Hefepilze

Etwa 700 Hefearten mit über 5 000 Stämmen sind heute bekannt. Besonders Bierhefe, Backhefe und Weinhefe werden seit einigen Tausend Jahren vom Menschen genutzt.
Die klassische Bier-, Back- und Weinhefe wird zum Teil aus Candida-Hefe, Candida utilis, hauptsächlich aber aus Saccaromyces cerevisiae (Bierhefe; Cerevisia lat.: Bier) bzw. Saccaromyces ellipsoideus (Weinhefe) hergestellt.

Die Candida-Hefen (candidus, lat: glänzend) gehören zur großen Familie der Cryptococcaceae (hefeähnliche Pilze).
Die Saccharomyces-Hefen (Zuckerhefen) gehören zur Familie der Saccharomycetaceae (Ascomyzetes – Schlauchpilze).
Alle sind Sprosspilze, welche die alkoholische Gärung verursachen. Die Vermehrung findet vor allem durch Sprossung und Teilung statt. Sie sind nur unter dem Mikroskop als eiförmige Zellen sichtbar. Man braucht immerhin 20 000 000 000 Zellen, um nur ein Gramm Hefe zu erhalten.

Es gibt verschiedene Stämme oder Rassen von Hefepilzen, die für den jeweiligen Zweck gezüchtet und kultiviert werden. So zeichnen sich Wein- bzw. Branntweinhefen durch eine relativ gute Verträglichkeit gegenüber dem Zellgift Ethanol aus, welches sich in dem hohen Ethanolgehalt nach der Gärung widerspiegelt. Bäckerhefe hingegen bewirkt eine starke Kohlendioxidbildung, die dazu verwendeten Stämme besitzen also eine geringere Empfindlichkeit gegenüber dem Zellgift Kohlendioxid.

Gärungsvorgang der Hefepilze

Gärungsvorgang der Hefepilze

Wer entdeckte die Hefe – PASTEUR oder die alten Ägypter?

Schon lange bevor man schreiben konnte, wurde Hefe genutzt. Als unsere Vorfahren jedoch vor über 5 000 Jahren anfingen zu backen, vermischten sie nur Wasser und Mehl miteinander. Daraus entstanden dann die noch heute bekannten Fladenbrote. Die Fladenbrote sind sehr flach und blähen sich nur an einigen bestimmten Stellen auf. Diese sehr unregelmäßige Blasenbildung geht auf den durch Hitze entstehenden Wasserdampf zurück. Erst eine zufällige Entdeckung im alten Ägypten brach mit dieser Reinheitstradition. Übriggebliebener Brotteig, der über Nacht sauer geworden war, entwickelte beim Backen nicht nur bessere Backeigenschaften, sondern auch einen anderen Geschmack. Die Ägypter bevorzugten dieses neue Brot und wurden deshalb von ihren Nachbarn spöttisch als „Brotfresser“ bezeichnet.

Dieses neue Brot entwickelte beim Backen neben dem neuen Geschmack auch viel feinere und gleichmäßiger verteilte Bläschen. Dadurch wurde das Brot lockerer. Die Gründe dafür sind die während der Ruhezeit aus Bakterien gebildete Milch- und Essigsäure und das aus Hefe gebildete Kohlendioxid. Noch heute ist diese Vorgehensweise bekannt. Man bezeichnet es als Sauerteig und das daraus hergestellte Brot als gesäuertes Brot. Die Juden verachteten dieses Brot, da sie es für verfault hielten. Bis zum heutigen Tage sind die Auswirkungen dieser Denkweise spürbar, denn das Abendmahl der Christen wird nur mit ungesäuertem Brot bzw. Hostien zelebriert.
Das „Reinheitsgebot“ ist nicht nur vom Brot, sondern vor allem vom Bier bekannt. 1516 wurde das als Qualitätsmerkmal deutschen Bieres noch heute bekannte Reinheitsgebot erlassen, welches es dem Bierbrauer verbietet, andere Zutaten als Hopfen, Malz und Wasser zur Bierherstellung zu benutzen.

Ein sehr entscheidender Inhaltsstoff wurde in damaliger Unkenntnis nicht miterwähnt. Heute wissen wir, das sowohl für die Bier- als auch für die Brotherstellung Hefepilze von essenzieller Bedeutung sind. Diese Erkenntnis stammt nämlich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals gerieten LOUIS PASTEUR (1822–1895) und JUSTUS VON LIEBIG (1803–1873) in einen Gelehrtenstreit. LOUIS PASTEUR konnte sich jedoch mit seinen Ansichten über die Vermehrung und Wirkung von Hefezellen durchsetzen. Er hatte einem Auftrag der französischen Bierbrauer folgend die Gärverfahren genauer untersucht und die heute als Fermentation bekannte Wirkungsweise der Hefen entdeckt (die französischen Bierbrauer wollten von ihm wissen, warum deutsches Bier besser als das französische schmeckte). Die Hefepilze hatten in den feinen Spalten der Holzbottiche zur Bierherstellung überlebt und über Jahrhunderte entstanden daraus hoch spezialisierte Hefepilze. Bis in die 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die beste Hefe von den Bierbrauern geliefert. Noch heute ist Bierhefe in Apotheken als medizinische Hefe erhältlich.

Die Frage nach der Entdeckung der Hefe muss also genauer formuliert werden, denn die alten Ägypter sind sicherlich die unbewussten Entdecker der Hefe, wohingegen PASTEUR die Entdeckung der Wirkungsweise von Hefen zugeschrieben werden kann.

Bierhefe

Nachdem die Beteiligung von Hefepilzen bei der Bierherstellung durch LOUIS PASTEUR erkannt wurde, ging man daran, neue, d. h. neuen Geschmack erzeugende und stabilere Hefepilze zu züchten. Noch heute werben einige Brauereien mit ihrem einzigartigen Biergeschmack, der z. T. sicherlich auch auf die Verwendung bestimmter Hefestämme zurückzuführen ist. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Arten von Hefepilzen, die zur Bierherstellung verwendet werden.

Die Hefe zur Herstellung von hellerem Bier (z. B. Pilsener) arbeitet bei Raumtemperatur, fermentiert sehr schnell und erzeugt einen angenehm frischen bis fruchtigen Geschmack. Dagegen arbeitet die Hefe zur Herstellung von dunklem Bier wesentlich langsamer und bei Temperaturen zwischen 0 bis 5 °C. Innerhalb dieser zwei Hauptrichtungen gibt es eine Vielzahl verschiedener Stämme (z. B. auch zur Herstellung von Hefeweizen-Bier). Der genaue Hefestamm ist das Geheimnis jeder Brauerei.

Eine etwas andere Form der Bierhefe ist die in Apotheken angebotene. Dabei handelt es sich um inaktive Hefepilze, die keinerlei fermentative Kraft mehr besitzen. Sie entstehen als eine Art Abfallprodukt bei der Bierherstellung. Nach 5 bis 10 erfolgreichen Fermentierungen verliert die Hefe infolge der zunehmenden Verunreinigungen ihre Aktivität und ist daher nicht länger zur Bierherstellung geeignet.

Die medizinische Wirkung der Hefe benötigt nicht die lebenden Hefepilze, sondern wird im Wesentlichen auf deren Inhaltsstoffe (Vitamin-B-Komplex Vitamine; Mineralstoffe) zurückgeführt. 100 g Hefe haben ca. 1,43 mg Vitamin B1; 2,31 mg Vitamin B2; 17,4 mg Nicotinamid; 3,46 mg Pantothensäure; 0,81 mg Vitamin B6; 33 mg Biotin; 1,02 mg Folsäure.

Hauptanwendung findet die medizinische Hefe bei Hautkrankheiten (Akne, Ekzeme), Anämien und Eiweißmangel. In der Naturheilkunde werden bei Vitaminmangel sogar Hefekuren empfohlen. Da es sich bei dem Begriff Bierhefe nicht um einen geschützten Begriff handelt, kann auch inaktivierte Bäckerhefe unter dieser Bezeichnung in den Handel gelangen (z. B. in Drogerien erhältlich).

An dieser Stelle erwähnt werden muss allerdings auch, dass einige Menschen auf den Genuss von Hefe allergisch reagieren. Wenn nach dem Genuss von Hefegebäck Magen- und Darmbeschwerden folgen, könnte dies ein erster Hinweis darauf sein.

Back- bzw. Bäckerhefe

Zum erfolgreichen Gelingen eines Hefekuchens kann man Frischbackhefe oder Trockenhefe einsetzen. Bei Frischbackhefe handelt es sich um gepresste Hefecreme. Der Feuchtigkeitsgehalt beträgt ca. 70 %. Die Lebensdauer bei Lagerung im Kühlschrank erstreckt sich auf ca. 8 Wochen nach dem Pressvorgang. Trockenhefe wird in einem sehr aufwendigen, mehrstufigen Trockenverfahren aus Frischhefe hergestellt. Der Feuchtigkeitsgehalt beträgt nur noch ca. 8 %, weshalb sich die Hefepilze auch in einer Art Ruhezustand befinden. Trockenhefe ist somit auch über einen sehr viel längeren Zeitraum ohne Verlust der resultierenden Backaktivität haltbar. Allerdings muss ihr deshalb auch während der Teigherstellung mehr Zeit gelassen werden, da die Aktivität der Hefepilze erst wieder vollständig hergestellt werden muss.

Für einen erfolgreichen Backvorgang ist es wichtig zu wissen, dass die Hefe unbedingt Zucker für ihren Stoffwechsel benötigt. Auch zum Brotbacken wird man deshalb dem Teig immer eine Prise Zucker zusetzen, ohne dass der Teig bzw. das Brot danach süß schmecken. Das aus dem Zucker gebildete Kohlendioxid lässt den Teig aufgehen und der gebildete Alkohol verflüchtigt sich beim Backen. Ist der Zucker beim Backen bzw. bei der Teigherstellung verbraucht, dann wird die Stärke (Mehl) verstoffwechselt.

Die Hefeherstellung erfolgt nach den gleichen Regeln wie die Bauernkunst: säen, kultivieren und ernten. Die bevorzugte Nahrung der Hefepilze ist dabei die Melasse, ein Abfallprodukt der Zuckerherstellung.

Weinhefe

Wer schon einmal die Weinherstellung aus Traubensaft selbst durchgeführt hat, weiß, dass zur erfolgreichen Vergärung Weinhefe zugesetzt werden muss. Auch ohne den Zusatz von Weinhefe kann es zur Wein- bzw. Ethanolbildung kommen, da durch die weite Verbreitung der Hefepilze über die Luft diese schon während der Ernte auf den Trauben sind oder sich während der Saftherstellung hinzugesellen. Allerdings wird der Alkoholgehalt wesentlich geringer ausfallen. Überreife Trauben können auch an der Rebe platzen, da während der alkoholischen Gärung auch Kohlenstoffdioxid gebildet wird.

Außerdem kann es auch zur Essigbildung kommen, da Essigsäurebakterien ebenfalls eine weite Verbreitung haben. (Auch ein Luftabschluss mit einem Gärröhrchen kann dann nicht vor Essigbildung schützen.) Eine erfolgreiche Weinherstellung startet daher immer mit dem Abkochen des Traubensaftes zur Inaktivierung der vorhandenen Hefepilze und Bakterien. Anschließend erfolgt dann eine gezielte Impfung mit hochspezialisierten Weinhefesorten. Die zu diesem Zweck kultivierten Hefepilze ergeben während der Wein- und Branntweinherstellung einen hohen Ethanolgehalt bei der Vergärung des Zuckers.

Hefe in der Wissenschaft

Die für die Wissenschaft in heutiger Zeit wichtige Bedeutung des Hefepilzes Saccaromyces cerevisiae begründet sich darauf, dass er ein idealer, eukariotischer Mikroorganismus für gentechnologische Studien ist. Die „Genetik der Hefepilze“ hat viel zum Verständnis der komplexen Vorgänge bei der Vererbung beigetragen und wird dies auch noch tun. Das Genom des Hefepilzes ist schon seit einiger Zeit bekannt und wird deshalb als Referenz für die genetischen Sequenzen von menschlichen und anderen eukariotischen Genen genutzt. Da es sich bei Hefen um Eukaryonten handelt, ist ihre Ähnlichkeit deutlich größer zu höheren Organismen als die von Bakterien.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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