Der historische Roman

Interesse für Geschichte

Es gab ein starkes Interesse auch für die Geschichte der Sprache und Literatur. Im 19. Jahrhundert erschienen Geschichtswerke und Literaturgeschichten, die bis in das 20. Jahrhundert zu den Standardwerken gehörten. Der Geschichtsroman gehörte zu einer beliebten Form des Lesers ohne Vorkenntnisse. Von 1815 bis 1845 wurden jährlich 40 historische Romane verlegt. Teilweise war jeder dritte erschienene Roman ein historischer. Bekannte Beispiele für den Geschichtsroman stammen von

  • FELIX DAHN (1834–1912) („Kampf um Rom“, siehe PDF "Felix Dahn - Ein Kampf um Rom", 1876–1878: germanisch-deutsche Vergangenheit als Thema im Kontext der nationalstaatlichen Einigungsbemühungen) und
  • GEORG MORITZ EBERS („Eine ägyptische Königstochter“ 1864), der selbst Ägyptologe war.
  • GUSTAV FREYTAG („Die Ahnen“, 1872–1880)

Zeitgenossen nannten diese Romane auch „Professorenromane“. Professorenromane nannte man diese Literatur, weil sie

  • von Professoren geschrieben war und
  • oft eine Unzahl wissenschaftlichen Materials enthielten.

Die meisten der damals sehr erfolgreichen Autoren historischer Romane sind heute fast oder ganz vergessen:

  • AUGUST VON WITZLEBEN (Ps.: A. von Tromlitz)
  • CARL FRANZ VAN DER VELDE
  • CARL SPINDLER
  • ALEXANDER VON OPPELN-BRONIKOWSKI
  • AUGUST LEIBROCK
  • CLARA MUNDT
  • HERMANN KURZ
  • KARL LUDWIG HÄBERLIN
  • CHRISTOPH HILDEBRANDT
  • JOHANNA NEUMANN-SATORI
  • AMALIE SCHOPPE
  • LUDWIG STORCH
  • WILHELMINE VON GERSDORF

Das Werk des HERMANN KURZ gehört zu den wenigen aus der obigen Liste, das bis heute veröffentlicht wird. KURZ greift u.a. SCHILLERs „Verbrecher aus verlorner Ehre“ auf und schreibt mit „Der Sonnenwirt“ (1855, siehe PDF "Hermann Kurz - Der Sonnenwirt") eine Art Fortsetzung.

Historischer Roman und Literaturkritik

Dabei erfuhr das Genre immer wieder mal heftige Angriffe von Seiten der Literaturkritik: ROBERT EDUARD PRUTZ (1816–1872) schrieb 1847 über den historischen Roman:

„Kaum eine andere Literaturgattung hat bis auf diese Stunde so abweichende, so widersprechende Beurtheilungen erfahren, als der historische Roman, diese jüngste, recht eigentlich moderne Frucht der literarischen Entwicklung überhaupt. Von der Lesewelt gierig verschlungen, zum Liebling des Publikums erklärt, hat die Kritik ihm nur halbe, mißgünstige Blicke zugeworfen. Die Mehrzahl unsrer Aesthetiker hat keinen Anstand genommen, den historischen Roman geradewegs für eine Verirrung, eine Schöpfung weit mehr der Industrie, als der Kunst, ein bloßes Product der unmäßig gesteigerten Schreib- und Leselust unsers papiernen Jahrhunderts zu erklären.“
(ROBERT EDUARD PRUTZ: Stellung und Zukunft des historischen Romans. In: Kleine Schriften zur Politik und Literatur. Teil 1. Merseburg 1847, S. 279)

ADOLF STERN (1835–1907) bemängelte die „äußerste Bildungslosigkeit und klägliche Oberflächlichkeit des lesenden Publikums“.

Historische Abenteuerromane

Zu der Gruppe gehören auch Abenteuergeschichten und Romane über fremde Welten und deren Geschichte und von ausgewanderten Deutschen. In dieser Phase wanderten ca. 2,5 Mio Deutsche nach Amerika aus (u. a. der Österreicher KARL POSTL, d. i. CHARLES SEALSFIELD). In dieser Tradition schrieb im 20. Jahrhundert u. a. B. TRAVEN.

KARL MAY

KARL MAY (1842–1912) schrieb Roman- und Geschichtsserien mit Welterfolg. Seine Werke hatten eine Gesamtauflage von ca. 50 Mio. Exemplaren. Der Autor wurde am 25. Februar 1842 als fünftes von vierzehn Kindern im sächsischen Ernstthal geboren. Sein Vater war ein armer Weber. MAY unterrichtete als Volksschullehrer, wurde aber mit 19 Jahren von der Schule relegiert, hielt sich mit Taschenspielertricks und hochstaplerischem Tun über Wasser. Er war damals schon sehr fantasiebegabt. Nach 1874 begann er zu schreiben. Die Schauplätze der Romane, die der Autor seine Helden stellte, hat MAY nie gesehen. Er begann „Reiseerzählungen“ zu verfassen, die sehr erfolgreich wurden. Besonders gern gelesen und verfilmt wurden die „Winnetou“-Romane (siehe PDF "Karl May – Winnetou I").

In seinen Abenteuern beweist der Einzelheld

  • Mut,
  • Gerechtigkeitssinn,
  • Treue,
  • Mitgefühl,
  • Verantwortungsgefühl,
  • Nächstenliebe (einfache, kindliche christliche Moral und Werte).

Charakteristisch sind

  • Heroisierung,
  • Humor,
  • die Fähigkeit, spannend zu erzählen,
  • das Angebot zu Traumidentifikationen mit Einzelhelden,
  • Bilder von fremden, exotischen Welten und
  • klare Figurentypen.

In MAYs Werk werden zwei große Gruppen von Romanen unterschieden:

Die Amerika-Erzählungen
Der Sohn des Bärenjägers
Der Schatz im Silbersee
Das Vermächtnis des Inka
Der Ölprinz
Der schwarze Mustang
Am Rio de la Plata
In den Cordilleren
Winnetou I
Winnetou II
Winnetou III
Winnetou IV
Satan und Ischariot I
Satan und Ischariot II
Satan und Ischariot III
Old Surehand I
Old Surehand II
Old Surehand III
Weihnacht!

Die Orient-Erzählungen
Khong-Kheou, das Ehrenwort
Die Sklavenkarawane
Durch die Wüste
Durchs wilde Kurdistan
Von Bagdad nach Stambul
In den Schluchten des Balkan
Der Schut
Im Lande des Mahdi I
Im Lande des Mahdi II
Im Lande des Mahdi III
Im Reich des silbernen Löwen I
Im Reich des silbernen Löwen II
Im Reich des silbernen Löwen III
Im Reich des silbernen Löwen IV
Am stillen Ocean
Orangen und Datteln
Auf fremden Pfaden
Ein Abenteuer auf Ceylon

  

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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