Die Literatur Australiens

  • Die Auseinandersetzung mit der Kultur der Ureinwohner, den Aborigines,
  • das Bemühen um eine adäquate Wiedergabe der landschaftlichen Besonderheiten des Landes,
  • das Ringen um eine geschichtliche und kulturelle Identität
  • und den fast allgegenwärtigen Traum von einem Paradies auf australischem Boden.

Die Geschichte der australischen Literatur ist die Geschichte der kolonialen Vergangenheit und der allmählichen Lösung vom Vorbild der britischen Literatur. Diese Entwicklung lässt sich in folgenden drei Phasen darstellen:

Die koloniale Phase (1788–1880)

Diese Phase ist durch das Fortwirken der aus dem Mutterland mitgebrachten Formen und Stile gekennzeichnet. Die früheste Literaturform war das Tagebuch, dessen Prosa dem Stilideal des 18. Jahrhunderts nacheiferte. Die Anfänge des Romans lagen in Berichten von Sträflingen und landeskundlichen Schilderungen, in denen dem englischen Lesepublikum authentisch oder fiktiv das Leben in der Kolonie gemäß der Konventionen der viktorianischen Erzählprosa vermittelt wurde (HENRY KINGSLEY).

Die frühe Lyrik folgt stilistisch und formal der Dichtung der augusteischen Zeit. Ode, Pastoral, Elegie, Satire und Epigramm zählten zu den bevorzugten Gattungen. Bei CHARLES HARPUR (1813–1868), HENRY KANDALL (1839–1882) und ADAM LINDSAY GORDON (1833–1870) macht sich in den Schilderungen der australischen Landschaft und dem des Dichterlebens der Einfluss der englischen Romantik bemerkbar.

Die nationale Phase (1880–1920)

Während der nationalen Phase herrschte das Bemühen vor, die als unangemessen empfundenen importierten literarischen Techniken und Formen mit vermeintlich genuin australischen Inhalten zu füllen. Die seit 1880 erscheinende Zeitschrift “The Bulletin” wurde zu einem Hauptträger des literarischen Unabhängigkeitsstrebens. Auf dem Gebiet der Short Story schilderten HENRY ARCHIBALD LAWSON (1867–1922) und BARBARA BAYNTON (1857–1927) einfache, unromantische Protagonisten in ihrem täglichen Kampf gegen eine übermächtige Natur.

Im Roman rückte die australische Geschichte ins Blickfeld (MARCUS CLARKE (1846–1881), ROLF BOLDREWOOD (1826–1915). JOSEPH FURPHY (1843–1912) gelang mit Such is Life (1903) der erste große Roman der Epoche. Er wendete sich von den bis dato gepflegten viktorianischen Erzählkonventionen ab und entwickelte eine originelle Technik der Episodenverknüpfung und ein dezidiert australisches Ethos.

In der Lyrik dominierte die Buschballade. ANDREW PATTERSON (1864–1941) sammelte das von Sträflingen und Goldsuchern aus Irland, Großbritannien und den USA mitgebrachte Liedgut. Er verfasste Balladen, in denen er den Mythos vom autoritätsfeindlichen, freiheitsliebenden und naturverbundenen Australier propagierte.

Die Moderne (seit 1920)

In der modernen australischen Literatur nimmt die Frage nach der spezifischen kulturellen Identität großen Raum ein. Zwischen den Weltkriegen zeigte sich dieses Bemühen in Romanen,

  • die auf historische Stoffe zurückgreifen: M. BARNARD ELDERSHAW – alias FLORA ELDERSHAW (1857–1956), MARJORI BARNARD (1897–1887), ELAENOR DARK (1901–1958), KYLIE TENNANT (1912–1988)
  • oder sich den Charakteristika und Problemen des Landes zuwenden: KATHERINE S. PRICHARD (1883–1969), XAVIER HERBERT (1901–1984).
  • Dokumentarisch-realistisch ist auch die Short Story jener Jahre: GAVIN CASEY (1907–1964), JOHN MORRISON (* 1904), PETER COWAN (* 1914).

Nach 1945 fächert sich der australische Roman in verschiedene Richtungen auf. Einer mehr realistischen, z. T. sozialkritischen steht eine Strömung gegenüber, die sich moderner Techniken bei der Beschreibung nicht mehr nur äußerlicher Wirklichkeitsebenen bedient. Zu der letzteren Richtung zählen die bis Mitte der 1970er Jahre einzigen auch international bekannten Autoren – vor allem PATRICK WHITE (1912–1990), der 1973 den Literatur-Nobelpreis erhielt und mit dem Preisgeld den Patrick White Preis stiftete, der schnell zum höchstdotierten australischen Literaturpreis avancierte.

THOMAS KENEALLY (* 1935), der später als Verfasser des Romans Schindler's Ark (1982, deutsch Schlindlers Liste, Vorlage für den gleichnamigen Film) weltberühmt wurde, weckte das Interesse an der frühen Geschichte Australiens. Ende der 1930er Jahre unternahmen REX INGANELLS (1913–1955) und IAN MUDIE (1911–1976) in der Jindyworobak-Bewegung den Versuch, angelsächsische Traditionen und australische Ureinwohnermythologie literarisch zu verquicken.

Obwohl es im 19. Jahrhundert bereits ein ausgeprägtes Theaterleben gab, nahm das australische Drama erst mit der Gründung der “Pioneer Players” und der “Melbourne Repertory Company” (1911) in den 1920er und 1930er-Jahren, repräsentiert durch LOUIS ESSON (1878–1943) dann durch DOUGLAS STEWART und RICHARD BEYNON, seinen Aufschwung. Das bis heute führende Theater ist die “Melbourne Theatre Company” (1953 gegründet als “Union Theatre Repetory Company”). Seit Mitte der 1970er-Jahre setzen – neben der Shakespeare-Pflege (1991 Gründung der “National Shakespeare Company”) und internationaler Dramatik – vor allem einheimische Autoren Akzente im australischen Theater. Bemerkenswert ist die Gründung mehrerer professioneller Ensembles außerhalb der Zentren Melbourne und Sydney.

Zusammen mit der Literatur ethnischer Minoritäten gewinnt seit Mitte der 1960er-Jahre die schwarzaustralische Literatur in englischer Sprache an Bedeutung. Ihre Hauptvertreter, KATH WALKER (1920–1994), die sich ab 1987 OODGEROO NOONUCCAL nannte, JACK DAVIS (* 1917), COLLIN JOHNSON (* 1938), ROBERT JAMES MERRIT (* 1945), LIONELL GEORGE FOGARTY (* 1958) und ARCHIE WELLER (* 1957), lenken in ihren der angelsächsischen Formtradition entlehnten Romanen, Gedichten und Dramen das Augenmerk auf das Schicksal der Unterdrückten, sozial Benachteiligten und setzen sich für die Kultur und die politische Mitsprache der Aborigines ein.

Literatur der australischen Ureinwohner

Die vielseitige, mündlich überlieferte Literatur der Aborigines nimmt innerhalb der Literaturen der Welt eine Sonderstellung ein. Dies liegt nicht allein daran, dass sie in ihren mannigfachen Erscheinungsformen fast ausschließlich mythischen Charakter trägt, d. h. als unmittelbares Komplement direkt an den Kult und seine Ausdrucksform gebunden ist. Mindestens ebenso bemerkenswert ist, dass sich in ihr eine ganze Skala möglicher literarischer Vor- und Frühformen erhalten hat, die geradezu beispielhaft die Entwicklung der Literatur aus ihren vor- und subliterarischen Anfängen aufzeigt.

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