Begriff der Romantik

Unter Romantik ist eine gesamteuropäische geistes- und kunstgeschichtliche Epoche zu verstehen, die Ende des 18. Jahrhunderts begann und bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts andauerte. Deutschland bildete das Zentrum der Romantik.

Der Begriff der Romantik ist älter als die Epoche. Er entstand im 17. Jahrhundert zur Beschreibung der Eigenart romanhaften Erzählens im Roman und der Romanze. Gemeint waren damit

  • abenteuerliche,
  • phantastische,
  • unwirkliche,
  • erfundene Geschichten.

Diese Geschichten wurden in den Volkssprachen verfasst, waren keine lateinischen Gelehrtendichtungen.

Zum anderen bedeutete „romanz“ (afrz.)

  • Unwirkliches,
  • Überspanntes,
  • Schwärmerisches.

Aber es symbolisierte auch die wilde Landschaft, die Ruine, die Regellosigkeit, das ungestüme Naturgefühl. Im 18. Jahrhundert waren Schauergeschichten, naturhafte und volkstümlich erzählte Prosa sehr beliebt. Diese bildeten einen Anknüpfungspunkt für die um 1790 entstehende künstlerische Epoche der Romantik.

Ab 1770 galt romantisch als Gegensatz zu klassisch.
Die Romantik war in allen Künsten sowie in der Philosophie präsent. Sie war zugleich eine Gegenbewegung zu Aufklärung und Klassik. Wie der Sturm und Drang, mit dem man sich verwandt sah, wurde auch die Romantik zunächst von jungen Künstlern getragen. Mit der Empfindsamkeit verband sie das Aufgehen der empirischen Wirklichkeit in einer höheren, kunstgeschaffenen Fantasie, galt als grundlegend und mächtig für eine ganzheitliche Poetisierung des Lebens. Die Romantik war eine Gegenwelt zur Vernunft:

  • Der Traum,
  • die Sehnsüchte,
  • das Unbewusste,
  • das Dämonische und
  • das Heilige

galten als darstellenswert (als Beispiel für romantisches Erzählen gilt „Aus dem Leben eines Taugenichts" von JOSEPH VON EICHENDORFF, PDF 1). Die Abgründe der Seele interessierten. Die Nacht barg das Geheimnis, das Mythisch-Religiöse, dem man sich hinwendete, und war der Gegensatz zum geschäftigen („tüchtigen“), klaren Tag. Die Nacht symbolisierte den Tod als Aufhebung aller Grenzen. Die blaue Blume symbolisierte die reale Unerfüllbarkeit der Sehnsüchte und Bestrebungen.

Die Romantiker waren zunächst Befürworter der republikanischen Ideen der Französischen Revolution Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (darin unterschieden sie sich von den Klassikern), die eine Umwälzung der feudalen Gesellschaftsstruktur einleiten sollten und Kritiker der bestehenden Gesellschaft. Besonders nach dem Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im Jahre 1806, verursacht durch die Napoleonischen Kriege und den am 12.6.1806 gegründeten Rheinbund, idealisierten sie das Mittelalter als letzte universale Kultur in einer „Reichsherrlichkeit“.

HEINRICH HEINE setzte sich 1836 in seinem Werk „Die romantische Schule" (PDF 2) polemisch-kritisch mit der Romantik auseinander.

Zentren der Romantik

Zentren der Romantik waren Jena, Berlin, Dresden, Tübingen und Heidelberg.
Zu unterscheiden sind:

  • Frühromantik (Jenaer Romantik)
  • mittlere bzw. Hochromantik (Heidelberger Romantik und Berliner Romantik)
  • Spätromantik (Schwäbische Romantik)

Aus der Frühromantik stammt NOVALIS' Gedicht „An Tieck“ (Audio 1):

NOVALIS
An Tieck

Ein Kind voll Wehmut und voll Treue,
Verstoßen in ein fremdes Land,
Ließ gern das Glänzende und Neue,
Und blieb dem Alten zugewandt.

Nach langem Suchen, langem Warten,
Nach manchem mühevollen Gang,
Fand es in einem öden Garten
Auf einer längst verfallnen Bank

Ein altes Buch mit Gold verschlossen,
Und nie gehörte Worte drin;
Und, wie des Frühlings zarte Sprossen,
So wuchs in ihm ein innrer Sinn.

Und wie es sitzt, und liest, und schauet
In den Kristall der neuen Welt,
An Gras und Sternen sich erbauet,
Und dankbar auf die Kniee fällt:

So hebt sich sacht aus Gras und Kräutern
Bedächtiglich ein alter Mann,
Im schlichten Rock, und kommt mit heiterm
Gesicht ans fromme Kind heran.

Bekannt doch heimlich sind die Züge,
So kindlich und so wunderbar;
Es spielt die Frühlingsluft der Wiege
Gar seltsam mit dem Silberhaar.

Das Kind faßt bebend seine Hände,
Es ist des Buches hoher Geist,
Der ihm der sauern Wallfahrt Ende
Und seines Vaters Wohnung weist.

Du kniest auf meinem öden Grabe,
So öffnet sich der heilge Mund,
Du bist der Erbe meiner Habe,
Dir werde Gottes Tiefe kund.

Auf jenem Berg als armer Knabe
Hab ich ein himmlisch Buch gesehn,
Und konnte nun durch diese Gabe
In alle Kreaturen sehn.

Es sind an mir durch Gottes Gnade
Der höchsten Wunder viel geschehn;
Des neuen Bunds geheime Lade
Sahn meine Augen offen stehn.

Ich habe treulich aufgeschrieben,
Was innre Lust mir offenbart,
Und bin verkannt und arm geblieben,
Bis ich zu Gott gerufen ward.

Die Zeit ist da, und nicht verborgen
Soll das Mysterium mehr sein.
In diesem Buche bricht der Morgen
Gewaltig in die Zeit hinein.

Verkündiger der Morgenröte,
Des Friedens Bote sollst du sein.
Sanft wie die Luft in Harf und Flöte
Hauch ich dir meinen Atem ein.

Gott sei mit dir, geh hin und wasche
Die Augen dir mit Morgentau.
Sei treu dem Buch und meiner Asche,
Und bade dich im ewgen Blau.

Du wirst das letzte Reich verkünden,
Was tausend Jahre soll bestehn;
Wirst überschwenglich Wesen finden,
Und Jakob Böhmen wiedersehn.
(Novalis: An Tieck. In: ders.: Gedichte / Die Lehrlinge zu Sais. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1997)

audio

Der literarische Biedermeier (1815–1845) trug ebenfalls stark romantische Züge mit einem Hang zum Realismus. Er wird deshalb häufig auch als eine spätromantische Strömung der Literatur bezeichnet.

Die Poesie sollte der Bewusstseinserweiterung dienen, alle Grenzen überwinden und Mensch und Natur versöhnen. FRIEDRICH VON SCHLEGEL (1772–1829) und NOVALIS gebrauchten als erste das Wort Romantik für die Literatur. Für F. V. SCHLEGEL war Romantik gleichzusetzen mit Poesie.

FRIEDRICH VON SCHLEGEL im 116. Athenaeum-Fragment (PDF 4):

„Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie zu vereinigen und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren und die Formen der Kunst mit gediegenem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch ist, vom größten, wieder mehrere Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosem Gesang.“
(in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erste Abteilung: Kritische Neuausgabe, Band 2, München, Paderborn, Wien, Zürich 1967, S. 182–183)

Themen der Romantik waren:

  • Rückbesinnung auf die Vergangenheit (Mittelalter)
  • Naturhuldigung und -verklärung
  • Irrationales
  • Mythos
  • Volkspoesie

Einflüsse auf die deutschen Romantiker hatten:

JOHANN WOLFGANG VON GOETHEs „Wilhelm Meister“
WILLIAM SHAKESPEAREs Werke
MIGUEL DE CERVANTES SAAVEDRAs „Don Quichotte“
JOHANN GOTLIEB FICHTEs (1762–1814) Wissenschaftslehre
die französische Revolution.

Die Romantiker verherrlichten das Gefühl anstelle eines Intellektes.

Während der Romantik wurde die sogenannte Salonkultur gepflegt. Die berühmten Berliner Salons der RAHEL VARNHAGEN VON ENSE (1771–1833), der HENRIETTE HERZ (1764–1847) und DOROTHEA VEITs (später SCHLEGEL, 1763–1839), einer Tochter MOSES MENDELSSOHNs, pflegten das künstlerische und literarische Gebiet. Die literarischen Salons waren häusliche Gegenstücke zu den wissenschaftlichen und literarischen Zirkeln jener Zeit. Sie gestalteten sich zu Begegnungsstätten zwischen Adel, Großbürgertum, Intellektuellen und vor allem auch jüdischen Bürgern.

Eines der bekanntesten Gedichte der Spätromantik ist Mondnacht von JOSEPH VON EICHENDORFF (Audio 2):

JOSEPH VON EICHENDORFF
Mondnacht

Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
(Joseph von Eichendorff: Werke. Nach den Ausgaben letzter Hand unter Hinzuziehung der Erstdrucke herausgegeben von Ansgar Hillach, Bd. 1–3, München: Winkler, 1970 ff. S. 285)

audio

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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