Das Runge-Kutta-Verfahren

Dem Polygonzugverfahren liegt die Voraussetzung zugrunde, dass die Änderung der Funktion zwischen $x=x_i$ und $x+h=x_{i+1}$ allein durch den Anstieg $G\left(x_i;{\overline{y}}_i\right)$ an der Stelle $x_i$ bestimmt ist. Da die exakte Lösung f diese Voraussetzung im Allgemeinen nicht erfüllt – ihr Anstieg kann sich zwischen $x_i{\text{ und x}}_{i+1}$ ändern – entstehen Abweichungen zwischen $y_{i+1}=f\left(x_{i+1}\right)$ und ${\overline{y}}_{i+1}=\overline{f}\left(x_{i+1}\right)$. Diese können durch ein kleineres h und damit größeren Rechenaufwand reduziert werden.

Eine andere Möglichkeit zur Reduzierung der Abweichungen besteht darin, den Anstieg der Funktion f zwischen $x_i{\text{ und x}}_{i+1}$ besser als nur durch $G\left(x_i;{\text{ y}}_{\text{i}}\right)$ (Anstieg am Anfang des Intervalls) abzuschätzen. Hierfür lieferten die deutschen Mathematiker CARL RUNGE (1856 bis1927) und MARTIN WILHELM KUTTA (1867 bis 1944) eine weit verbreitete Variante.

Der Term $G\left(x_i;{\overline{y}}_{\text{i}}\right)$ für den Anstieg $m_i$ im Punkt $P\left(x_i;{\overline{y}}_{\text{i}}\right)$ des Richtungsfeldes wird dabei ersetzt durch einen gemittelten Anstiegswert über vier Punkte $P_{\text{1}}{\text{ bis P}}_{\text{4}}$.

Die Berechnung der numerischen Lösung folgt dann wieder der Grundgleichung ${\overline{y}}_{i+l}={\overline{y}}_i+m_i{}^{\left(ru\text{-ka}\right)}\cdot h$ (Berechnung von $m_i{}^{\left(ru\text{-ka}\right)}$ siehe Tabelle).

Die Berechnung einer numerischen Lösung nach RUNGE und KUTTA sollte aus Effektivitätsgründen am PC durchgeführt werden. Die Programmierung des Algorithmus kann in einer Programmiersprache oder mittels Tabellenkalkulation erfolgen.

Anwendung des Polygonzugverfahrens und des RUNGE-KUTTA-Verfahrens

Beispiel: Das Anfangswertproblem $f\prime \left(x\right)+f\left(x\right)=2\text{ mit }f\left(0\right)=0$ soll nach dem Polygonzugverfahren und dem RUNGE-KUTTA-Verfahren mit $h=\mathrm{0,8}$ im Intervall $\left[0;4\right]$ näherungsweise gelöst und mit der exakten Lösung $y=f\left(x\right)=-2e^{-x}+2$ verglichen werden.

Die Differenzialgleichung $f\prime \left(x\right)+f\left(x\right)=2$ wird umgewandelt in $f\prime \left(x\right)=-f\left(x\right)+2$.
Für die Funktion G gilt $G\left(x;f\left(x\right)\right)=-f\left(x\right)+2\text{ bzw}\text{. }G\left(x_i;{\overline{y}}_i\right)=-{\overline{y}}_i+2$.

• Polygonzugverfahren:
  ${\overline{y}}_{i+l}{}^{\left(poly\right)}={\overline{y}}_i{}^{\left(poly\right)}+m_i{}^{\left(poly\right)}\cdot h$
• RUNGE- KUTTA -Verfahren:
  ${\overline{y}}_{i+l}{}^{\left(ru\text{-ka}\right)}={\overline{y}}_i{}^{\left(ru\text{-ka}\right)}+m_i{}^{\left(ru\text{-ka}\right)}\cdot h$

Die Berechnungsergebnisse für beide Verfahren sowie die Werte $y_i$ der exakten Lösung sind in folgender Tabelle enthalten.

Sowohl die Tabelle als auch die grafische Darstellung deuten an, dass im Allgemeinen numerische Lösungen nach dem RUNGE-KUTTA-Verfahren kleinere Abweichungen gegenüber der exakten Lösung aufweisen als numerische Lösungen nach dem Polygonzugverfahren.