Faustmotiv, Rezeptionsgeschichte
Die Rezeptionsgeschichte des Faustmotivs beginnt schon vor der Veröffentlichung des Faustbuches:
- 1507 warnte der Benediktiner JOHANNES TRITHEMIUS aus Würzburg in einem Brief auf Latein seinen Freund JOHANN VIRDUNG in Heidelberg vor FAUST.
- 1556 wurden die „Erfurter“ Faust – Geschichten aufgezeichnet. FAUST soll in Staufen, im Breisgau, gestorben sein.
- 1570 erschien die Niederschrift von Faust – Sagen von ROSSHIRT, einem Schulmeister in Nürnberg,
- 1570 eine Sammlung von Faust – Sagen (zuerst in lateinischer, dann in deutscher Sprache).
- 1572 veröffentlichte JOHANN SPIES die „Historia und Geschicht Doctor Johannis Fausti des Zauberers" (siehe PDF „Historia und Geschicht Doctor Johannis Fausti“)
Nach der Veröffentlichung des Faustbuches gab es einen regelrechten Boom von Faust-Adaptionen:
- RUDOLF WIDMANN erweiterte 1599 die „Historia“ von 1587 durch weitere Erzählungen,
- CHRISTOPHER MARLOWE diente das Volksbuch als Grundlage für seine 1592/93 entstandene „The Tragicall History of the Life and Death of Doctor Faustus“.
- Das „Puppenspiel vom Dr. Faust“ wurde wohl um 1600 zum ersten Mal aufgeführt (Adaption von SIMROCK, siehe PDF „Karl Simrock - Doktor Johannes Faust“).
- JOHANN NIKOLAUS PFITZER, der 1674 die „Historia“ von 1587 nochmals um einige Schwänke erweiterte.
Im 18. Jahrhundert wurde der „Faust“ geradezu inflationär bearbeitet:
- „Das Faustbuch des Christlich Meynenden“ (1725, PDF „Das Faustbuch des Christlich Meynenden“),
- GOTTHOLD EPHRAIM LESSINGs Faust-Fragment im 17. Literaturbrief vom 16. Februar 1759.
- PAUL WEIDMANN (1748–1801) „Johann Faust. Ein Allegorisches Drama von fünf Aufzügen“, (Ausgeführt auf der Königl. Prager Schaubühne von der von Brunianischen Gesellschaft. 1775)
- FRIEDRICH MÜLLER („Situation aus Fausts Leben“,1777, „Fausts Leben dramatisiert von Mahler Müller. Erster Theil.“, 1778),
- JOHANN FRIEDRICH SCHINK (1755–1835): Der neue Doktor Faust. Eine Plaisanterie mit Gesang, in zwei Aufzügen, 1782
- FRIEDRICH MAXIMILIAN KLINGER („Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt in fünf Büchern.“, 1791),
- JULIUS VON SODEN (1754–1831): Doktor Faust. Volks-Schauspiel in fünf Akten, 1797
Auch das 19. Jahrhundert hielt viele Faust-Bearbeitungen bereit:
- KARL FRIEDRICH BENKOWITZ (1764–1807): Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Ein Drama zum Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, 1801
- JENS BAGGESEN (1764–1826): Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Ein dramatisches Gedicht in drei Abtheilungen, 1808
- FERDINAND KRINGSTEINER (1775–1810): „Johann Faust“,1811, Drama
- FRANZ GRILLPARZERs Dramenfragment Faust, Entstehung des Bruchstücks: 1814.
- AUGUST KLINGEMANN (BONAVENTURA, 1777–1831): Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten, 1815
- JOSEF KARL BERNARD (1781–1850) Libretto der Großen romantischen Oper Faust in drei Akten, komponiert von LOUIS SPOHR. Uraufführung am 01.09.1816
- ADOLF BÄUERLE (1786–1859): Doctor Faust's Mantel. Ein Zauberspiel mit Gesang in zwey Acten, 1819
- JULIUS VON VOSS (1768–1832): Faust. Trauerspiel mit Gesang und Tanz, 1823
- KARL JOHANN BRAUN VON BRAUNTHAL (1802–1866): Faust. Eine Tragödie, 1835
- NIKOLAUS LENAU (eigentlich NIKOLAUS FRANZ NIEMBSCH EDLER VON STREHLENAU; (1802–1850, Faust. Ein Gedicht, 1835, hier als PDF „Nikolaus Lenau - Faust. Ein Gedicht“ nach der 2. Auflage von 1840)
- MARLOW, F. (d.i. LUDWIG HERMANN WOLFRAM, 1781–1831) Faust. Ein dramatisches Gedicht in drei Abschnitten, veröffentlicht 1839
- IDA VON HAHN-HAHN: Gräfin Faustine, 1841
- GEORGE HESEKIEL (1819–1874): Faust und Don Juan. Aus den weitesten Kreisen unserer Gesellschaft, Roman, 1846 (siehe PDF „George Hesekiel – Faust und Don Juan“)
- KARL SIMROCK (1802–1876): Doctor Johannes Faust, Puppenspiel in vier Aufzügen, 1846 (siehe PDF „Karl Simrock - Doktor Johannes Faust“)
- ADELBERT VON CHAMISSO (1781–1838), Gedicht „Faust“ (In dramatischer Form), vor 1836
- HEINRICH HEINE (Der Doktor Faust. Ein Tanzpoem, 1847, siehe PDF „Heinrich Heine - Der Doktor Faust“)
- IWAN S. TURGENJEW („Faust. Erzählung in neun Briefen“, 1856, siehe PDF „Iwan Sergejewitsch Turgenjew - Faust: Erzählung in neun Briefen“),
- LUDWIG EICHRODT (1827–1892): Erotisches aus einem erzählenden Gedichte „Faust“, 1856
- FERDINAND STOLTE (1809–1874) Faust. Dramatisches Gedicht in vier Theilen, 1859- 1869
- KURD LASSWITZ („Prost – Der Faust-Tragödie (-n)ter Teil.", 1882, siehe PDF „Kurd Lasswitz - Prost. Der Faust-Tragödie (-n)ter Teil“)
- HERMANN HANGO, Faust und Prometheus. Eine Dichtung, 1895
- FRIEDRICH SPIELHAGEN (1829–1911), Faustulus. Roman, 1898
Auch die Meisterin des unfreiwilligen Humors FRIEDERIKE KEMPNER (1836–1901) griff den Faust-Stoff auf:
O Faust, Du Bild des Menschen,
Bald groß und klar, bald düster wild,
Wer Dich gemalt, er war an Kunst ein Riese,
Gigantisch war der Stoff, und schön gelang das Bild.
Das 20. Jahrhundert setzte die Tradition der Faust-Bearbeitung würdig fort:
- FRANK WEDEKIND: Franziska, Drama, 1911
- FERDINAND AVENARIUS (1856–1923) Faust. Ein Spiel, 1919
- BRUNO ERTLER (1889–1927): Das Spiel von Doktor Faust. Ein deutsches Stück im Volkston in einem Vorspiel und drei Akten, 1923 (siehe PDF „Bruno Ertler - Das Spiel von Doktor Faust“)
- MICHAIL BULGAKOW („Der Meister und Margerita“,
entstanden 1929-1940, veröffentlicht 1966), - PAUL VALÉRY („Mon Faust“ 1946),
- THOMAS MANN („Dr. Faustus – Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn erzählt von einem Freunde“, 1947),
- KLAUS MANN („Mephisto“, 1936),
- DOROTHY L. SAYERS („The Devil to Pay“, 1939)
- VOLKER BRAUN („Hans Faust“, 1968) u. a.
THOMAS MANNs „Doktor Faustus“ ist die wohl bedeutendste Bearbeitung des Faust-Motivs im 20. Jahrhundert.
In jüngerer Zeit gab es Adaptionen des Faust-Stoffes:
- ROLF SCHNEIDER verknüpfte in „Der Tod der Nibelungen“ (Roman, 1970) den urdeutschen Nibelungenstoff mit dem Faustmotiv.
RAINER KIRSCH verfasste seine Komödie „Heinrich Schlaghands Höllenfahrt“ 1973 - KAI MEYER schrieb eine Trilogie vom Dr. Faustus, deren erste Teile heißen:
„Der Engelspakt (April 1996)“ und
„Der Traumvater“ (September 1996).
Band 3, „Die Engelskrieger“, beschließt die Doktor-Faustus-Trilogie (2000).
Musikadaptionen (Auswahl)
- HECTOR BERLIOZ („Die Verdammung des Faust“, 1846, eine dramatische Kantate, basierend auf einer französischen Version von GOETHEs Werk.)
- CHARLES GOUNOD („Faust“, 1859, eine Oper, basierend auf Teilen von Goethes Werk.)
- FRANZ LISZT (komponierte 1859–1860 eine Faust-Symphonie in drei Charakterbildern sowie 1881–1885 den Mephisto-Walzer und die Mephisto-Polka.)
- RRIGO BOITO („Mefistofele“, Oper 1868)
- FERDINAND VON RODA (Faust, Musikdrama, 1872)
- HEINRICH ZÖLLNER (Faust, Musikdrama, 1887)
- ALFRED BRÜGGEMANN (1873–1944, Der Doktor Faust, Oper, 1907)
- FERRUCCIO BENVENUTO BUSONI (1866–1924, Libretto und Musik zur Oper Doktor Faust, 1916-1925, Uraufführung am 21.05.1925)
- HERMANN REUTTER (1900–1985, Don Juan und Faust. Oper, 1950)
- HANNS EISLER (schuf sein „Johann Faustus“-Fragment, eine Oper, 1952)
Subway to Sally („Mephisto“, 1997) - Tanzwut („Götterfunken“)
- Cradle of Filth ( „Absinthe with Faust“)
In der PDF-Datei „Auszug aus Meyers Konversationslexikon von 1888“ findet sich ein Artikel zu Johann Faust aus Meyers Konversationslexikon.
Stimmen zu Faust
Der österreichische Schriftsteller und Kulturphilosoph EGON FRIEDELL (1878–1938) schrieb 1927 über den Faust:
„Das Außerordentliche und (vielleicht sogar unbewußt) Geniale der Goetheschen Faustdichtung besteht darin, daß sie eine kompendiöse Darstellung der Kulturgeschichte der Neuzeit ist. Faust beginnt als Mystiker und endet als Realpolitiker. Faust ist die ganze Versuchung des modernen Menschen, die sich in tausend Masken und Verkleidungen anschleicht: als Alkoholismus, als Sexualität, als Weltschmerz, als Übermenschentum; und dabei ist er der vorbildlich Unbefriedigte, in allem Einzeldasein sich wiedererkennend, qualvoll nach der Einheit der Erscheinungen ringend, und immer vergeblich. Die Tragödie Fausts ist die Tragödie des Menschen der Neuzeit, die Tragödie des Rationalismus, des Skeptizismus, des Realismus. Ihm zur Seite steht der Teufel. Aber Mephisto ist gar nicht böse, sondern bloß frivol, zynisch, materialistisch und vor allem geistreich: die Erscheinung gewordene pure, kalte, sterile Intelligenz, ein höchst differenziertes Gehirnwesen und der konsequenteste Vertreter der genialen Ichsucht. Das Geistreiche und Nurgeistreiche ist der zerstörende Dämon im Menschen der Neuzeit. Mephisto hat den bösen Blick des Intellektualismus, des Sensualismus, des Nihilismus. Er zeigt dem ringenden Genius Fausts die ganze Welt und legt sie ihm zu Füßen; aber, betrogen, muß Faust erkennen, daß diese Welt ihm nur scheinbar gehört, nämlich nur seinem Verstand, der etwas schlechthin Unwirkliches ist.“
(In: Friedell, Egon: Kulturgeschichte der Neuzeit. Die Krisis der Europäischen Seele von der Schwarzen Pest bis zum Ersten Weltkrieg., München: C. H. Beckscher Verlag, o.J. [1927], S. 262.)
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