Ein Bild, egal aus welcher Zeit und egal welchen Zweck es erfüllen soll, ist immer eine Botschaft. Ob man in sein eigenes Spiegelbild, auf ein Verkehrsschild oder auf ein Gemälde schaut, immer ordnet das Gehirn ein, was zu sehen ist, erkennt der Betrachter eine Botschaft.
Das kann unmittelbar und auf den ersten Blick passieren, etwa, wenn man in den Spiegel schaut und feststellt, dass man eine geschwollene Wange hat, oder wenn man ein Einbahnstraßen-Schild sieht; das kann einige Zeit beanspruchen, etwa, wenn man ein großflächiges Gemälde in einem Museum ansieht.
Die Augen tasten das Bild so lange ab und das Gehirn verarbeitet so lange, bis der Betrachter erkannt hat, was zu sehen ist. Mit dem Erkennen verbunden ist das Verstehen der Botschaft.
Der Betrachter ordnet das Erkannte ein und reagiert. Zwei Reaktionen sind möglich: Entweder reagiert er unmittelbar und sichtbar; das würde heißen, er biegt bei einem Einbahnstraßen-Schild nicht gegen die Fahrtrichtung ein, er fasst sich an die Wange, weil ihm das Spiegelbild zur Erkenntnis verholfen hat, dass etwas anders als sonst ist.
Oder aber er reagiert in seinem Kopf, in seiner Gedankenwelt: Er erkennt z. B. auf einem Gemälde eine Landschaft und überlegt sich, wo sie liegen könnte.
Bilder können verschiedene Gefühle auslösen. Schreck, etwa angesichts einer Umweltkatastrophe auf dem Fernsehbildschirm, Freude über ein Foto von einem lieben Verwandten, Furcht vor einem gruseligen Kinoplakat. Es kann auch Ablehnung aufkommen, wenn man das Bild nicht versteht. Unverständnis kann verschiedene Gründe haben. Man kennt die abgebildeten Zeichen nicht und kann sie deshalb nicht einordnen. Etwa, wenn man ein ausländisches Verkehrsschild sieht. Man kann die abgebildeten Zeichen zwar verstehen, nicht aber ihre Kombination. Das passiert, wenn man Bilder fremder oder früherer Kulturen sieht. Oder man kann nicht erkennen, was abgebildet ist. Das kann bei einer verschwommenen Fotografie ebenso passieren, wie bei einem abstrakten Gemälde.
Während Unverständnis angesichts fremder Zeichen herkunftsbedingt ist, also daran liegt, dass der Betrachter und das Bild nicht aus dem selben Umfeld stammen, kann es in der Kunst, besonders in der modernen eine gezielt erzeugte, ja gewollte Wirkung sein. Ist der Betrachter so doch gezwungen, näher hinzuschauen, einen anderen Standpunkt aufzusuchen, sich länger mit dem Bild auseinander zu setzen und möglicherweise eine versteckte Botschaft zu entschlüsseln.
Die emotionalen Reaktionen auf Bilder werden auch von dem Schönheitsprinzip, der Ästhetik gelenkt.
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum einem ein Bild gefällt oder nicht. Bei manchen Bildern scheint die Frage des Gefallens nebensächlich zu sein. Das sind vornehmlich Bilder, bei denen die Informationsübermittlung an erster Stelle steht, wie z. B. beim Verkehrsschild.
Dann gibt es lebensbedingte, praktische Gründe für Gefallen und Nichtgefallen. So wird der Mensch mit der geschwollenen Wange im Spiegelbild eher entsetzt das Gesicht verziehen, als entzückt lächeln, weil das, was er sieht nicht seiner Gewohnheit entspricht, eine für ihn unangenehme Abweichung von der Normalität ist.
Es gibt mentalitätsbedingte, beziehungsweise kulturgeschichtliche Gründe, etwas schön oder hässlich zu finden. War das Kunstpublikum der frühen Neuzeit etwa hellauf begeistert angesichts der fleischigen Frauengestalten des holländischen Malers PETER PAUL RUBENS, so neigt ein Betrachter aus unserer Zeit eher dazu, die abgebildeten Damen als übergewichtig zu empfinden. Das bedeutet: Schönheitsempfinden wird entscheidend auch von der Zeit und der Gesellschaft, in der man lebt, geprägt.
Die Ästhetik und ihr Wandel sind ein wichtiges Thema der Kunstgeschichte. Schließlich ist nicht nur das Schönheitsempfinden so alt wie der Mensch selbst, sondern auch sein Bedürfnis, herauszufinden, warum Schönheit schön ist. Im Lauf seiner Geschichte hat der Mensch das auf verschiedenen Wegen versucht.
Bereits im 3. Jahrhundert vor Christus etwa erforschte der griechische Philosoph EUKLID die „Teilung im inneren und äußeren Verhältnis“ von harmonisch aufeinander bezogenen Strecken. Goldener Schnitt wurde dieses Prinzip ästhetischer Harmonie allerdings erst im 19. Jahrhundert benannt.
Das Prinzip des Goldenen Schnittes besagt, dass sich bei der Teilung einer Strecke der kleinere Teil zum Größeren verhält, wie dieser zur Ganzen Strecke.
Weitere Faktoren, die, neben anderen, das Schönheitsempfinden beeinflussen, sind das Verhältnis von Licht und Schatten (hell und freundlich oder düster und dunkel), Perspektive (von oben herab, auf Augenhöhe), der gewählte Bildausschnitt (ganz nah, weit weg) und natürlich der Bildinhalt selbst.
Wichtig und bestimmend sind ästhetische Prinzipien bei Weitem nicht nur in der bildenden Kunst. Sie beeinflussen den Betrachter in der Wahrnehmung der meisten Bilder, die er sieht, etwa in Zeitungen oder Zeitschriften und natürlich ganz besonders in der Werbung, die bekanntlich mit ihrer Bildsprache bewusst auf ästhetisches Empfinden und emotionale Reaktion abzielt.
Tatsächlich kann die Wirkung von Bildern auf ihre Betrachter so stark sein, dass sie diese - oft unbewusst - beeinflusst. Genießen Bilder doch eine hohe Glaubwürdigkeit, weil sie für sich zu sprechen scheinen, weil der Betrachter „mit seinen eigenen Augen“ sieht. Immer wieder kam und kommt es deshalb, besonders bei politischen Fotografien, Propagandabilder, vor, dass Bilder manipuliert, also verändert werden. Berühmt sind z. B. die Fotomontagen die unter dem Regime STALINS in Russland vorgenommen wurden.
Die drei Grazien von PETER PAUL RUBENS.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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