind nun auch die Affekthandlungen und die für den Ablauf des Handelns, also indirekt, relevanten Gefühlslagen, wie etwa: Würdegefühl, Stolz, Neid, Eifersucht. Die verstehende Soziologie interessieren daran aber nicht die physiologischen und früher sogenannten psychophysischen Erscheinungsformen: Pulskurven z. B. oder Verschiebungen des Reaktionstempos und dergleichen, auch nicht die nackt psychischen Gegebenheiten, z. B. die Kombination der Spannungs-, Lust- und Unlustgefühle, durch die sie charakterisiert werden können. Sondern sie differenziert ihrerseits nach den typischen sinnhaften (vor allem: Außen-) Bezogenheiten des Handelns, und deshalb dient ihr – wie wir sehen werden – das Zweckrationale als Idealtypus, gerade um die Tragweite des Zweckirrationalen abschätzen zu können. Wenn man den (subjektiv gemeinten) Sinn seiner Bezogenheit als die Innenseite des menschlichen Verhaltens bezeichnen wollte – ein nicht unbedenklicher Sprachgebrauch! –, nur dann würde man sagen können: daß die verstehende Soziologie jene Erscheinungen ausschließlich von innen heraus, d. h. aber dann: nicht durch Aufzählung ihrer physischen oder psychischen Phänomene, betrachtet. Unterschiede der psychologischen Qualitäten eines Verhaltens sind also nicht schon als solche für uns relevant. Gleichheit der sinnhaften Bezogenheit ist nicht gebunden an Gleichheit der im Spiel befindlichen psychischen Konstellationen, so sicher es ist, daß Unterschiede auf jeder Seite durch solche auf der andern bedingt sein können.“
MAX WEBER wurde am 21. April 1864 in Erfurt als Sohn des Juristen und späteren Abgeordneten der Nationalliberalen Partei MAX WEBER (sen.) und dessen Frau HELENE (geb. FALLENSTEIN) als Ältester von acht Kindern geboren. Sein Taufname lautete KARL EMIL MAXIMILIAN. WEBERs Bruder war der Nationalökonom und Soziologe ALFRED WEBER (1868–1958), der Zeit seines Lebens im Schatten des „berühmteren“ Bruders stand. Als Zweijähriger erkrankte MAX halbseitig an Meningitis. 1869 übersiedelte die Familie nach Berlin, 1872 in den Stadtteil Charlottenburg. MAX wurde in die Döbbelinsche Privatschule eingeschult, die Reifeprüfung legte er 1882 am Königlichen Kaiserin-Augusta-Gymnasium in Charlottenburg ab. Danach studierte er 1882–1886 in verschiedenen Städten Jura, Nationalökonomie, Philosophie und Geschichte.
Zwischen 1883 und 1884 absolvierte WEBER seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger in Straßburg (Strasbourg).
1886 bestand er sein Referendarexamen. Mit dem Prädikat magna cum laude erlangte WEBER 1889 seine juristische Promotion (Dr. jur.) an der Universität Berlin
Der Titel seiner Dissertation lautete: „Entwickelung des Solidarhaftprinzips und des Sondervermögens der offenen Handelsgesellschaft aus den Haushalts- und Gewerbegemeinschaften in den italienischen Städten.“
Bei AUGUST MEITZEN (1822–1910) habilitierte er 1892 an der Universität Berlin über Römisches, Deutsches und Handelsrecht (der Titel seiner Habilitationsschrift war: „Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht.“). Nebenbei erstellte er zwischen 1891–1892 im Auftrag des „Vereins für Socialpolitik“, dessen Mitglied er 1888 wurde, die Studie „Die Verhältnisse der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland“, die seinen wissenschaftlichen Ruf begründete. In seiner Schrift forderte er die Verbesserung der Lebensverhältnisse für die Landarbeiter.
1893 heiratete er seine Großcousine, die Industriellentochter und spätere Frauenrechtlerin, Malerin, Publizistin und Soziologin MARIANNE SCHNITGER (1870–1954) und arbeitete kurzfristig als Rechtsanwalt in Berlin. 1893 wurde er zum Außerordentlichen Professor der Nationalökonomie an der Universität Berlin berufen, folgte aber im darauf folgenden Jahr, 1894, der Berufung zum Professor für Nationalökonomie an die Universität Freiburg/Breisgau. In seiner Antrittsvorlesung forderte er, wissenschaftliche Tatsachenaussagen nicht mit Werturteilen zu vermischen.
Dieser Werturteilsstreit (1871–1914) richtete sich gegen die von ihm kritisierte „Professorenprophetie“ (= „Kathederwertung“) und repräsentiert seine Position in der Auseinandersetzung mit damals vorherrschenden philosophischen und theoretischen Strömungen. Dieser Werturteilsstreit hatte im „Verein für Socialpolitik“ in den beginnenden 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts zwischen GUSTAV SCHMOLLER (1838–1917) und CARL MENGER (1840–1921) im „Verein für Socialpolitik“ begonnen und wurde um 1900 von WEBER weiter geführt. Der Verein bezweckte seit seiner Gründung 1873,
„die wissenschaftliche Erörterung wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher sowie wirtschafts- und sozialpolitischer Probleme in Wort und Schrift wie auch die Pflege internationaler Beziehungen innerhalb der Fachwissenschaft.“
WEBER bestritt die Objektivität von Werturteilen. Er war vielmehr der Meinung: „Eine empirische Wissenschaft vermag niemanden zu lehren, was er soll, sondern nur was er kann und – unter Umständen – was er will“ und plädierte für die Trennung von Normativem (=Wertungen: Konventionen, Normierungen, Auswahlkriterien, Urteile, Wahrnehmungen: Subjektivisches) und Faktischem (Wirklichkeit, Tatsache, Empirisches, Objektivisches).
Für nur kurze Zeit war WEBER seit 1897 Professor für Nationalökonomie und der Finanzwissenschaft an der Universität Heidelberg. Hier wurde er als der „Mythos von Heidelberg“ gerühmt. Er musste jedoch seine Lehrtätigkeit wegen eines Nervenleidens aufgeben. 1900 hielt er sich im Sanatorium in Urach, Baden-Württemberg auf, danach unternahm er mehrere Reisen durch Europa (u. a. Italien) und die USA. 1903 wurde er unter Verleihung des Charakters eines ordentlichen Honorarprofessors in den Ruhestand versetzt. Ab 1903 war er Herausgeber des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“, daneben Mitarbeiter des Vereins für Socialpolitik. Bis 1919 lebte WEBER überwiegend in Heidelberg, Baden-Württemberg.
Seit 1904 schrieb WEBER wieder für Tageszeitungen (u. a. für die „Frankfurter Zeitung“) und veröffentlichte bedeutende Schriften (s. a. PDF "Max Weber - Politische Schriften"), u. a.:
Er trug maßgeblich zur Ausbildung und Anerkennung der Soziologie als eigenständiger Disziplin bei.
1909 war WEBER Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ (aus deren Vorstand er 1912 austrat).
1904 begann er mit religionssoziologischen Studien, in denen er den Zusammenhang von Wirtschaftsform und religiöser Gesinnung untersuchte. Seine Überlegungen fanden Eingang in sein Werk „Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus“ (1904). Darin kritisierte und ergänzte er die materialistische Geschichtsauffassung durch seine religionssoziologisch begründete Theorie der Entstehung des modernen Kapitalismus, die als Theorie der protestantischen Ethik eine weite Verbreitung fand.
1913 begann WEBER die Arbeit an seinem soziologischen Hauptwerk „Wirtschaft und Gesellschaft“ (siehe PDF "Max Weber - Wirtschaft und Gesellschaft (Auszug)") das er allerdings nicht mehr beenden konnte. Es erschien 1922 postum. In seinem Werk führte er den Idealtypus als soziologischen Unterscheidungsbegriff ein. Er entwickelte die als typisch geltenden Strukturen und Prozesse („Idealtypen“), wie
Folgende zentrale Fragen zum Umfeld der „sozialen Beziehungen“ werden in „Wirtschaft und Gesellschaft“ aufgeworfen:
Handlungstypen sind:
Jede beobachtbare Handlung kann mindestens einer dieser Kategorien zugeordnet und in ihrer Abweichung von einem reinen Typus (z. B. der absoluten Zweckrationalität als Grenzfall)
beschrieben werden.
„Vergesellschaftetes Handeln (Gesellschaftshandeln) wollen wir ein Gemeinschaftshandeln dann und soweit nennen, als
- es sinnhaft orientiert ist an Erwartungen, die gehegt werden auf Grund von Ordnungen,
- deren „Satzung“ rein zweckrational erfolgte,
- die sinnhafte Orientierung subjektiv zweckrational geschieht."
WEBERs Auffassungen von Wissenschaftstheorie erlebten gerade in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine Renaissance. Wissenschaft kann nach seiner Meinung lediglich „die Voraussetzungen und die Konsequenzen unseres Handelns klarmachen.“
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war WEBER anfangs von der Richtigkeit des Krieges überzeugt. Diese Meinung musste er jedoch bald revidieren, vor allem, nachdem er 1914–1915 Disziplinaroffizier der Lazarettkommission in Heidelberg geworden war. 1915 schied er aus dem Militärdienst aus. Er veröffentlichte kaiserkritische Artikel in den Tageszeitungen (vgl. PDF "Max Weber - Politische Schriften") und wandte sich zunächst lediglich gegen Annexionen der Kriegsparteien nach beiden Fronten (1915), 1917/18 forderte er „staatstechnische Änderungen“: die Realisierung einer konstitutionelle Monarchie. Erst spät verteidigte er den bürgerlichen Parlamentarismus gegenüber des sich etablierenden Rätesystems. 1917 traf WEBER auf der „Lauensteiner Tagung“, einer Zusammenkunft der Elite der Künstler und Wissenschaftler, u. a. die Schriftsteller RICHARD DEHMEL und ERNST TOLLER. Hier wurde der direkte Konflikt zwischen der älteren und der jüngeren Intellektuellengeneration offenbar. Während vorwiegend die Jungen (u. a. TOLLER) sich um die Beendigung des Krieges bemühten, forderten die Älteren seine Fortsetzung, damit nicht ein ganzes Volk Verrat an seinen Kriegern übte.
1918 war WEBER Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und lehrte kurzzeitig in Wien als Professor für Soziologie. 1919 wurde er als Ordentlicher Professor der Nationalökonomie an der Universität München berufen. Er nahm auch als Sachverständiger der deutschen Delegation bei der Konferenz zum Versailler Vertrag teil. Im selben Jahr erschienen „Wissenschaft als Beruf“ und „Politik als Beruf“. Am 14. Juni 1920 starb MAX WEBER in München an einer Lungenentzündung.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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