August Wilhelm Schlegel

Kindheit und Jugend

AUGUST WILHELM SCHLEGEL wurde am 5. September 1767 als viertes Kind von JOHANN ADOLF SCHLEGEL und INA CHRISTIANE ERDMUTHE HÜBSCH geboren. Er entstammte einer traditionsreichen Familie von Pastoren, Lehrern und Beamten und Dichtern.
Der belesene junge Mann begann 1789 in Göttingen Theologie zu studieren, wechselte aber bald zu dem Altphilologen HEYNE, der mit seinem Unterricht eine ganze Generation von Schriftstellern und Gelehrten herangebildet hat. In Göttingen schloss sich SCHLEGEL an den Balladendichter GOTTFRIED AUGUST BÜRGER an, den er sehr verehrte. Mit ihm zusammen übersetzte er SHAKESPEAREs „Sommernachtstraum“ (siehe PDF "William Shakespeare – Ein Sommernachtstraum") und arbeitete an dessen „Göttinger Musenalmanach“ mit.

Hofmeister

1791 beendete SCHLEGEL sein Studium und lebte bis 1795 alsHofmeister im Haus der begüterten Familie MUILMAN in Amsterdam. Er wurde Mitarbeiter an SCHILLERs „Horen“ und zog als freier Schriftsteller nach Jena, wo er 1798 vom Weimarischen Herzog zum Außerordentlichen Professor für Philologie ernannt wurde. Mit 31 Jahren lehrte SCHLEGEL an der Jenaer Universität und war der Hauptrezensent der Jenaischen „Allgemeinen Litteratur Zeitung“, für die er allein an 300 Rezensionen verfasste. Dieser ungeliebte Brotberuf brachte es immerhin mit sich, dass er zu einem der profundesten Kenner der deutschen Gegenwartsliteratur wurde und, aufgrund seiner literaturhistorischen Kenntnisse und der aus der klassischen Philologie abgeleiteten Wertmaßstäbe und wissenschaftlichen Methoden, auch ein harter Kritiker von deren oberflächlichen und seichten Erscheinungen. GOETHE und auch SCHILLER hingegen reihte er unter die Großen der Weltliteratur, ungeachtet der Tatsache, dass ihn mit beiden ein nicht spannungsfreies persönliches Verhältnis verband.

Athenäum
1799 nahm SCHLEGEL erleichtert Abschied von der „Litteratur-Zeitung“, denn inzwischen hatte er zusammen mit seinem jüngeren Bruder FRIEDRICH das „Athenäum“ gegründet, das von 1798 bis 1800 in sechs Heften in Berlin erschien. Mit dieser legendären Zeitschrift formulierten die SCHLEGEL-Brüder und ihre Freunde NOVALIS, TIECK, BRENTANO, RITTER und HÜLSEN das Programm der frühromantischen Bewegung und schufen mit ihrer Methode der literaturhistorischen Betrachtungsweise die Grundlagen der sich allmählich etablierenden Wissenschaftsdisziplin Literaturgeschichte.

1796 hatte AUGUST WILHELM SCHLEGEL CAROLINE BÖHMER geheiratet und sie, die ein außereheliches Kind von einem jungen Franzosen erwartete und als Anhängerin der Mainzer Republik verschrien war, aus einer verzweifelten Situation und vor der gesellschaftlichen Ächtung gerettet. In seinem Haus in Jena, um CAROLINEs Tisch herum, versammelten sich von 1799 bis 1800 die jungen Romantiker und schrieben, witzelten, spotteten gegen die selbstgenügsame etablierte Literatur der Aufklärung und ihrer trivialen Epigonen an.

Privatgelehrter in Berlin

1801 ging SCHLEGEL als Privatgelehrter nach Berlin, wo er bis 1804 seine Vorlesungen

  • „Über schöne Litteratur und Kunst“ und
  • „Geschichte der klassischen und romantischen Litteratur“

hielt. Seine Lehrtätigkeit in Berlin und Jena brachten dem Publikum die vergessene Literatur des Mittelalters und die Volksliteraturen der romanischsprachigen Völker nahe und setzten sie zu den ästhetischen Prinzipien anderer Kunstgattungen ins Verhältnis. 1808 wiederholte er die Vorlesungsreihe in Wien mit dem Schwerpunkt „Über dramatische Kunst und Literatur“.

MADAME DE STAËL

Die gescheiterte Ehe mit CAROLINE und die enttäuschte Beziehung zu SOPHIE TIECK-BERNHARDI lagen hinter ihm, als er 1804 für 14 Jahre als großzügig besoldeter literarischer Berater und Lehrer der Kinder der begüterten MADAME DE STAËL nach Coppet in die Schweiz ging und sie, die von NAPOLEON aus Frankreich Ausgewiesene, auf ihren zahlreichen Reisen durch Europa begleitete. Er blieb während ihres langen Krankenlagers 1817 an ihrer Seite und erwies ihr nach ihrem Tod einen letzten Dienst mit der Herausgabe ihres hinterlassenen Werkes.
Eine vom preußischen Staatsministerium angebotene Professur in Berlin lehnte SCHLEGEL überraschend ab und bat um eine Stellung an der eben gegründeten Bonner Universität. Er hatte in Heidelberg die junge SOPHIE PAULUS, Tochter des Kirchenrates PAULUS, geheiratet, doch die Braut zog nie zu ihm nach Bonn, auch geschieden wurde die Ehe nie. Ab 1818 lebte er einsam, aber hoch geachtet und viel beschäftigt als Professor für Indologie in Bonn.

Übersetzung

Ein bleibendes Verdienst erarbeitete SCHLEGEL sich mit seiner 1797 begonnenen, ab 1820 von TIECK (besser von dessen Tochter DOROTHEA und dem Grafen BAUDISSIN) fortgeführten, Übersetzung des shakespeareschen Werkes, die, „treu und poetisch“, noch heute im deutschen Sprachraum als Maßstab setzende SHAKESPEARE-Übersetzung gilt.

SHAKESPEARE-Übersetzungen SCHLEGELs:

  • Julius Cäsar (siehe PDF "William Shakespeare – Julius Cäsar")
  • Richard III (siehe PDF "William Shakespeare – Richard III")
  • Romeo und Julia (siehe PDF "William Shakespeare – Romeo und Julia")
  • Ein Sommernachtstraum (siehe PDF "William Shakespeare – Ein Sommernachtstraum")
  • Der Kaufmann von Venedig (siehe PDF "William Shakespeare – Der Kaufmann von Venedig")

Er übertrug Stücke des spanischen Theaters (1803–1809) und dichtete romanischsprachige Poesie nach („Blumensträuße italienischer, spanischer und portugiesischer Literatur“, 1803). Er erwies sich in seinen Essays, Abhandlungen, Vorlesungen und Kritiken als ein exzellenter Stilist mit hoch entwickeltem Formgefühl und Talent zum systematischen Denken, aber als Dichter blieb er blass, unoriginell und epigonal. Als Bonner Professor leistete er einen großen Beitrag zur französischen Philologie und als Herausgeber indischer Literatur.

Letzte Jahre

Wenn dem alternden SCHLEGEL von den Zeitgenossen auch eine zunehmende Eitelkeit nachgesagt wurde, so blieb ihm jedoch sein nüchterner, klarer Verstand erhalten. Zugute halten muss man ihm zudem die absolute Zuverlässigkeit seines Charakters, mit der er seinen Jugendfreunden wie den Geschwistern TIECK und seinem Bruder FRIEDRICH immer wieder großzügige Unterstützung angedeihen ließ. Während AUGUST WILHELM sich zeitlebens zu seinen romantischen Anfängen und den Freunden aus damaliger Zeit bekannte, so entwickelte sich FRIEDRICH nach seiner Konversion zum Katholizismus zu einem Anhänger von METTERNICHs Restaurationspolitik, der den republikanischen Standpunkt und die romantischen Konzepte seiner Jugend verleugnete.

Der Bruch der beiden Brüder SCHLEGEL erfolgte um 1820, als AUGUST WILHELM nicht mehr bereit war, für die reaktionäre Zeitschrift seines Bruders „Concordia“ Beiträge zu liefern. Die beiden alten Freunde TIECK und AUGUST WILHELM SCHLEGEL hingegen blieben sich ein Leben lang verbunden, auch wenn es im Zusammenhang mit TIECKs Korrekturen an SCHLEGELs SHAKESPEARE-Übersetzung zu Unstimmigkeiten gekommen war. SCHLEGEL starb am 12. Mai 1845 in Bonn, wo er auch begraben wurde.

Werke (Auswahl)

  • (Übers.): W. Shakespeare: Dramatische Werke 9 Bde. Berlin: Unger 1797–1810. (Ergänzt u. erläutert von Ludwig und Dorothea Tieck. Theil 1–9. Berlin: Reimer 1825–33)
  • Athenaeum 3 Bde. Berlin: Vieweg (1) bzw. Berlin: Frölich (2–3) 1798–1800
  • Ehrenpforte und Triumphbogen für den Theater-Präsidenten von Kotzebue bey seiner gehofften Rückkehr ins Vaterland [1800]
  • Gedichte Tübingen: Cotta 1800
  • Charakteristiken und Kritiken 2 Bde. Königsberg: Nicolovius 1801
  • Musen-Almanach für das Jahr 1802 Hg. A. W. Schlegel u. L. Tieck. Tübingen: Cotta 1802
  • An das Publikum. Rüge einer in der Jenaischen Allgemeinen Litteratur-Zeitung begangnen Ehrenschändung Tübingen: Cotta 1802
  • Ion. Ein Schauspiel Hamburg: Perthes 1803
  • Blumensträuße italienischer, spanischer und portugiesischer Poesie Berlin 1803
  • Spanisches Theater 2 Bde. Berlin 1803-1809
  • Über dramatische Kunst und Litteratur. Vorlesungen 3 Bde. Heidelberg: Mohr & Zimmer 1809–11
  • Poetische Werke 2 Bde. Heidelberg: Mohr & Zimmer 1811
  • (Hrsg.): Indische Bibliothek 3 Bde. Bonn: Weber 1820–30
  • Bhagavad-Gita Bonn: Weber 1823
  • Die Rheinfahrt des Königs von Preußen auf dem Cölnischen Dampfschiffe Friedrich Wilhelm zur Einweihung desselben am 14. September 1825. In lateinischer Sprache besungen. Nebst einer deutschen Übersetzung von Justizrath Bardua in Berlin. Für das abgebrannte Städtchen Friesac Berlin: Nauck 1825
  • Kritische Schriften 2 Bde. Berlin: Reimer 1828
  • Zu Goethe‘s Geburtsfeier am 28. August 1829 1829
  • Réflexions sur l‘étude des Langues Asiatiques suivies d‘une lettre à M. Horace Hayman Wilson Bonn: Weber 1832
  • Essais littéraires et historiques Bonn: Weber 1842
  • Oeuvres 1846 (posthum)
  • Briefe über Poesie, Silbenmaaß und Sprache (siehe PDF "August Wilhelm Schlegel – Briefe über Poesie, Silbenmaaß und Sprache")
  • Vorlesungen über schöne Literatur (siehe PDF "August Wilhelm Schlegel – Vorlesungen über schöne Literatur")

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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